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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.12.1998
Aktenzeichen: XI ZR 302/97
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 138 Abs. 1 (Bb) | |
BGB § 398 |
XI ZR 302/97
Verkündet am: 8. Dezember 1998
Weber Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
BGB §§ 138 Abs. 1 (Bb), 398
Eine Globalzession künftiger Kundenforderungen an eine Bank ohne dingliche Teilverzichtsklausel ist in der Regel sittenwidrig, soweit sie auch Forderungen umfassen soll, die der Schuldner seinen Lieferanten aufgrund verlängerten Eigentumsvorbehalts künftig abtreten muß und abtritt.
BGH, Urt. vom 8. Dezember 1998 - XI ZR 302/97 - OLG Frankfurt a.M. LG Frankfurt a.M.
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 1998 durch den Vorsitzenden Richter Schimansky und die Richter Dr. Bungeroth, Nobbe, Dr. van Gelder und Dr. Müller
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. März 1996 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit kollidierender Sicherungsabtretungen.
Die Klägerin, eine österreichische Bank, gewährte der H. GmbH (künftig: H.), einer deutschen Teehandelsgesellschaft, Kredit. Als Sicherheit ließ sie sich alle Forderungen der H. gegen nicht in Deutschland ansässige Abnehmer abtreten. In Nr. 4 des Globalzessionsvertrages vom 19./23. Juli 1993 heißt es u.a.:
"Auslandsforderungen, die nicht von der Abtretung erfaßt werden sollen, da sie über andere Banken finanziert sind, müssen bei der Übermittlung der Offenen-Posten-Liste z.B. handschriftlich "als nicht von der Abtretung umfaßt" gekennzeichnet werden.
Diese Kennzeichnung hat ab dem erstmaligen Aufscheinen der Forderung auf der OP-Liste regelmäßig aufzuscheinen. Sollte eine Forderung auch nur ein Mal nicht wie ausgeführt gekennzeichnet worden sein, so ist die Abtretung an Sie unwiderruflich rechtsgültig."
Zur Fianzierung ihrer Teeimporte war die H., wie die Klägerin wußte, auf weitere, durch Forderungsabtretung zu sichernde Kredite angewiesen. Diese gewährte die Beklagte, eine deutsche Bank. Nr. 10 des am 6. März 1994 mit ihr geschlossenen Importfinanzierungsvertrages bestimmt, daß die H. an die Beklagte sicherungsübereigneten Tee als Kommissionärin im Rahmen ordnungsgemäßen Geschäftsgangs im eigenen Namen verkaufen darf und die Kaufpreisforderungen zur Sicherung aller Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung an die Beklagte abtritt.
Bereits unter dem 3. Februar 1994 hatte die Klägerin die Globalzession gegenüber der M. GmbH (künftig: M.), einer in Österreich ansässigen Abnehmerin der H., offengelegt und sie gebeten, Rechnungen der H. durch Überweisung auf ein bei ihr geführtes Konto zu bezahlen. Die M. kam dem nicht nach, sondern überwies 3.136.250 österreichische Schilling auf das Konto der H. bei der Beklagten. Diese verrechnete die Überweisungsbeträge mit dem Debet der H.
Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von 3.136.250 österreichische Schilling nebst Zinsen in Anspruch und verlangt im Wege der Stufenklage außerdem Auskunft darüber, in welcher Höhe und wann nicht in Deutschland ansässige Kunden der H. seit dem 6. März 1994 Forderungen durch Überweisung auf deren bei der Beklagten geführtes Konto bezahlt haben, sowie Auskehr auch dieser Beträge nebst Zinsen. Die Klägerin hält die Sicherungsabtretung an die Beklagte, da zeitlich nach der Globalzession erfolgt, für unwirksam. Die Beklagte ist vor allem der Ansicht, die deutschem Recht unterliegende Globalzession zugunsten der Klägerin sei mangels Bestimmtheit sowie deshalb nichtig, weil sie auch Forderungen umfasse, die die H. aufgrund eines branchenüblichen verlängerten Eigentumsvorbehalts an ihre Lieferanten habe abtreten müssen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet; sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
I.
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin aus § 816 Abs. 2 BGB für gegeben erachtet und dazu im wesentlichen ausgeführt:
Die Frage, ob die Beklagte durch Zahlungen der M. ungerechtfertigt bereichert sei, sei nach deutschem Recht zu entscheiden, da die Vermögensverschiebung nach deutschem Recht eingetreten sei. Auch die Wirksamkeit der Globalzession sei gemäß Art. 33 Abs. 2 EGBGB nach deutschem Recht zu beurteilen, da die abgetretenen Kaufpreisforderungen der H. deutschem Recht unterlägen.
Die Globalzession sei nicht mangels hinreichender Bestimmbarkeit der im voraus abgetretenen Forderungen unwirksam. Erfaßt würden von ihr alle Forderungen der H. gegen ausländische Kunden unter der auflösenden Bedingung, daß die H. in der Offenen-Posten-Liste eine gegenteilige Kennzeichnung vornehme. Dies sei bei den Forderungen gegen die M. nicht geschehen.
Die Globalzession sei auch nicht sittenwidrig und nichtig, weil sie sich auf Forderungen erstrecke, die die H. aufgrund des vereinbarten verlängerten Eigentumsvorbehalts an ihre Lieferanten habe abtreten müssen. Es fehle an den subjektiven Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB, da aus dem Globalzessionsvertrag unter Berücksichtigung der vorausgegangenen Korrespondenz die Bereitschaft der Klägerin zu entnehmen sei, von anderen Banken vorfinanzierte Forderungen freizugeben. Der H. sei deshalb die Möglichkeit eingeräumt worden, in den Offenen-Posten-Listen fremdfinanzierte Forderungen als von der Abtretung nicht umfaßt zu kennzeichnen.
Die zeitlich nach der Globalzession erfolgte Sicherungsabtretung von Forderungen an die Beklagte sei ins Leere gegangen. Aus der Kommissionsklausel im Importfinanzierungsvertrag folge nichts anderes, da sie unwirksam sei. Die Beklagte könne auch nicht mit Erfolg geltend machen, daß die Zahlungen der M. an sie nur als Zahlstelle der H. erfolgt seien.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung zumindest in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
1. Zutreffend ist allerdings die Anwendung deutschen Rechts durch das Berufungsgericht.
a) Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend, weil die M. an die Beklagte als Nichtberechtigte Leistungen erbracht habe, die ihr, der Klägerin, gegenüber wirksam seien. Maßgebend ist in solchen Fällen das Statut der getilgten Forderungen (Soergel/Lüderitz, BGB 12. Aufl. Art. 38 EGBGB Anh. I Rdn. 18; Palandt/Heldrich, BGB 57. Aufl. Art. 33 EGBGB Vorb. Rdn. 3). Diese unterlagen nach Nr. 8 der Verkaufsbedingungen der H. deutschem Recht.
b) Auch die Wirksamkeit der Globalabtretung ist nach deutschem Recht zu beurteilen. Nach Art. 33 Abs. 2 EGBGB bestimmt das Recht, dem die abgetretene Forderung unterliegt, sowohl ihre Übertragbarkeit als auch das Rangverhältnis konkurrierender Abtretungen (BGHZ 111, 376, 380 ff.). Der gesetzlichen Anknüpfung liegt die Erwägung zugrunde, daß die Rechtsstellung des Schuldners und das Schuldverhältnis nicht zur Disposition des Zedenten und des Zessionars stehen (BGHZ 125, 196, 205). Es ist deshalb ohne Bedeutung, daß die Klägerin mit der Zedentin, der H., die Geltung österreichischen Rechts vereinbart hat.
2. Die Globalabtretung an die Klägerin verstößt nach deutschem Recht gegen die guten Sitten und ist deshalb nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB).
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine zur Sicherung eines Kredits vereinbarte Globalzession künftiger Kundenforderungen an eine Bank in der Regel sittenwidrig, soweit sie nach dem Willen der Vertragspartner auch Forderungen umfassen soll, die der Schuldner seinen Lieferanten aufgrund verlängerten Eigentumsvorbehalts künftig abtreten muß und abtritt. Zur Sicherung der schutzwürdigen Belange des Kreditnehmers und seiner Lieferanten müssen Ansprüche aus einem verlängerten Eigentumsvorbehalt der Globalabtretung in jedem Fall und mit dinglicher, nicht lediglich mit schuldrechtlicher Wirkung vorgehen. Eine Klausel, die dem Zedenten nur die Verpflichtung zur Befriedigung des Vorbehaltsverkäufers auferlegt, genügt nicht. Nicht sittenwidrig ist eine Globalzession ohne eine dingliche Teilverzichtsklausel nur, wenn es aufgrund besonderer Umstände in Ausnahmefällen an einer verwerflichen Gesinnung der beteiligten Bank fehlt. Ein solcher Fall kann gegeben sein, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles - insbesondere wegen der Unüblichkeit des verlängerten Eigentumsvorbehalts in der betreffenden Wirtschaftsbranche - eine Kollision der Sicherungsrechte für ausgeschlossen halten durfte (BGHZ 30, 149, 151 ff.; 32, 361, 365 f.; 55, 34, 35 f.; 72, 308, 310 ff.; BGH, Urteil vom 18. April 1991 - IX ZR 149/90, WM 1991, 1273, 1277; BGH, Urteil vom 16. März 1995 - IX ZR 72/94, WM 1995, 995, 997).
b) Diesen Grundsätzen trägt die Globalzession nicht Rechnung.
aa) Sie umfaßt alle Forderungen der H. gegen ausländische Kunden, also auch solche Ansprüche, die die Zedentin aufgrund eines verlängerten Eigentumsvorbehalts an ihre Lieferanten abtreten mußte. Eine dinglich wirkende Teilverzichtsklausel, die Vorbehaltslieferanten von Anfang an den Vorrang vor der Globalzession sichert, enthält der Globalabtretungsvertrag nicht.
Nr. 4 des Globalzessionsvertrages ist mit einem dinglich wirkenden Teilverzicht auch nicht vergleichbar. Die Herausnahme einer Forderung aus der Globalzession erfolgt danach nicht automatisch, sondern ist von ihrer Kennzeichnung in jeder Offenen-Posten-Liste durch die H. abhängig. Ihre Vorbehaltslieferanten waren also entgegen der Intention der genannten Rechtsprechung über die vorrangige Sicherung von Warenkreditgebern auf die Kennzeichnung der an sie abgetretenen Forderungen durch die Zedentin angewiesen.
bb) Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, läßt sich auch der subjektive Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB nicht mit der Begründung verneinen, nach dem Willen der Parteien hätten Rechte aus verlängerten Eigentumsvorbehalten Vorrang vor der Globalabtretung haben sollen. Abgesehen davon, daß ein schuldrechtlich wirkender Teilverzicht zugunsten von Vorbehaltslieferanten nicht ausreicht, kann keine Rede davon sein, daß die Parteien eine schuldrechtliche Freigabepflicht der Klägerin zugunsten von Vorbehaltslieferanten vereinbart hätten. Die Korrespondenz vor Abschluß der Globalzession, auf die sich das Berufungsgericht beruft, bezieht sich, wie die Revision zu Recht rügt, nicht auf verlängerte Eigentumsvorbehalte von Warenlieferanten, sondern nur auf konkurrierende Abtretungen von Forderungen der H. gegen ausländische Kunden, die über andere Banken finanziert wurden. Überdies sollten Auslandsforderungen nur dann von der Globalabtretung nicht erfaßt werden, wenn sie von der H. entsprechend gekennzeichnet wurden. Die Beschränkung der Globalabtretung ist danach von Handlungen der H. abhängig, auf die Vorbehaltslieferanten und finanzierende Banken keinen Einfluß hatten, und damit weniger als ein schuldrechtlich wirkender Teilverzicht.
Auch mit anderer Begründung läßt sich der subjektive Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB nicht verneinen. Ein verlängerter Eigentumsvorbehalt war nicht branchenunüblich. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts lieferte zumindest ein Teil der Exporteure Tee nur unter Eigentumsvorbehalt. Eine dinglich wirkende Teilverzichtsklausel war deshalb erforderlich. Gleichwohl war die Klägerin, obwohl sie von der Notwendigkeit der Abtretung von Forderungen aus dem Weiterverkauf von Tee an Dritte wußte, damit nicht einverstanden. Dies sowie die Vereinbarung einer Klausel, bei der sie von jeder vorsätzlichen oder versehentlichen Nichtkennzeichnung von Forderungen zu Lasten von Vorbehaltslieferanten und importfinanzierenden Banken profitierte, weil die Abtretung an die Klägerin damit unwiderruflich rechtswirksam sein sollte (Nr. 4 Globalzessionsvertrag), steht dem Ausschluß einer verwerflichen Gesinnung im Sinne der genannten Rechtsprechung entgegen.
c) Der Globalzessionsvertrag ist danach sittenwidrig und nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB) mit der Folge, daß die Klägerin die von der Beklagten eingezogenen Forderungen nicht erworben hat. Daß die Beklagte keine Vorbehaltslieferantin ist, ist ohne Belang. Die aus der Sittenwidrigkeit folgende Nichtigkeit der Globalzession wirkt für und gegen jedermann.
3. Auf weitere Fragen, insbesondere darauf, ob die abgetretenen Forderungen nach dem Globalzessionsvertrag bestimmbar sind, ob die im Importfinanzierungsvertrag enthaltene Kommissionsklausel wirksam ist und ob die Beklagte erfolgreich geltend machen kann, bei den Überweisungen der M. nur als Zahlstelle der H. fungiert zu haben, kommt es nicht an.
III.
Das angefochtene Berufungsurteil war daher aufzuheben und, da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), das klageabweisende Urteil des Landgerichts wiederherzustellen.
Ende der Entscheidung
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