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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 09.07.2002
Aktenzeichen: XI ZR 363/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 547 a.F.
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XI ZR 363/01

Verkündet am: 9. Juli 2002

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 2002 durch die Richter Dr. Siol, Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin Mayen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 24. September 2001 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der beklagten Sparkasse Schadensersatz wegen angeblicher Schlechtleistung bei der Abwicklung eines Dokumentenakkreditivs.

Die Klägerin verkaufte im Jahr 1994 an einen in W. ansässigen Kunden medizinische Ausrüstung zum Preis von insgesamt 150.000 US-Dollar. Zur Sicherung des Kaufpreisanspruchs eröffnete die in S. ansässige H.-Bank zugunsten der Klägerin ein unwiderrufliches Akkreditiv über 150.000 US-Dollar, das bis zum 19. Dezember 1994 befristet war. Über die Eröffnung des Akkreditivs wurde die Klägerin am 29. September 1994 durch die als inländische Avis-Bank fungierende D. Bank unterrichtet. Bereits zuvor hatte sie die erste Teillieferung im Werte von 65.000 US-Dollar an ihren Kunden bewirkt. Die von der Klägerin mit der Abwicklung des Akkreditivs beauftragte Beklagte reichte in der Folge die ihr von der Klägerin überlassenen Dokumente unter Inanspruchnahme des Akkreditivs in Höhe von 65.000 US-Dollar bei der D. Bank ein. Die Akkreditivbank verweigerte die Aufnahme, weil die vorgelegten Dokumente nicht akkreditivgerecht waren.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe die Dokumente fälschlich als akkreditivkonform beurteilt und sie nicht - jedenfalls nicht rechtzeitig - auf die mangelnde Akkreditivkonformität der Dokumente hingewiesen. Sie habe daher den Mangel nicht mehr innerhalb der Akkreditivfrist beheben oder die Ware vor dem Weiterverkauf sicherstellen können.

Das Landgericht hat die Klage über 65.000 US-Dollar zuzüglich Nebenkosten abgewiesen, da die Klägerin die Pflichtverletzung der Beklagten nicht bewiesen habe und es überdies an einem Ursachenzusammenhang zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden fehle. Die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Schadensersatzbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 547 ZPO a.F. zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet.

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Berufung der Klägerin unzulässig, weil die Berufungsbegründung nicht den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. genüge. Da das Landgericht die Klageabweisung auf zwei voneinander unabhängige, selbstständig tragende Erwägungen gestützt habe, hätte sich die Berufungsbegründung mit beiden Begründungen befassen müssen. Das sei aber nicht der Fall, da sich die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung ausschließlich mit der vom Landgericht nicht für bewiesen angesehenen Pflichtverletzung, nicht aber mit der Frage der fehlenden Ursächlichkeit auseinandergesetzt habe.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.

Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß die Klägerin das Urteil des Landgerichts nicht zulässig mit dem Rechtsmittel der Berufung angefochten hat. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. insgesamt nicht, weil das Landgericht die Klage aus zwei voneinander unabhängigen Erwägungen abgewiesen und die Klägerin eine dieser Erwägungen nicht in der gebotenen Form angegriffen hat.

1. Nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. muß die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie der neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Bereits aus der Berufungsbegründung sollen Gericht und Gegner erkennen können, welche Gesichtspunkte der Berufungskläger seiner Rechtsverfolgung oder -verteidigung zugrunde legen, insbesondere welche tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils er bekämpfen und auf welche Gründe er sich hierfür stützen will. Hat das Landgericht die Abweisung eines prozessualen Anspruchs auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende Erwägungen gestützt, so muß sich die Berufungsbegründung mit beiden Erwägungen befassen. Für jede der Erwägungen ist deshalb in einer den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. genügenden Weise darzulegen, warum das angefochtene Urteil dadurch nicht getragen wird (Senatsurteile vom 15. Juni 1993 - XI ZR 111/92, NJW 1993, 3073, 3074 und vom 20. März 2001 - XI ZR 260/00, BGHR ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2 Anfechtungsgründe 9; BGH, Urteile vom 13. November 1997 - VII ZR 199/96, NJW 1998, 1081, 1082, vom 18. Juni 1998 - IX ZR 389/97, NJW 1998, 3126 und vom 11. November 1999 - III ZR 98/99, NJW 2000, 947 jeweils m.w.Nachw.). Andernfalls ist die Berufung insgesamt unzulässig. So liegt es hier.

2. Das Landgericht hat die Abweisung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nicht nur darauf gestützt, daß die von der Klägerin behauptete Pflichtverletzung der Beklagten nicht bewiesen sei. Es hat darüber hinaus auch die Ursächlichkeit der - unterstellten - Pflichtverletzung für den bei der Klägerin eingetretenen Schaden verneint. Beide Erwägungen sind voneinander unabhängig und tragen das Ergebnis jeweils selbständig.

Wie das Berufungsgericht zutreffend feststellt, hat sich die Klägerin in der Berufungsbegründung nur mit der angeblichen Pflichtverletzung der Beklagten befaßt. Die zweite Erwägung des Landgerichts, es fehle auch an der Ursächlichkeit der behaupteten Pflichtverletzung für den Schaden, wird in der Berufungsbegründung nicht - jedenfalls nicht in einer den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. genügenden Weise - angegriffen.

a) Entgegen der Ansicht der Revision wird die in der Berufungsbegründung enthaltene Behauptung, die Klägerin hätte bei pflichtgemäßem Handeln der Beklagten "die Möglichkeit besessen, die Mängel zu beheben und für eine fristgerechte akkreditivkonforme Einreichung der Unterlagen zu sorgen", den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. nicht gerecht.

Die Berufungsbegründung muß die Punkte im einzelnen bezeichnen, in denen das Urteil angegriffen werden soll, und darüber hinaus angeben, aus welchen Gründen der Berufungskläger die angefochtene Entscheidung in dem angegebenen Punkt für unrichtig hält (Senatsbeschluß vom 10. Juli 1990 - XI ZB 5/90, NJW 1990, 2628; Senatsurteil vom 20. März 2001 aaO jeweils m.w.Nachw.). Beide Voraussetzungen erfüllt der genannte Vortrag nicht.

aa) Er läßt schon nicht erkennen, daß sich die Klägerin mit der Berufung überhaupt gegen die Ausführungen des Landgerichts zum fehlenden Ursachenzusammenhang wendet. Ihre Behauptung, sie hätte noch rechtzeitig akkreditivkonforme Unterlagen nachreichen können, erwähnt die Klägerin in der Berufungsbegründung lediglich im Zusammenhang mit ihrem Vorbringen zum Bestehen von Aufklärungs- und Mitteilungspflichten der Beklagten. Daß hiermit zugleich die Ausführungen des Landgerichts zum Ursachenzusammenhang angegriffen werden sollten, wird weder ausdrücklich gesagt noch wird es aus dem Zusammenhang heraus erkennbar. Nicht einmal auf den Hinweis der Beklagten in der Berufungserwiderung, zum fehlenden Ursachenzusammenhang enthalte die Berufungsbegründung keine Ausführungen, hat die Klägerin eine entsprechende Klarstellung vorgenommen.

bb) Die genannte Behauptung läßt darüber hinaus nicht erkennen, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Klägerin die Ausführungen des Landgerichts zum fehlenden Ursachenzusammenhang für unzutreffend hält.

Das Landgericht hat seine Auffassung damit begründet, daß die Klägerin nicht in der Lage gewesen sei, die Frachtpapiere und die Versandliste auf die Akkreditivbedingungen abzustimmen, da sie die erste im Kaufvertrag vereinbarte Teillieferung bereits vor Kenntnis der Akkreditivbedingungen bewirkt habe. Daß neue akkreditivkonforme Frachtpapiere noch nach dem Versand der Ware zu beschaffen gewesen wären, sei nicht näher dargetan. Die Berufungsbegründung enthält keinen Hinweis, aus welchen Gründen diese Ausführungen nach Auffassung der Klägerin unzutreffend sind und die Abweisung der Klage nicht tragen sollen. Mit ihrer Behauptung, sie hätte die Mängel der vorgelegten Dokumente beheben und noch für eine fristgerechte akkreditivkonforme Einreichung der Unterlagen sorgen können, beschränkt sich die Klägerin vielmehr auf die bloße Wiederholung ihrer - vom Landgericht als nicht ausreichend erachteten - erstinstanzlichen Behauptung. Zwar hängt - worauf die Revision zutreffend hinweist - die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht davon ab, ob die Berufungsgründe schlüssig dargetan oder rechtlich haltbar sind (Senatsurteil vom 27. November 1990 - XI ZR 115/89, NJW 1991, 1106; BGH, Urteile vom 9. März 1995 - IX ZR 142/94, NJW 1995, 1559 und vom 6. Mai 1999 - III ZR 265/98, NJW 1999, 3126). Dies ändert aber nichts daran, daß sie in der Berufungsbegründung jedenfalls in einer den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. entsprechenden Weise bezeichnet sein müssen (Senatsurteil vom 27. November 1990 aaO). Eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags ist hierfür nicht ausreichend. Notwendig ist vielmehr eine Würdigung dieses Vortrags im Hinblick auf eventuelle fehlerhafte Feststellungen des Landgerichts (BGH, Beschluß vom 1. Oktober 1991 - X ZB 4/91, NJW-RR 1992, 383). Daran fehlt es hier.

b) Die in der Berufungsbegründung enthaltene Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Sachvortrag genügt ebenfalls nicht den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. (st.Rspr., vgl. Senatsbeschluß vom 10. Juli 1990 - XI ZB 5/90, NJW 1990, 2628 und Senatsurteil vom 20. März 2001 - XI ZR 260/00, BGHR ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2 Anfechtungsgründe 9). Der Auffassung der Revision, hier gelte etwas anderes, weil die Bezugnahme der Klägerin auf das erstinstanzliche Vorbringen nur eine Erläuterung und Ergänzung der Berufungsbegründung darstelle, in der die Klägerin zumindest knapp dargelegt habe, daß und aus welchen Gründen sie die Erwägungen des Landgerichts zur Schadensursächlichkeit für nicht zutreffend halte, ist nicht zu folgen. Nach den voranstehenden Ausführungen fehlt es entgegen der Auffassung der Revision an der Darlegung solcher Gründe.

III.

Die Revision der Klägerin war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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