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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.09.2004
Aktenzeichen: XI ZR 330/03
Rechtsgebiete: HWiG, VerbrKrG


Vorschriften:

HWiG § 1
HWiG § 5
VerbrKrG § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b
VerbrKrG § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b Satz 2 a.F.
VerbrKrG § 6 Abs. 1
VerbrKrG § 6 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XI ZR 330/03

Verkündet am: 14. September 2004

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die Richter Dr. Müller, Dr. Wassermann, die Richterin Mayen und den Richter Dr. Ellenberger

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 9. September 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines dem Verbraucherkreditgesetz unterliegenden Darlehensvertrags.

Die Klägerin war im Jahr 1996 geworben worden, zwei Fondsanteile an einem geschlossenen Immobilien-Fonds zu erwerben. Im Fondsprospekt war eine Fremdfinanzierung vorgesehen, bei der die Tilgung der Anschaffungskosten für den Fondsbeitritt über eine Lebensversicherung erfolgen sollte. Zur Finanzierung des Fondsbeitritts nahm die Klägerin mit Vertrag vom 27. September/4. November 1996 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im folgenden: Beklagte) ein Darlehen in Höhe von 70.480 DM auf. Die Rückzahlung des Kredits, dessen jährliche Verzinsung von nominal 6,66% bis zum 1. Oktober 2006 festgeschrieben war, sollte bei anfänglichen monatlichen Zinszahlungen in Höhe von 391,16 DM am 1. Oktober 2016 erfolgen. Eine Tilgung war bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorgesehen. Insoweit enthielt der Vertrag den Hinweis, daß die Klägerin zusätzlich pro Monat 124,30 DM auf eine bereits seit 1982 bestehende Lebensversicherung zu zahlen hatte, daß die Versicherungssumme der für den Todesfall abzutretenden Lebensversicherung aber möglicherweise nicht ausreiche, um den Kredit bei Fälligkeit der Versicherung vollständig durch diese zurückzuführen und daß das Darlehen zum 1. Oktober 2016 auch zu tilgen sei, wenn die Lebensversicherung zu diesem Zeitpunkt nicht ablaufe. Ihre Rechte und Ansprüche aus der Lebensversicherung trat die Klägerin an die Beklagte für den Todesfall ab. Diese zahlte die Kreditvaluta vereinbarungsgemäß abzüglich der im Vertrag vorgesehenen "einmaligen Geldbeschaffungskosten" von 6% und der "einmaligen Bearbeitungsgebühr" von 4% an den Treuhänder des Immobilienfonds aus.

Die Klägerin ließ den Darlehensvertrag im Februar 2001 wegen arglistiger Täuschung anfechten und ihre Vertragserklärungen unter Hinweis auf §§ 1, 5 HWiG widerrufen. Mit ihrer Klage begehrt sie die Rückzahlung gezahlter Zinsen und Kosten sowie die Feststellung, daß der Beklagten aus dem Darlehensvertrag keine Rechte mehr zustehen.

Das Landgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage mit Rücksicht auf die im Darlehensvertrag fehlende Angabe zu dem Gesamtbetrag der Belastungen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b VerbrKrG (in der vom 1. Mai 1993 bis 31. Juli 2001 gültigen Fassung, im folgenden: a.F.) festgestellt, daß die Klägerin nicht verpflichtet ist, für das Darlehen mehr als 4% Zinsen zu zahlen. Die hiergegen gerichteten Berufungen beider Parteien sind ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht nur für die Beklagte zugelassenen Revision verfolgt diese ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZIP 2004, 946 abgedruckt ist, hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:

Das Landgericht habe zu Recht die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 149, 302) angewendet. Danach bestehe eine Pflicht zur Angabe des Gesamtbetrags der vom Verbraucher zu erbringenden Leistungen auch bei einem Verbraucherkredit, dessen Fälligkeit von der Auszahlung einer Lebensversicherung abhänge, durch die der Kredit ganz oder teilweise getilgt werden solle. An der wirtschaftlichen Einheit von Darlehensvertrag und Lebensversicherung als Ansparvertrag fehle es nicht. Aus der der Beklagten erkennbaren maßgeblichen Sicht der Klägerin habe das Darlehen im Idealfall vollständig, zumindest aber weitestgehend mit Hilfe der auf den Todesfall an die Beklagte abgetretenen Lebensversicherung getilgt werden sollen. Die Angabepflicht nach § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b Satz 2 VerbrKrG a.F. gelte auch für eine sogenannte unechte Abschnittsfinanzierung, wie sie die Parteien hier vereinbart hätten. Auch dabei handele es sich um einen Kredit mit veränderlichen Bedingungen im Sinne der genannten Vorschrift.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung stand.

1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß die Beklagte gemäß § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b Satz 2 VerbrKrG a.F. (jetzt: § 492 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 BGB) zur Angabe des Gesamtbetrags aller von der Klägerin zur Tilgung des Kredits sowie zur Zahlung der Zinsen und sonstigen Kosten zu entrichtenden Teilzahlungen verpflichtet war.

a) Wie der Senat mit Urteil vom 8. Juni 2004 (XI ZR 150/03, WM 2004, 1542, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) entschieden und im einzelnen begründet hat, besteht eine Pflicht zur Angabe des Gesamtbetrags nach dieser Vorschrift auch in Fällen, in denen die Vertragspartner - wie hier - eine sogenannte unechte Abschnittsfinanzierung vereinbaren. Bei ihr wird dem Verbraucher ein langfristiges Kapitalnutzungsrecht - hier zwanzig Jahre - eingeräumt, die Zinsvereinbarung jedoch nicht für den gesamten Zeitraum, sondern zunächst nur für eine bestimmte Festzinsperiode - hier zehn Jahre - getroffen, wobei das Darlehen zum Ende des Finanzierungsabschnitts nicht ohne weiteres fällig wird, sondern nur dann, wenn der Darlehensnehmer der vorgeschlagenen Änderung der Konditionen widerspricht. Wie der Senat in seinem Urteil vom 8. Juni 2004 im einzelnen begründet hat (aaO S. 1543 f., m.w.Nachw.), handelt es sich bei einer solchen unechten Abschnittsfinanzierung um einen Kredit mit "veränderlichen Bedingungen" im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b Satz 2 VerbrKrG a.F., da die Zinskonditionen und das Vertragsschicksal selbst bei Abschluß des Kreditvertrages noch nicht für die gesamte vorgesehene Laufzeit feststehen. Daran wird auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Revision festgehalten.

b) Der von der Beklagten gewährte endfällige Festkredit mit Tilgungsaussetzung war im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b Satz 2 VerbrKrG a.F. "in Teilzahlungen" zu tilgen.

Eine Rückzahlung des Kredits in Teilbeträgen mit der Folge einer Pflicht zur Angabe des Gesamtbetrags liegt nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 149, 302, 306 ff. und Urteil vom 8. Juni 2004 - XI ZR 150/03, WM 2004, 1542, 1544 f., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) bei endfälligen Krediten mit Tilgungsaussetzung vor, die bei Fälligkeit zumindest zum Teil mittels in der Zwischenzeit angesparter Lebensversicherungen abgelöst werden sollen, sofern aus der maßgeblichen Sicht des Verbrauchers die Zahlungen an den Lebensversicherer wirtschaftlich regelmäßigen Tilgungsleistungen an den Kreditgeber gleichstehen. Das ist der Fall, wenn nach den getroffenen Vereinbarungen der Parteien der Festkredit mit dem Ansparvertrag derart verbunden wird, daß die Tilgung des Kredits für die Laufzeit ganz oder teilweise ausgesetzt wird und dafür parallel Zahlungen auf den Ansparvertrag geleistet werden, die nach der übereinstimmenden Vorstellung der Parteien bei Abschluß des Darlehensvertrags mindestens zur teilweisen Rückzahlung des Kredits verwendet werden sollen (Senat, BGHZ 149, 302, 308 und Urteil vom 8. Juni 2004 - XI ZR 150/03, WM 2004, 1542, 1545, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

Wie der Senat in dem Urteil vom 8. Juni 2004 (XI ZR 150/03 aaO), dem ein nahezu identischer Sachverhalt zugrunde lag, bereits entschieden und näher ausgeführt hat, sind diese Voraussetzungen in Fallgestaltungen der vorliegenden Art gegeben. Nach den aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts stand auch hier von vornherein fest, daß die an die Lebensversicherung geleisteten Zahlungen bei planmäßigem Verlauf der vertraglichen Beziehungen zur Tilgung des Darlehens verwendet werden sollten. Die enge Verbindung zwischen Kredit, Tilgungsaussetzung und gleichzeitig anzusparender Lebensversicherung ergibt sich ebenso wie deren Tilgungsfunktion unmittelbar aus dem Darlehensvertrag, in dem auch die für die Lebensversicherung zu zahlenden Raten angegeben sind. Angesichts dessen ändert auch der Umstand, daß eine bereits bestehende Lebensversicherung in die Vertragsgestaltung einbezogen wurde und diese bereits etwa vier Jahre vor dem Darlehen fällig wird, nichts an der Tatsache, daß nach den getroffenen Vereinbarungen die Lebensversicherung Mittel zur (teilweisen) Tilgung des Kredits sein und bei planmäßigem Verlauf der Dinge auch so eingesetzt werden sollte. Dafür spricht insbesondere auch, daß für die im Jahr 1982 abgeschlossene Lebensversicherung im Darlehensvertrag eine Laufzeit von 34 Jahren angegeben ist, die Versicherung also ebenso wie das Darlehen im Jahr 2016 fällig werden soll, und sich die Klägerin um eine entsprechende Anpassung der Lebensversicherung bemüht hat. Aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin als Verbraucherin konnte kein Zweifel daran bestehen, daß ihre für die Lebensversicherung zu erbringenden monatlichen Zahlungen wirtschaftlich entsprechenden monatlichen Tilgungsleistungen an den Kreditgeber gleichstanden.

2. Die danach gemäß § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b Satz 2 VerbrKrG a.F. erforderliche Angabe des Gesamtbetrags aller von der Klägerin zu entrichtenden Teilzahlungen fehlt im Kreditvertrag. Dies hat, da die Darlehensvaluta vereinbarungsgemäß ausgezahlt wurde, nach § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG zur Folge, daß die Klägerin nur die gesetzlichen Zinsen in Höhe von 4% (§ 246 BGB) schuldet.

Entgegen der Auffassung der Revision erstreckt sich die Ermäßigung des Zinssatzes auch im Falle einer unechten Abschnittsfinanzierung auf die gesamte Vertragslaufzeit, nicht nur auf die Zinsfestschreibungsperiode. Nach § 6 Abs. 1 VerbrKrG ist der gesamte Kreditvertrag nichtig, wenn die vorgeschriebene Angabe des Gesamtbetrags fehlt. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG hat in Fällen, in denen der Verbraucher das Darlehen - wie hier - erhalten hat, die Nichtangabe des Gesamtbetrags nach § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b VerbrKrG a.F. zur Folge, daß der Kreditvertrag zwar nicht unwirksam, sein Inhalt aber entsprechend den gesetzlichen Vorgaben modifiziert (Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearbeitung 2001 § 6 VerbrKrG Rdn. 28) und die Schuld des Verbrauchers aus diesem Vertrag für die gesamte Vertragslaufzeit auf den gesetzlichen Zinssatz ermäßigt wird (Bülow, Verbraucherkreditrecht 5. Aufl. § 494 BGB Rdn. 54). Das ist im Falle einer unechten Abschnittsfinanzierung die Gesamtlaufzeit des Vertrages, da hier nach Ende eines Finanzierungsabschnitts kein neuer Kreditvertrag abgeschlossen wird. Vielmehr wird - da das Kapitalnutzungsrecht dem Verbraucher für die Gesamtlaufzeit des Vertrages und nicht nur für die einzelnen Teilabschnitte eingeräumt ist - im Falle einer Einigung auf geänderte Konditionen der ursprüngliche Vertrag fortgesetzt (Senatsurteil vom 7. Oktober 1997 - XI ZR 233/96, WM 1997, 2353, 2354). Bleibt aber der ursprünglich abgeschlossene Darlehensvertrag nach Ablauf der Zinsfestschreibung erhalten, so bleibt es auch bei der Reduzierung der auf seiner Grundlage begründeten Schuld des Verbrauchers auf den gesetzlichen Zinssatz.

Der Umstand, daß der Vertrag für den Zeitraum nach Ende der Zinsfestschreibung noch keine verbindlichen Angaben zum Gesamtbetrag sowie zum Vertragszins enthält, gibt entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (vgl. Sauer/Wallner BKB 2003, 959, 966) keinen Anlaß zu einer einschränkenden Auslegung des § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG dahin, daß als Kreditvertrag in diesem Sinne nur die jeweilige Zinsfestschreibungsvereinbarung anzusehen sei (so für den Fall der fehlenden Angabe des Effektivzinses: OLG Frankfurt/Main OLGR Frankfurt 1999, 312, 314 f.). Eine solche Auslegung scheidet aus, weil der Gesetzgeber die Pflicht zur Angabe des Gesamtbetrags und die sich aus ihrer Nichtbeachtung ergebenden Folgen ausdrücklich nicht an die jeweilige Zinsfestschreibungsperiode, sondern an die Gesamtlaufzeit des Vertrages geknüpft hat. Anders als nach früherer Rechtslage ist es nicht mehr ausreichend, einen bloßen Abschnittsgesamtbetrag anzugeben (Peters WM 1994, 1405, 1407). Vielmehr sieht § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b Satz 2 VerbrKrG a.F. in Fällen, in denen - wie hier - die Kreditkonditionen bei Abschluß des Vertrages wegen der Veränderlichkeit der Bedingungen noch nicht für die gesamte Vertragslaufzeit feststehen, vor, daß gleichwohl ein Gesamtbetrag für die gesamte Laufzeit des Vertrages anzugeben ist, und zwar auf der Grundlage der bei Abschluß des Vertrages maßgeblichen Kreditbedingungen. Es ist deshalb konsequent, die in § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG für den Fall der Nichtangabe des Gesamtbetrags angeordnete Rechtsfolge - Beschränkung der nicht wirksam vereinbarten Zinsschuld des Verbrauchers auf den gesetzlichen Zinssatz - auf die gesamte Laufzeit des Vertrages zu erstrecken. Daß der Gesamtbetrag bei unechten Abschnittsfinanzierungen wegen der Ungewißheit über die künftigen Kreditkonditionen nicht endgültig, sondern nur auf der Grundlage der Anfangskonditionen angegeben werden kann und nicht sehr informativ ist, ändert nichts. Der Gesetzgeber hat dies gesehen, im Interesse umfassenden Verbraucherschutzes aber hingenommen und nur grundpfandrechtlich gesicherte Abschnittsfinanzierungen von der Pflicht zur Angabe des Gesamtbetrags befreit (Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - XI ZR 150/03, WM 2004, 1542, 1544 m.w.Nachw., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

III.

Die Revision war somit zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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