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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 13.11.2007
Aktenzeichen: XI ZR 294/07
Rechtsgebiete: AktG
Vorschriften:
AktG § 57 | |
AktG § 62 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 13. November 2007
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Nobbe und die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, die Richterin Mayen und den Richter Dr. Grüneberg
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. Januar 2006 wird auf Kosten des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass auf die Berufung des Klägers das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 21. Juli 2005 dahin abgeändert wird, dass eine Forderung des Klägers in Höhe von 353.813,98 € nebst Zinsen hieraus seit dem 1. Oktober 2003 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz (Rückzahlung des am 21. Dezember 2001 ausgezahlten Darlehens) zur Insolvenztabelle festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen wird.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen der B. AG, hat die N. AG (im Folgenden: AG) auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch genommen.
Die Insolvenzschuldnerin und die AG schlossen am 13. Oktober/21. Dezember 2001 einen Darlehensvertrag über 692.000 DM zum Erwerb einer Beteiligung. Das Darlehen war mit 7% zu verzinsen und spätestens am 31. Dezember 2002 in einer Summe zurückzuzahlen. Am 21. Dezember 2001 überwies die Insolvenzschuldnerin die Darlehensvaluta an eine Rechtsanwältin. Am selben Tag wurden mit dem Darlehen Aktien der Insolvenzschuldnerin zum Kurs von 12,75 DM erworben und dem Depot einer als Treuhänderin der AG fungierenden Ehefrau eines Vorstandsmitglieds der AG gutgeschrieben. Die bg. AG schloss am 20. Dezember 2001/7. Januar 2002 mit der Treuhänderin eine Rückkaufvereinbarung zu einem Stückpreis von 14 DM, bestreitet nach dem Wertverfall der Aktien aber ihre Rückkaufpflicht.
Das Landgericht hat die Klage gegen die AG auf Zahlung von 353.813,98 € nebst Zinsen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die AG die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt. Während des Revisionsverfahrens ist über das Vermögen der AG das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der zum Insolvenzverwalter bestellte Beklagte hat das unterbrochene Revisionsverfahren aufgenommen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger könne von der AG gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 AktG die Darlehensvaluta zurückverlangen.
Der Darlehensvertrag sei gemäß § 71a Abs. 1 Satz 1 AktG nichtig. Die Insolvenzschuldnerin und die AG hätten von Anfang an abgesprochen, mit dem Darlehen den Erwerb von Aktien der Insolvenzschuldnerin durch die AG zu finanzieren. Der Darlehensvertrag sei nicht im Rahmen der laufenden Geschäfte von Kreditinstituten i.S. des § 71a Abs. 1 Satz 2 AktG geschlossen worden. Die unvollständige Angabe des Verwendungszwecks, die außerbörsliche Abwicklung und die Einschaltung einer Treuhänderin legten alles andere als ein laufendes Geschäft nahe. Zudem habe die AG keine Sicherheit stellen müssen, sondern in Form der Rückkaufvereinbarung eine Sicherheit erhalten. Die Insolvenzschuldnerin habe auch keine Rücklage i.S. des § 71a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AktG bilden können.
Infolge der Nichtigkeit des Darlehensvertrages könne der Kläger die Darlehensvaluta nach § 62 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 AktG zurückverlangen. § 62 AktG setze zwar grundsätzlich voraus, dass der Leistungsempfänger bereits im Zeitpunkt der Leistung der Aktiengesellschaft Aktionär sei. Diese Gleichzeitigkeit sei aber dann verzichtbar, wenn der Empfänger nachträglich Aktionär werde und die nicht drittgleiche Leistung mit Rücksicht auf seine künftige Aktionärseigenschaft erfolge. Andernfalls würde das mit der Nichtigkeitsfolge belegte Geschäft unnatürlich in zwei Akte aufgespalten und als Umgehungsgeschäft zu dem in § 71 AktG geregelten Erwerb eigener Aktien durch die Aktiengesellschaft anders als dieser Erwerb selbst behandelt.
Die AG habe die Darlehensvaluta empfangen. Sie habe in einem Schreiben vom 26. September 2002 an die Treuhänderin das Treuhandverhältnis bestätigt und ausgeführt, die Valutierung des Darlehens sei auf direktem Zahlungswege abgerufen worden. Wer im Einzelnen von der Insolvenzschuldnerin in die Abwicklung des Darlehens eingeschaltet worden sei, spiele keine Rolle.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
Die Klage auf Rückzahlung der Darlehensvaluta ist gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 AktG begründet. Ob und unter welchen Voraussetzungen diese Vorschrift neben den §§ 812 ff. BGB (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 12. September 2006 - XI ZR 296/05, ZIP 2006, 2119, 2120; Hüffer, AktG 7. Aufl. § 71a Rdn. 4; MünchKommAktG/Oechsler, 2. Aufl. § 71a Rdn. 32) bei der Rückabwicklung gemäß § 71a Abs. 1 Satz 1 AktG nichtiger Darlehensverträge anwendbar ist (vgl. hierzu: Kölner Komm/Lutter, 2. Aufl. § 71a AktG Rdn. 8; MünchKommAktG/Oechsler, 2. Aufl. § 71a Rdn. 32; Heidel, AktG § 71a Rdn. 11), bedarf keiner Entscheidung. Ein Anspruch gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG besteht jedenfalls in Fällen einer nach § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG unzulässigen Einlagenrückgewähr (BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 - II ZR 299/90, WM 1992, 1184, 1185; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Juli 2007 - II ZR 62/06, WM 2007, 1739, 1741, für BGHZ vorgesehen). Eine solche liegt hier vor.
1. Die AG ist als Aktionärin i.S. des § 57 Abs. 1 Satz 1, § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG anzusehen.
a) Unter diesen Begriff fallen nicht nur Personen, die im Zeitpunkt des Leistungsempfangs rechtlich Aktionär sind. Schuldner des Anspruchs gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG ist auch der faktische Aktionär, der, wirtschaftlich betrachtet, eine Aktionärsposition bekleidet und als Treugeber die Aktien durch einen anderen halten lässt (OLG Hamburg AG 1980, 275, 278; Henze, in: GroßkommAktG 4. Aufl. § 57 Rdn. 81 und § 62 Rdn. 28; Kölner Komm/Lutter, 2. Aufl. § 57 AktG Rdn. 40; MünchKommAktG/Bayer, 2. Aufl. § 57 Rdn. 53 und § 62 Rdn. 15, jeweils m.w.Nachw.). Auch zukünftige Aktionäre können nach allgemeiner Meinung in Anspruch genommen werden, wenn zwischen der verbotswidrigen Leistung und dem Erwerb der Aktien ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht (OLG Frankfurt am Main WiB 1996, 163, 164; Kölner Komm/Lutter, 2. Aufl. § 57 AktG Rdn. 40; MünchKommAktG/Bayer, 2. Aufl. § 57 Rdn. 51 und § 62 Rdn. 13 m.w.Nachw.) und die Leistung mit Rücksicht auf die künftige Aktionärseigenschaft erfolgt (Henze, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. § 57 Rdn. 80 und § 62 Rdn. 27; Hüffer, AktG 7. Aufl. § 57 Rdn. 14 und § 62 Rdn. 5, jeweils m.w.Nachw.; Habersack, Festschrift Röhricht 2005, S. 155, 162 f.; Wilken WiB 1996, 166 f.).
b) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die AG war seit dem 21. Dezember 2001 faktische Aktionärin, weil seit diesem Tag, ausweislich ihres Schreibens vom 26. September 2002, das Treuhandverhältnis zu der formalen Aktieninhaberin bestand. Die von dieser am 20. Dezember 2001/7. Januar 2002 geschlossene Rückkaufvereinbarung änderte an ihrer formalen Aktionärsstellung nichts. Der erforderliche Zusammenhang zwischen der Auszahlung der Darlehensvaluta und dem anschließenden, am selben Tag erfolgten Erwerb der Aktionärsstellung ist gegeben. Das Darlehen wurde nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts zum Erwerb der Aktien und daher mit Rücksicht auf die künftige Aktionärsstellung gewährt (vgl. Habersack, Festschrift Röhricht 2005, S. 155, 162 f.).
2. Die Auszahlung des Darlehens ist eine gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG verbotene Einlagenrückgewähr und damit eine unzulässige Leistung i.S. des § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG.
a) § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG erfasst nicht nur die Rückgewähr von Einlagen i.S. des § 54 Abs. 1 AktG (allg.M., vgl. Hüffer, AktG 7. Aufl. § 57 Rdn. 2 m.w.Nachw.), sondern jede von der Gesellschaft dem Aktionär erbrachte, auf seiner Gesellschafterstellung beruhende Leistung, auf die ihm das Aktiengesetz keinen Anspruch gewährt (BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 - II ZR 299/90, WM 1992, 1184, 1185 m.w.Nachw.) und die auch nicht aufgrund einer speziellen gesetzlichen Regelung, etwa den §§ 71 ff. AktG, zugelassen ist (MünchKommAktG/Bayer, 2. Aufl. § 57 Rdn. 7 und 117 ff.). Drittgleiche Umsatzgeschäfte, bei denen Leistungen zu marktüblichen Bedingungen ausgetauscht werden, fallen nicht unter §§ 57, 62 AktG (Henze, in: GroßkommAktG 4. Aufl. § 57 Rdn. 35 m.w.Nachw.), weil Leistungen, die die Gesellschaft aufgrund solcher Geschäfte erbringt, nicht auf der Gesellschafterstellung des Aktionärs beruhen.
b) Gemessen hieran stellt die Auszahlung der Darlehensvaluta eine verbotene Einlagenrückgewähr i.S. des § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG und damit eine unzulässige Leistung gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG dar.
aa) Die AG hatte nach dem Aktiengesetz keinen Anspruch auf die Darlehensvaluta. Aktionäre haben nur Anspruch auf den ausschüttungsfähigen Bilanzgewinn gemäß § 58 Abs. 4 und 5 AktG sowie die in §§ 59, 61 AktG vorgesehenen Leistungen (BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 - II ZR 299/90, WM 1992, 1184, 1185). Derartige Ansprüche standen der Beklagten unstreitig nicht zu.
bb) Die Auszahlung der Darlehensvaluta war auch nicht aufgrund einer speziellen gesetzlichen Regelung zulässig. Der zugrunde liegende Darlehensvertrag ist vielmehr nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts gemäß § 71a Abs. 1 Satz 1 AktG nichtig und fällt nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 71a Abs. 1 Satz 2 AktG.
cc) Der Darlehensvertrag war kein drittübliches Umsatzgeschäft. Dem steht entgegen, dass das Darlehen nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts in unüblicher Weise ohne Sicherheit gewährt wurde (OLG Hamm ZIP 1995, 1263, 1270; MünchKommAktG/Bayer, 2. Aufl. § 57 Rdn. 81).
3. Die AG hat die Darlehensvaluta nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts empfangen.
Die Revision wendet hiergegen ohne Erfolg ein, das Berufungsgericht habe den Vortrag der AG übergangen, die Darlehensvaluta sei ohne ihr Wissen an eine ihr unbekannte Rechtsanwältin überwiesen worden, die ohne ihr Zutun darüber verfügt habe. Sie selbst habe zu keinem Zeitpunkt über die Darlehensvaluta verfügen können.
Ob ein Darlehen, das der Darlehensgeber an einen Dritten auszahlt, als empfangen i.S. des § 607 BGB a.F. und des § 7 VerbrKrG gilt, ist nach § 362 Abs. 2, § 185 BGB zu beurteilen (Senat BGHZ 152, 331, 337 und 167, 252, 264 Tz. 31, jeweils m.w.Nachw.). Dasselbe gilt für § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG (vgl. Henze, in: GroßkommAktG, 4. Aufl. § 62 Rdn. 22; MünchKommAktG/Bayer, 2. Aufl. § 62 Rdn. 14).
Danach liegt ein Empfang auch dann vor, wenn der Gläubiger die Leistung an einen Dritten nachträglich genehmigt (MünchKommBGB/Wenzel, 5. Aufl. § 362 Rdn. 17). Eine solche Genehmigung gegenüber dem Kläger hat die AG erklärt, indem sie in der Klageerwiderung vom 12. November 2003 vorgetragen hat, sie habe den Darlehensbetrag entsprechend der mit der Insolvenzschuldnerin getroffenen Vereinbarung zum Erwerb der Aktien der Insolvenzschuldnerin verwandt. Gegenüber der Treuhänderin hatte die AG bereits mit Schreiben vom 26. September 2002 bestätigt, die Valutierung des Darlehens sei auf direktem Zahlungswege abgerufen worden. Damit hat sie zum Ausdruck gebracht, dass sie die Auszahlung der Darlehensvaluta als Erfüllung ihres vermeintlichen Anspruches gelten lassen will.
III.
Die Revision war demnach als unbegründet mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Forderung des Klägers zur Insolvenztabelle festgestellt wird (§ 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2 InsO; vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Dezember 1953 - VI ZR 1/52, LM Nr. 5 zu § 146 KO).
Ende der Entscheidung
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