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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 23.09.2008
Aktenzeichen: XI ZR 395/07
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 23. September 2008
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Nobbe sowie die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Grüneberg und Maihold für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 5. Juli 2007 aufgehoben und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 12. Januar 2007 abgeändert.
Der Beklagte wird neben dem Hauptschuldner E. A. verurteilt, an die Klägerin 38.858,18 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8.121,38 € für die Zeit vom 25. Januar 2001 bis zum 23. Dezember 2004 und weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 38.858,18 € seit dem 30. April 2005 zu zahlen.
Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Rechtsmittel der Klägerin zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, eine Bank, nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaft in Anspruch. Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
Die Klägerin gewährte dem Sohn des Beklagten (im Folgenden: Hauptschuldner) am 18. Juni 1993 einen Kredit über 136.000 DM. Mit Urkunde vom selben Tag übernahm der Beklagte eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag von 76.000 DM für sämtliche bestehenden und künftigen Ansprüche der Klägerin gegen den Hauptschuldner. Nachdem der Hauptschuldner auf das Darlehen keine Zahlungen mehr geleistet hatte, kündigte die Klägerin spätestens im Jahr 2001 das Darlehen, das noch in einer den Bürgschaftsbetrag übersteigenden Höhe offensteht. Erst mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 nahm die Klägerin den Beklagten aus der Bürgschaft in Anspruch.
Am 28. Dezember 2004 hat die Klägerin beim zuständigen Amtsgericht den Erlass eines Mahnbescheides über 38.858,18 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Mahnkosten gegen den Beklagten beantragt. Da dieser an der von der Klägerin angegebenen Anschrift nicht mehr wohnhaft war, konnte ihm der am 4. Januar 2005 erlassene Mahnbescheid zunächst nicht zugestellt werden. Nach zwei weiteren erfolglosen Zustellversuchen an von der Klägerin benannten anderen Adressen hat sie erst am 27. April 2005 die zutreffende Anschrift des Beklagten mitgeteilt, woraufhin ihm der Mahnbescheid am 30. April 2005 zugestellt worden ist. Nachdem der Beklagte hiergegen Widerspruch erhoben hatte, hat das Amtsgericht die Klägerin am 10. Mai 2005 hierüber benachrichtigt und einen weiteren Gerichtskostenvorschuss eingefordert. Dieser ist nebst der Anspruchsbegründung am 27. Dezember 2005 eingegangen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist im Wesentlichen begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Bürgschaftsforderung sei verjährt. Maßgeblich sei die dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB i.V. mit Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB, die am 1. Januar 2002 begonnen habe. Die Verjährung der Bürgschaftsforderung beginne mit der Fälligkeit der Hauptforderung, die im Jahr 2001 eingetreten sei. Zu diesem Zeitpunkt sei der Klägerin die Person des Beklagten und seine Zahlungsverpflichtung aus der selbstschuldnerischen Bürgschaft bekannt gewesen. Die Verjährung, die am 31. Dezember 2004 geendet hätte, sei durch die Einreichung des Mahnantrags am 28. Dezember 2004 zwar rechtzeitig gehemmt worden. Die Hemmung habe aber gemäß § 204 Abs. 2 BGB am 10. November 2005 geendet, nachdem die Klägerin das Verfahren sechs Monate nicht mehr betrieben habe und es dadurch in Stillstand geraten sei. Aufgrund dessen sei der Bürgschaftsanspruch verjährt, bevor die Klägerin das Verfahren am 27. Dezember 2005 weiter betrieben habe.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Die Forderung der Klägerin aus § 765 Abs. 1 BGB ist nicht verjährt.
1. Die Frist für die Verjährung der Bürgschaftspflicht des Beklagten beträgt nach der für das Verjährungsrecht geltenden Überleitungsvorschrift in Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB gemäß § 195 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung drei Jahre. Diese Frist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Bürgschaftsanspruch der Klägerin entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass der Anspruch aus der selbstschuldnerischen Bürgschaft des Beklagten - mangels abweichender Vereinbarung der Parteien - mit Fälligkeit der gesicherten Forderung entstanden ist. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden (Urteile vom 29. Januar 2008 - XI ZR 160/07, WM 2008, 729, 731 f. Tz. 22 ff., für BGHZ 175, 161 vorgesehen, vom 11. März 2008 - XI ZR 81/07, Tz. 9 ff. und vom 8. Juli 2008 - XI ZR 230/07, WM 2008, 1731, 1732 Tz. 18) und im Einzelnen begründet hat, kommt es für den Beginn der Verjährungsfrist nicht auf die Geltendmachung der Bürgschaftsverpflichtung durch den Gläubiger an. Die Ausführungen der Revision geben zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass. Dass - worauf die Revision unter Bezugnahme auf § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB hinweist - die Bürgschaftsforderung vor der gesicherten Forderung verjähren kann, beruht auf dem getrennten Schicksal beider Forderungen nach deren Fälligkeit und stellt weder eine Folge des Verjährungsbeginns der Bürgschaftsforderung mit Fälligkeit der gesicherten Forderung noch eine Besonderheit beim Verbraucherdarlehen dar, sondern kann allgemein z.B. durch eine Hemmung der Verjährung nur gegenüber dem Schuldner der gesicherten Forderung eintreten.
3. Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Auffassung des Berufungsgerichts, auch die - erforderlichen (Senat BGHZ 171, 1, 7 ff. Tz. 19 ff.) - subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hätten im Hinblick auf die Person des Schuldners bereits im Jahr 2001 vorgelegen. Dies war vielmehr erst zu einem späteren Zeitpunkt der Fall, weshalb die Verjährung frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2005 geendet hätte und daher durch das Weiterbetreiben des Verfahrens am 27. Dezember 2005 rechtzeitig gehemmt wurde.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 852 BGB a.F., die zur Auslegung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB herangezogen werden kann, liegt die erforderliche Kenntnis von der Person des Schuldners im Allgemeinen vor, wenn dem Gläubiger die Erhebung einer Klage Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist (Senatsurteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346, 1349 Tz. 27 m.w.Nachw.). Hierzu bedarf es u.a. der Kenntnis von Namen und Anschrift des Schuldners (BGH, Urteile vom 16. Dezember 1997 - VI ZR 408/06, NJW 1998, 988, 989, vom 6. März 2001 - VI ZR 30/00, NJW 2001, 1721, 1722 und vom 8. Oktober 2002 - VI ZR 182/01, NJW 2003, 288, 289, jeweils m.w.Nachw.). Dass der Klägerin die aktuelle Anschrift des Beklagten bei Entstehung des Bürgschaftsanspruchs positiv bekannt war, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Hierfür ist auch nichts ersichtlich.
b) Die Unkenntnis der Klägerin beruhte jedoch auch nicht auf grober Fahrlässigkeit.
aa) Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2004 - II ZR 17/03, WM 2005, 382, 384; MünchKomm/Grothe, BGB 5. Aufl. § 199 Rdn. 28; jeweils m.w.Nachw.). Eine Bank als Bürgschaftsgläubiger hat zu bedenken, dass der Anspruch aus der Bürgschaft - anders als dies bei vertraglichen Erfüllungsansprüchen sonst der Regelfall ist - nicht bereits mit Vertragsabschluss, sondern erst mit der Fälligkeit der Hauptforderung entsteht. Wegen des unter Umständen langen Zeitablaufs seit Vertragsschluss kann sich die Wohnanschrift des Bürgen geändert haben, ohne dass der Bürgschaftsgläubiger davon Kenntnis erlangt hat; eine entsprechende Benachrichtigungspflicht des Bürgen besteht nicht. Aufgrund dessen trifft die Bank im eigenen Interesse die Obliegenheit, sich im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Entstehung des Bürgschaftsanspruchs zu vergewissern, ob die ihr bekannte Wohnanschrift des Bürgen noch aktuell ist, und sich gegebenenfalls nach der neuen Adresse des Bürgen zu erkundigen, sofern ihr diese nicht z.B. aus einer anderen mit dem Bürgen bestehenden Geschäftsverbindung ohnehin bekannt ist. Mit dem Eintritt des Sicherungsfalls besteht für die Bank Anlass, die ihr für die notleidend gewordene Hauptforderung gewährten Sicherheiten auf ihre Werthaltigkeit zu überprüfen. Bei einer Bürgschaft gehört hierzu auch die Feststellung der aktuellen Anschrift des Bürgen, um ihn überhaupt in Anspruch nehmen zu können.
bb) Nach diesen Maßstäben kann eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von der aktuellen Wohnanschrift des Beklagten vor dem 1. Januar 2002 nicht bejaht werden. Der Beklagte, der als Schuldner die Darlegungs- und Beweislast für Beginn und Ablauf der Verjährung und damit für die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB trägt (Senat BGHZ 171, 1, 10 f. Tz. 32), hat nicht dargelegt, wann genau im Verlauf des Jahres 2001 das Darlehen gekündigt wurde und ab welchem Zeitpunkt die Klägerin daher Nachforschungen nach seiner Anschrift anstellen musste. Darüber hinaus ist auch nicht festgestellt oder vom Beklagten vorgetragen worden, dass diese Ermittlungen noch im Jahr 2001 Erfolg gehabt hätten; es ist daher nicht auszuschließen, dass die Nachfragen der Klägerin erst im Jahr 2002 erfolgreich gewesen wären.
III.
Das Berufungsurteil war demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, hatte der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und den Beklagten unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zur Zahlung von 38.858,18 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8.121,38 € für die Zeit vom 25. Januar 2001 bis zum 23. Dezember 2004 und weiterer Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 38.858,18 € seit dem 30. April 2005 zu verurteilen. Im Übrigen waren die Klage abzuweisen und die weitergehenden Rechtsmittel zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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