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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 17.07.2001
Aktenzeichen: XI ZR 362/00
Rechtsgebiete: BGB, ScheckG


Vorschriften:

BGB § 989
BGB § 990
ScheckG Art. 21
Ein deutsches Kreditinstitut, das im Scheckinkassoverfahren von einer ausländischen Bank mit der Weiterleitung des Schecks an die Bezogene beauftragt wird, hat nicht allein aufgrund der Verschiedenheit von Schecknehmer und -einreicher (Disparität) zur Vermeidung grober Fahrlässigkeit die Verfügungsberechtigung des Einreichers durch Rückfrage beim Schecknehmer oder -aussteller zu prüfen.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XI ZR 362/00

Verkündet am: 17. Juli 2001

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und die Richter Dr. van Gelder, Dr. Müller, Dr. Joeres und Dr. Wassermann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. November 2000 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger, Haftpflichtversicherer der Kreissparkasse B., nimmt die beklagte Bank aus übergegangenem und abgetretenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch, weil diese bei der Mitwirkung am Einzug eines Inhaberverrechnungsschecks als Zwischenbank grob fahrlässig nicht erkannt habe, daß der Scheck abhanden gekommen war.

Am 19. Juni 1997 sandte die M. GmbH, G., der D. Deutschland Inc., S., zur Bezahlung von Rechnungen einen auf die Kreissparkasse B. gezogenen Scheck über 96.786,35 DM. Der Scheck erreichte die Adressatin nicht, sondern wurde am 30. Juni 1997 der Y. in der Türkei von einem H. Ba. vorgelegt und von der Y. im Inkassoverfahren der Beklagten zugeleitet. Diese übersandte den Scheck der Kreissparkasse B., die den Scheckbetrag am 7. Juli 1997 dem Konto der Ausstellerin belastete und der Beklagten überwies. Die Beklagte leitete den Scheckbetrag am 11. Juli 1997 an die Y. weiter, die ihn bar an Ba. auszahlte.

Auf der Vorderseite des Inhaberverrechnungsschecks wird die D. Deutschland Inc. als Schecknehmerin genannt. Auf der Rückseite befindet sich ein Stempel mit ihrer Firma und Anschrift sowie eine Unterschrift. Darunter folgt der Name "H. Ba." sowie ein Stempel der Y. nebst Unterschrift. Ein Mitarbeiter der Beklagten hat deren Stempel hinzugefügt und unterschrieben.

Die M. GmbH bezahlte die Rechnungen der D. Deutschland Inc. anderweitig, nahm die Kreissparkasse B. auf Erstattung des Scheckbetrages nebst Unkosten in Anspruch und erhielt vom Kläger nach Abschluß eines Vergleichs 48.500 DM gegen Abtretung etwaiger Ansprüche gegen die Beklagte.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von 24.250 DM in Anspruch. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt: Die auf § 426 Abs. 1 und 2 BGB i.V. mit § 67 Abs. 1 VVG und § 398 BGB gestützte Klageforderung sei nicht begründet. Die Beklagte habe bei der Entgegennahme und Weiterleitung des Schecks nicht grob fahrlässig im Sinne des Art. 21 ScheckG i.V. mit §§ 990, 989 BGB gehandelt. Aus der Scheckurkunde ergäben sich keine Verdachtsmomente für ein Abhandenkommen. Die Verschiedenheit von Schecknehmerin und -einreicher (Disparität) habe über die Prüfung der von der Schecknehmerin bis zur Beklagten reichenden Indossamentenkette auf der Scheckrückseite hinaus keine weitergehenden Pflichten der Beklagten zur Überprüfung der Verfügungsberechtigung des Einreichers begründet. Die Indossamentenkette, insbesondere der Firmenstempel der Schecknehmerin, weise keine Anzeichen einer Fälschung auf. Ob die Beklagte die Rückseite des Schecks tatsächlich überprüft habe, sei unerheblich, weil das Unterlassen dieser Prüfung für die Einlösung des Schecks jedenfalls nicht ursächlich gewesen sei.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Die Klageforderung ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 990 Abs. 1, 989 BGB i.V. mit Art. 21 ScheckG aus abgetretenem Recht der Scheckausstellerin (§ 398 BGB), weil die Beklagte bei der Entgegennahme des Schecks von der türkischen Y. und der Weiterleitung an die Bezogene nicht grob fahrlässig gehandelt hat.

a) Grobe Fahrlässigkeit kann allerdings nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden.

Die Entscheidung, ob die fehlende Kenntnis eines Kreditinstituts vom Mangel seines Rechts zum Besitz eines Schecks auf grober Fahrlässigkeit beruht, ist zwar im wesentlichen eine solche der tatrichterlichen Würdigung, die mit der Revision nur beschränkt angreifbar ist. Der Nachprüfung unterliegt aber, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit oder die Pflichten des Kreditinstituts bei der Entgegennahme von Schecks verkannt hat (st.Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 2000 - XI ZR 186/99, WM 2000, 812, 813 und vom 18. Juli 2000 - XI ZR 263/99, WM 2000, 1744, 1745).

Letzteres ist hier der Fall. Sofern die Disparität zwischen Schecknehmer und Scheckeinreicher eine Pflicht zur Überprüfung der Verfügungsberechtigung des Scheckeinreichers begründet, reicht die Prüfung einer auf dem Scheck befindlichen Indossamentenkette nicht aus. Das auf einem Inhaberscheck befindliche Blankoindossament des ersten Schecknehmers und eine sich ggf. anschließende ununterbrochene Reihe von Indossamenten im Sinne des Art. 19 ScheckG geben keinen hinreichenden Aufschluß darüber, ob der Einreicher Eigentümer des Schecks geworden ist. Da Kreditinstitute zum Inkasso hereingenommene Inhaberschecks in aller Regel auf der Rückseite vom Einreicher unterzeichnen lassen (Nobbe, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 61 Rdn. 23), kann der Schecknehmer den Scheck ebenso gut zum Inkasso blanko indossiert haben. Kommt ein Scheck nach einer solchen Indossierung abhanden, kann ein Dritter, der ihn unbefugt einziehen will, seine Verfügungsberechtigung unter Bezug auf das Blankoindossament vorzutäuschen versuchen. Angesichts dieser naheliegenden Möglichkeit reicht allein die Prüfung der förmlichen Berechtigung des Scheckeinreichers gemäß Art. 19 ScheckG, der die materielle Wirksamkeit der Indossamente nicht voraussetzt, zur Erfüllung durch die Disparität begründeter Sorgfaltspflichten nicht aus (ebenso für Orderschecks: Senatsurteil vom 15. Februar 2000 - XI ZR 186/99, WM 2000, 812, 813).

b) Die Verneinung grober Fahrlässigkeit durch das Berufungsgericht stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).

Die Beklagte gehört nicht zu den Personen, die bei Disparität zwischen Schecknehmer und -einreicher unter der Voraussetzung, daß die Weitergabe von Inhaber- und Orderverrechnungsschecks im kaufmännischen Geschäftsverkehr absolut unüblich ist, zur Vermeidung grober Fahrlässigkeit die Verfügungsberechtigung des Einreichers durch Rückfrage beim Schecknehmer oder -aussteller zu prüfen haben. Diese Sorgfaltspflicht trifft Inkassobanken bei der Hereinnahme (Senatsurteile vom 12. Dezember 1995 - XI ZR 58/95, WM 1996, 248, 249, vom 4. November 1997 - XI ZR 270/96, WM 1997, 2395, 2396 und vom 15. Februar 2000 - XI ZR 186/99, WM 2000, 812, 813) und Kaufleute beim Erwerb von Schecks aus kaufmännischem Verkehr (Senatsurteil vom 18. Juli 2000 - XI ZR 263/99, WM 2000, 1744, 1745), nicht aber deutsche Kreditinstitute, die - wie die Beklagte - als Zwischenbank von einer ausländischen Bank mit der Weiterleitung des Schecks an die bezogene Sparkasse beauftragt werden.

Die Pflichten einer von einer ausländischen Bank eingeschalteten deutschen Zwischenbank sind grundsätzlich auf die ordnungsgemäße Weiterleitung des Schecks an die Bezogene und die Herausgabe der erlangten Deckung an die ausländische Bank begrenzt (vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht 2. Aufl. Rdn. 4.584). Sie erstrecken sich auch bei Disparität zwischen Schecknehmer und -einreicher nicht auf die Überprüfung der Verfügungsberechtigung des Einreichers, der der Zwischenbank in aller Regel, von einem etwaigen Indossament abgesehen, völlig unbekannt ist. Mit einer solchen Prüfung wären Zwischenbanken, die regelmäßig Schecks aus zahlreichen ausländischen Staaten mit völlig verschiedenen Rechtsordnungen erhalten, überfordert. Ihnen sind die unterschiedlichen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse in den einzelnen Staaten, die für die Prüfung von Bedeutung sein können, vielfach nicht bekannt und müssen es auch nicht sein. In der Regel haben deutsche Zwischenbanken nicht einmal sichere Kenntnis davon, ob die ausländische Bank den disparischen Scheck lediglich zum Inkasso hereingenommen oder aber angekauft und dabei nach den maßgeblichen Vorschriften des ausländischen Rechts möglicherweise gutgläubig zu Eigentum erworben hat. Zur Klärung dieser Fragen sind Zwischenbanken zeitlich nicht in der Lage, weil sie die Schecks auf dem schnellsten Weg den bezogenen Banken zuzuleiten haben (vgl. Nobbe aaO § 61 Rdn. 64). Dementsprechend erwartet der Rechtsverkehr von Zwischenbanken grundsätzlich auch nur die korrekte Weiterleitung von Scheck und Deckung, nicht aber die Überprüfung der Verfügungsberechtigung des Einreichers anhand des maßgeblichen ausländischen Rechts. Ob in Ausnahmefällen, etwa bei offensichtlichen Fälschungen, weitergehende Prüfungspflichten bestehen, bedarf keiner Entscheidung, weil sich nach den rechtsfehlerfreien, von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts für die Beklagte weder aus der Scheckurkunde noch aus sonstigen Umständen Verdachtsmomente für ein Abhandenkommen ergaben. Allein die Disparität begründete keine Sorgfaltspflichten, die die Beklagte grob fahrlässig verletzt haben könnte.

2. Dem Kläger steht auch kein gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG auf ihn übergegangener Anspruch der bezogenen Sparkasse aus positiver Verletzung des Girovertrages durch die Beklagte zu. Sie war gegenüber der Bezogenen vertraglich nicht verpflichtet, die Disparität zum Anlaß einer Überprüfung der Verfügungsbefugnis des ausländischen Scheckeinreichers zu nehmen, weil dies - wie dargelegt - eine Überspannung ihrer Sorgfaltspflichten bedeuten würde. Der Girovertrag zwischen der Bezogenen und der Beklagten begründete keine solche Nebenpflicht, weil auch für die Bezogene offensichtlich war, daß die Beklagte durch ihre Mitwirkung am Inkassoverfahren lediglich ihre Pflichten zur Weiterleitung des Schecks und zur Herausgabe der erlangten Deckung erfüllen, nicht aber die Prüfung der Verfügungsberechtigung des Einreichers übernehmen wollte. Zu einer solchen Prüfung war die Bezogene aufgrund ihrer scheckvertraglichen Beziehungen zur Scheckausstellerin weit eher in der Lage als die Beklagte, die keine unmittelbare Beziehung zu Scheckausstellerin, -nehmerin oder -einreicher hatte. Die Beklagte hatte entgegen der Ansicht der Klägerin auch keinen Anlaß, die bezogene Sparkasse auf die aus der Scheckurkunde klar ersichtliche Disparität besonders hinzuweisen.

III.

Die Revision des Klägers war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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