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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.12.1998
Aktenzeichen: XI ZR 50/98
Rechtsgebiete: ZPO,BGB


Vorschriften:

ZPO § 565 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 398 Abs. 1
BGB § 676
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XI ZR 50/98

Verkündet am: 8. Dezember 1998

Bartholomäus, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 1998 durch den Vorsitzenden Richter Schimansky und die Richter Dr. Bungeroth, Nobbe, Dr. van Gelder und Dr. Müller

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten zu 1) wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 22. Januar 1998 aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.

Insoweit wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die beklagte Bank wegen Erteilung einer falschen Auskunft auf Schadensersatz in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im April 1993 zeigte der Kläger Interesse, sich an der TK-Bau T. OHG (nachfolgend: TK OHG) zu beteiligen. Gesellschafter der TK OHG waren Herr und Frau T. Die Familiengesellschaft gehörte zu der von Herrn T. beherrschten sogenannten TK-Gruppe. Hausbank der zu dieser Gruppe gehörenden Unternehmen war die Beklagte.

Am 6. April 1993 kam es zu einem Treffen des Klägers mit T. und dem Direktor der Filiale der Beklagten in S., dem früheren Beklagten zu 2). Welche Angaben dabei über die Vermögens- und Ertragslage der TK OHG gemacht wurden, ist zwischen den Prozeßparteien umstritten.

Rund einen Monat später schloß der Kläger einen Vertrag über eine stille Beteiligung an der TK OHG und leistete die versprochene Bareinlage in Höhe von 400.000 DM. Über das Vermögen der Gesellschaft wurde am 23. November 1994 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet.

Mit der Klage begehrt der Kläger Ersatz für seine verlorene Einlage in Höhe eines Teilbetrages von 100.000 DM. Zur Begründung macht er geltend: Zwischen ihm und der beklagten Bank sei ein Auskunftsvertrag zustande gekommen. Da ihr Filialleiter falsche bzw. unvollständige Angaben über die damals schon konkursreife TK OHG gemacht habe, ohne die es nicht zu dem Erwerb der stillen Beteiligung gekommen wäre, stehe ihm zumindest der geltend gemachte Teilbetrag als Schadensersatz zu.

Das Landgericht hat die gegen die beklagte Bank und ihren Filialleiter gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr nur hinsichtlich der beklagten Bank stattgegeben. Mit der Revision verfolgt diese ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit zum Nachteil der beklagten Bank erkannt worden ist.

I.

Das Berufungsgericht hat dem Kläger einen Schadensersatzanspruch gegen die beklagte Bank im wesentlichen mit folgender Begründung zugesprochen:

Der frühere Beklagte zu 2), dessen Handeln sich die Beklagte zurechnen lassen müsse, sei auf Veranlassung des Zeugen T. zu den Verhandlungen über die vom Kläger ins Auge gefaßte Beteiligung an der TK OHG hinzugezogen worden. Er sei sich deshalb der Bedeutung und Tragweite seiner Angaben über die Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens bewußt gewesen. Nach dem Ergebnis der landgerichtlichen Beweisaufnahme habe der frühere Beklagte zu 2) die wirtschaftlichen Probleme der Gesellschaft nicht richtig, sondern in einer beschönigenden Weise dargestellt. Daß der Kläger von dem Direktor seiner eigenen Hausbank über das zwischen diesem und dem früheren Beklagten zu 2) bezüglich der damaligen Unternehmenslage geführte Telefongespräch informiert worden sei, stelle den Kausalzusammenhang zwischen der fahrlässigen Vertragsverletzung und der Anlageentscheidung nicht in Frage, weil die diesbezüglichen Angaben im Kern der am Vortag erteilten unvollständigen Auskunft entsprächen. Soweit die Beklagte vorgetragen habe, dem Kläger sei die von der Zweigniederlassung der KPMG in S. über die Geschäftsleitung der TK-Gruppe erstellte sogenannte Schwachstellenanalyse bekannt gewesen, sei schon nicht zu erkennen, ob sie sich damit auf eine vor der Beteiligung an der TK OHG erlangte Kenntnis berufe. Zwar treffe den Kläger ein erhebliches Mitverschulden, welches aber seinen Ersatzanspruch allenfalls in einer Höhe von 3/4 entfallen lasse und die vorliegende Teilklage daher nicht berühre.

II.

Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision in wesentlichen Punkten nicht stand.

1. Der Revision ist allerdings nicht zu folgen, soweit sie das Zustandekommen eines Auskunftsvertrages in Abrede stellt.

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ungeachtet der Vorschrift des § 676 BGB ein stillschweigender Auskunftsvertrag und damit eine vertragliche Haftung der Bank für die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Auskunft vorliegen, wenn die Auskunft für den Empfänger von erheblicher Bedeutung ist und er sie erkennbar zur Grundlage wesentlicher Vermögensverfügungen machen will (Senatsurteile vom 16. Oktober 1990 - XI ZR 165/88, WM 1990, 1990, 1991 und vom 7. Juli 1998 - XI ZR 375/97, WM 1998, 1771, 1772 jeweils m.w.Nachw.). Daß das Berufungsgericht bei der Annahme, diese Voraussetzungen seien hier erfüllt, wesentlichen Sachvortrag der Beklagten außer acht gelassen hat, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

2. Indes beruht die Feststellung des Berufungsgerichts, der frühere Beklagte zu 2) habe über die Vermögens- und Ertragslage der TK OHG falsche oder unvollständige Angaben gemacht, auf einem Verfahrensfehler und einer unzureichenden Auswertung der bisherigen Beweisaufnahme.

a) Das Landgericht hatte auf der Grundlage der von ihm erhobenen Beweise eine schuldhafte Verletzung des Auskunftsvertrages nicht feststellen können. Das Berufungsgericht kommt ohne erneute Beweisaufnahme zu dem gegenteiligen Ergebnis. Es hat damit, wie die Revision mit Recht geltend macht, gegen § 398 Abs. 1 ZPO verstoßen.

Nach dieser Vorschrift steht es zwar im Ermessen des Gerichts, die wiederholte Vernehmung eines Zeugen anzuordnen. Diesem Ermessen sind aber Grenzen gesetzt. Unter gewissen Umständen kann eine erneute Vernehmung rechtlich geboten sein. Das ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur dann der Fall, wenn das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit des Zeugen anders beurteilen will als die Vorinstanz oder wenn es die protokollierten Angaben des Zeugen für zu vage und präzisierungsbedürftig hält, sondern auch dann, wenn es die protokollierte Aussage eines Zeugen anders verstehen will als der erstinstanzliche Richter (Senatsurteil vom 28. November 1995 - XI ZR 37/95, WM 1996, 196, 198 m.w. Nachw.).

Diese Grundsätze sind hier verletzt. Das Berufungsgericht hätte zu seiner von der Auffassung des Landgerichts abweichenden Beurteilung der vorliegenden Auskunft nicht gelangen dürfen, ohne die Lebensgefährtin des Klägers, B., und den ehemaligen Gesellschafter und Geschäftsführer T. nochmals zu vernehmen. Diese Zeugen haben im Kern übereinstimmend ausgesagt, der frühere Beklagte zu 2) habe den Kläger zwar auf den Liquiditätsengpaß der Gesellschaft hingewiesen, andererseits aber keinen Zweifel daran gelassen, daß sich die finanziellen Probleme im Hinblick auf die Ertragskraft des Unternehmens mit einer angemessenen Aufstockung des Eigenkapitals ohne weiteres beheben ließen. Das Landgericht hat diese und die weiteren Schilderungen der beiden Zeugen im Ergebnis dahin verstanden, daß die Krise der Gesellschaft nicht in einer verharmlosenden Weise dargestellt worden sei. Das Berufungsgericht durfte die Aussagen nicht anders bewerten, ohne die Zeugen selbst nochmals vernommen und sich durch ergänzende Befragung hinreichend Gewißheit über die wesentliche Frage verschafft zu haben, ob der frühere Beklagte zu 2) die wirtschaftlichen Probleme der TK OHG wirklich in schuldhafter Weise verharmlost hat oder ein Teil seiner Angaben nur als eine persönliche und vertretbare Einschätzung der künftigen Umsatz- und Ertragsentwicklung zu verstehen waren.

b) Die Revision hat auch mit ihrer Verfahrensrüge Erfolg, das Berufungsgericht habe die schriftliche Aussage des Direktors der eigenen Hausbank des Klägers, des Zeugen K., nicht ausreichend gewürdigt.

Der frühere Beklagte zu 2) hat mit dem Bankdirektor K. wegen der vom Kläger beabsichtigten Beteiligung an der TK OHG einen Tag nach der Auskunft ein Telefongespräch geführt und nach der schriftlichen Aussage des Zeugen K. bei dieser Gelegenheit von einem durch Forderungsverluste entstandenen finanziellen Engpaß sowie einer zu beseitigenden Schieflage der Gesellschaft berichtet. Nach der weiteren Darstellung des Zeugen hat der ehemalige Beklagte zu 2) die kaufmännischen Fähigkeiten von T. eher negativ beurteilt und auch sonst aus der "prekären finanziellen Situation" der Gesellschaft keinen Hehl gemacht. Im Hinblick auf diese ergiebige und offenbar um Objektivität bemühte Sachdarstellung des Zeugen K. liegt die Annahme einer falschen bzw. unvollständigen Auskunft eher fern.

3. Nach den bisher getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist schließlich auch nicht als erwiesen anzusehen, daß zwischen der Anlageentscheidung des Klägers und der angeblich falschen oder unvollständigen Auskunft der Beklagten ein Kausalitäts- und Pflichtwidrigkeitszusammenhang besteht.

a) Die beklagte Bank kann für den Verlust der vom Kläger geleisteten Bareinlage nur dann haftbar gemacht werden, wenn er die Beteiligung im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft erworben hat. Zwar ist die Entscheidung hierüber überwiegend Tatfrage und insoweit in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt überprüfbar. Indes hätte das Berufungsgericht auch in diesem Zusammenhang der schriftlichen Aussage des Zeugen K. die notwendige Beachtung schenken müssen, zumal K. seinem Bekunden nach den Kläger nicht nur über das mit dem früheren Beklagten zu 2) geführte Telefongespräch umfassend informiert, sondern bei dieser Gelegenheit auch selbst seiner "zurückhaltenden Einstellung Ausdruck verliehen" hatte.

b) Überdies durfte das Berufungsgericht das Vorbringen der Beklagten, der Kläger habe die Gesellschaftsbeteiligung trotz Kenntnis der von der Zweigniederlassung der KPMG in S. über die Geschäftsleitung der TK-Gruppe erstellten sogenannten Schwachstellenanalyse erworben, nicht für unsubstantiiert halten.

Die Beklagte hat unter Antritt von Zeugenbeweis vorgetragen, der Kläger sei über den gesamten Inhalt der von der KPMG erstellten Schwachstellenanalyse informiert gewesen. Daß bei lebensnaher Betrachtung damit nur eine bereits vor der Anlageentscheidung liegende Kenntnis des Klägers gemeint sein kann, liegt auf der Hand, zumal die diesbezügliche Vertragsurkunde nach dem übereinstimmenden Parteivortrag in der Zweigniederlassung der KPMG unterzeichnet wurde. Weitere Angaben über den genauen Zeitpunkt der Kenntnisnahme sind von der Beklagten nicht zu verlangen. Sie betreffen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 13. Juli 1998 - II ZR 131/97, WM 1998, 1779 m.w.Nachw.) nur eine für die Rechtsfolge und damit für die Schlüssigkeit des Vorbringens bedeutungslose Einzelheit, die im übrigen notfalls im Rahmen der Beweisaufnahme hätte erfragt werden können.

III.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Bei der Zurückverweisung macht der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.

Ende der Entscheidung

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