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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.11.1998
Aktenzeichen: XI ZR 370/97
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 305 | |
BGB § 765 | |
BGB § 812 |
Bei der Bankgarantie auf erstes Anfordern kann die Bank den materiellen Garantiefall betreffende Einwendungen, die sie dem Zahlungsanspruch des Begünstigten nicht entgegenhalten durfte, auch nicht zur Grundlage eines Herausgabeverlangens nach Bereicherungsrecht machen.
BGH, Urt. v. 10. November 1998 - XI ZR 370/97 - OLG Frankfurt/Main LG Frankfurt/Main
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 10. November 1998
Weber Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 1998 durch den Vorsitzenden Richter Schimansky und die Richter Dr. Schramm, Dr. Siol, Dr. Bungeroth und Dr. Müller
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Grundurteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. November 1997 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12. Juli 1996 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin der Beklagten zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Rückzahlung von 430.000 DM, die die beklagte Sparkasse aus einer von der Rechtsvorgängerin der Klägerin gestellten Bankgarantie auf erstes Anfordern erhalten hat. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die frühere Klägerin E. GmbH (im folgenden als Klägerin bezeichnet), deren Vermögen inzwischen durch Verschmelzung auf die jetzige Klägerin übergegangen ist, stellte zur Sicherung ihrer Zahlungspflichten aus einem Kaufvertrag über Computer-Sets der Streithelferin der Beklagten eine Zahlungsgarantie der Sparkasse N. Darin verpflichtete die Sparkasse N. sich unwiderruflich, der Streithelferin der Beklagten gegen schriftliche Zahlungsaufforderung sowie Bestätigung der vertragsgemäßen Lieferung und des Nichterhalts des Kaufpreises "auf erste Anforderung hin, ungeachtet der Gültigkeit und der Rechtswirkungen des eingangs erwähnten Vertrages unter Verzicht auf jegliche Einwendungen und Einreden aus demselben, jeden Betrag bis zur Höhe von maximal DM 430 000,-- ... zu zahlen".
Die Streithelferin der Beklagten trat die Zahlungsgarantie an die Beklagte ab und machte die Ansprüche aus der Garantie unter Abgabe der vorgesehenen Erklärungen gegenüber der Sparkasse N. geltend. Diese zahlte gegen den Widerspruch der Klägerin 430.000 DM an die Beklagte aus und trat mit Vertrag vom 5. Juni 1996 "ihre sämtlichen Ansprüche aus der Zahlungsgarantie" gegen die Beklagte an die Klägerin ab.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten sowohl aus eigenem Recht nach § 826 BGB als auch aus abgetretenem Recht der Sparkasse N. nach § 812 BGB die Zahlung von 430.000 DM nebst Zinsen. Sie behauptet, die bei der Streithelferin der Beklagten bestellten Computerteile seien teilweise noch nicht geliefert und, soweit geliefert, bereits bezahlt gewesen. Nach ihrer Ansicht muß die Beklagte als Neugläubigerin sich das entgegenhalten lassen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZIP 1998, 148 f. und in ZBB 1998, 237 f. veröffentlicht ist, hat sie dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.
I.
Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin dem Grunde nach bejaht. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Ansprüche der Klägerin aus eigenem Recht seien nicht gegeben, und zwar weder solche aus Vertrag oder ungerechtfertigter Bereicherung noch solche aus § 826 BGB. Darin, daß die Beklagte sich von der Streithelferin nur den abstrakten Anspruch aus dem Garantieversprechen und nicht auch den Kaufpreisanspruch habe abtreten lassen, sei kein sittlich zu mißbilligendes Verhalten zu sehen.
Der Klägerin stehe jedoch dem Grunde nach aus abgetretenem Recht der Sparkasse N. ein Bereicherungsanspruch zu, soweit die durch die Garantie gesicherte Hauptforderung nicht entstanden oder nicht fällig gewesen sei. Als Schuldnerin des Garantieanspruchs der Streithelferin sei die Sparkasse N. berechtigt gewesen, "diesen bei der Beklagten als deren Zedentin zu kondizieren". Eine Garantiebank könne nämlich nach Erfüllung der Garantieforderung ihre Leistung von dem Begünstigten zurückverlangen, soweit der sogenannte materielle Garantiefall nicht vorgelegen habe, weil ein Garantievertrag keinen Rechtsgrund für das dauernde Behaltendürfen in sich trage. Insoweit könne für die Bankgarantie auf erstes Anfordern nichts anderes gelten als für die Bürgschaft auf erstes Anfordern.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Zutreffend ist allerdings die Verneinung von Ansprüchen der Klägerin aus eigenem Recht. Dem Berufungsgericht ist insbesondere darin zuzustimmen, daß die isolierte Zession des Anspruchs aus einem Garantieversprechen grundsätzlich nicht den Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens gegenüber dem Zessionar begründet.
2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch einen Bereicherungsanspruch der Klägerin aus abgetretenem Recht der Sparkasse N. dem Grunde nach bejaht. Ein solcher Bereicherungsanspruch ist im vorliegenden Fall nicht entstanden, so daß die Frage offenbleiben kann, ob er sich gegebenenfalls gegen die Streithelferin der Beklagten als Garantiebegünstigte oder gegen die Beklagte als deren Zessionarin richten würde und ob die Anspruchsabtretung vom 5. Juni 1996 geeignet war, einen solchen Anspruch von der Sparkasse N. auf die Klägerin übergehen zu lassen.
a) Bei einer Bankgarantie ist für das Rechtsverhältnis zwischen der Bank und dem Begünstigten der zwischen ihnen bestehende Garantievertrag maßgeblich. Das der Stellung der Bankgarantie zugrunde liegende Rechtsverhältnis zwischen dem Garantieauftraggeber und dem Begünstigten (sogenanntes Valutaverhältnis) hat für die Rechtsbeziehungen des Begünstigten zur Bank daher nur dann Bedeutung, wenn sich dies aus dem Inhalt des Garantievertrages ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1960 - III ZR 137/59, WM 1961, 204, 207 und Beschluß vom 23. Februar 1984 - III ZR 220/82, WM 1984, 633) oder wenn eine mißbräuchliche Inanspruchnahme der Garantie offensichtlich oder liquide beweisbar ist (vgl. BGHZ 90, 287, 292; Senatsurteil vom 17. Januar 1989 - XI ZR 65/88, WM 1989, 433, 434 m.w.Nachw.). Bei Bankgarantien auf erstes Anfordern wird sich nur in Ausnahmefällen aus dem Garantievertrag ableiten lassen, daß im Falle des Vorliegens der formellen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Garantie (sogenannter formeller Garantiefall) der Anspruch des Begünstigten gegen die Bank zusätzlich noch davon abhängig sein soll, daß ihm auch im Valutaverhältnis zum Garantieauftraggeber ein Anspruch zusteht (sogenannter materieller Garantiefall). Der Zweck der Bankgarantie auf erstes Anfordern, dem Begünstigten eine schnelle und unkomplizierte, nicht durch langwierige Auseinandersetzungen verzögerte Befriedigung seiner Ansprüche zu gewährleisten, schließt eine solche Auslegung des Garantievertrags in der Regel aus.
b) Diese Grundsätze gelten sowohl im Fall der Inanspruchnahme aus der Garantie für die Frage, ob die Bank zur Zahlung verpflichtet ist, als auch nach geleisteter Zahlung für die Frage, ob rechtsgrundlos geleistet wurde und ein Rückzahlungsanspruch begründet ist. Die allgemeine Regel, daß im jeweiligen Leistungsverhältnis ein Rechtsgrund, der die Leistung rechtfertigt, zugleich auch das Recht des Empfängers zum Behaltendürfen des Leistungsgegenstands begründet, gilt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch für die Bankgarantie auf erstes Anfordern. Die Durchbrechung dieser Regel bei der Bankbürgschaft auf erstes Anfordern, bei der die Bank zwar ohne Rücksicht auf die Frage des Bestehens der verbürgten Hauptforderung an den Gläubiger zu leisten hat, anschließend jedoch im Falle des Nichtbestehens der Hauptforderung ihre Leistung nach Bereicherungsgrundsätzen zurückverlangen kann (BGHZ 74, 244; BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - IX ZR 297/95, WM 1997, 656, 658 m.w.Nachw.), läßt sich auf die Bankgarantie auf erstes Anfordern nicht übertragen. Sie beruht auf dem Doppelcharakter der von der Rechtsprechung zugelassenen Bürgschaft auf erstes Anfordern, bei der die für die Bürgschaft wesensbestimmende Abhängigkeit der Bürgschaftsforderung von der verbürgten Hauptforderung systemwidrig für das Stadium der Geltendmachung beseitigt und anschließend für ein etwaiges Herausgabeverlangen des Bürgen wiederhergestellt wird.
Für die Bankgarantie auf erstes Anfordern verbleibt es somit dabei, daß die Bank den materiellen Garantiefall betreffende Einwendungen, die sie dem Zahlungsanspruch des Begünstigten nicht entgegenhalten durfte, auch nicht zur Grundlage eines Herausgabeverlangens nach Bereicherungsrecht machen kann (Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl., Rdn. 1141 ff. und in ZIP 1998, 493, 495; Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch 29. Aufl., BankGesch (7) Rdn. L/15; Heymann/Horn, Handelsgesetzbuch, Anh. § 372 Rdn. 60; Nielsen, Bankgarantien bei Außenhandelsgeschäften, S. 140; MünchKomm/Habersack 3. Aufl., BGB vor § 765 Rdn. 17, 25; Welter EWiR § 812 BGB 2/98, 259, 260; ebenso im Ergebnis BGH, Urteil vom 25. September 1996 - VIII ZR 76/95, WM 1997, 13, 17; zumindest teilw. a.M. Schlegelberger/Hefermehl, HGB 5. Aufl., Anh. § 365 Rdn. 299; Horn, FS Brandner, S. 623, 632). Das entspricht dem Sinn und Zweck der Bankgarantie auf erstes Anfordern; dieser geht dahin, rechtliche oder tatsächliche Streitfragen aus dem Valutaverhältnis, deren Beantwortung sich nicht von selbst ergibt, aus dem Verhältnis der Bank zum Garantiebegünstigten herauszuhalten und nach vollzogener Zahlung in einen eventuellen Rückforderungsprozeß zwischen Garantieauftraggeber und Begünstigtem zu verlagern (BGHZ 90, 287, 294; 94, 167, 170).
c) Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Zahlungsgarantie der Sparkasse N. um eine Bankgarantie auf erstes Anfordern, deren Inanspruchnahme nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur an die Abgabe bestimmter Erklärungen der Streithelferin der Beklagten geknüpft und im übrigen von dem Vertragsverhältnis zwischen der Streithelferin und der Klägerin unabhängig ist. Da die Inanspruchnahme der Garantie den formellen Voraussetzungen entsprach und für einen offensichtlichen oder liquide beweisbaren Rechtsmißbrauch nichts vorgetragen ist, war die Sparkasse N. zu der von ihr geleisteten Zahlung verpflichtet. Ihr stand deshalb kein Rückzahlungsanspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung zu, den sie an die Klägerin hätte abtreten können.
III.
Das Berufungsurteil mußte daher aufgehoben werden. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und das klagabweisende landgerichtliche Urteil wiederherstellen.
Ende der Entscheidung
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