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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.01.2000
Aktenzeichen: XI ZR 71/99
Rechtsgebiete: HGB
Vorschriften:
HGB § 28 |
Wird ein nichtkaufmännisches Einzelunternehmen in eine neu gegründete GmbH eingebracht, so ist § 28 HGB weder unmittelbar noch analog anzuwenden. Dies gilt auch dann, wenn im Zeitpunkt der Einbringung eine Vor-GmbH bestand und die Gesellschafter den Geschäftsbetrieb trotz Aufgabe der Eintragungsabsicht fortgeführt haben.
BGH, Vers.-Urteil vom 18. Januar 2000 - XI ZR 71/99 - OLG Celle LG Hildesheim
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL
Verkündet am: 18. Januar 2000
Bartholomäus, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 1999 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und die Richter Dr. Schramm, Dr. Siol, Dr. Bungeroth und Dr. Müller
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 3. Februar 1999 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin macht aus eigenem und abgetretenem Recht eine Darlehensrestforderung gegen die Beklagten geltend. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin und ihr inzwischen geschiedener Ehemann vereinbarten mit G. und seiner Ehefrau am 15. September 1995 die Vergabe eines Darlehens über 20.000 DM mit einer Laufzeit von zwei Jahren. G. war Alleininhaber des Bräunungsstudios "Sun + Fun" und wies das Darlehen in den Geschäftsbüchern seines Gewerbebetriebs aus. Später faßten er und die Beklagten den Entschluß, künftig gemeinsam ein Bräunungsstudio in den Geschäftsräumen zu betreiben. Zu diesem Zweck gründeten sie mit notariellem Vertrag vom 25. April 1996 die "Bräunungsstudio Sun + Fun GmbH", wobei jeder Gesellschafter eine Stammeinlage von 20.000 DM übernehmen und G. zum alleinigen Geschäftsführer bestellt werden sollte. Eine Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ist nicht erfolgt. Nachdem G. im Oktober 1996 verhaftet worden war, führten die Beklagten das Unternehmen zunächst weiter; der Beklagte zu 2) meldete schließlich zum 1. April 1997 den Geschäftsbetrieb eines Bräunungsstudios als "Palm Beach GbR" als Gewerbe an.
Die Klägerin hat vorgetragen: Das noch in Höhe von 12.516,76 DM valutierende Darlehen sei für das von G. betriebene Bräunungsstudio "Sun + Fun" bestimmt gewesen. Die von ihm und den Beklagten gegründete Gesellschaft habe, der Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag entsprechend, den Betrieb des Bräunungsstudios vor der am 1. Mai 1996 begonnenen Geschäftstätigkeit mit allen Aktiven und Passiven übernommen. Das Bräunungsstudio sei damals das gesamte Vermögen von G. gewesen. Da die Beklagten die Absicht zur Eintragung der Gesellschaft endgültig aufgegeben, den Geschäftsbetrieb jedoch über einen längeren Zeitraum in der bisherigen Weise fortgeführt hätten, müßten sie nach dem Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts für die Darlehensrestschuld des G. auch persönlich mit ihrem Privatvermögen einstehen.
Die Beklagten haben dem vor allem entgegengehalten: G. habe sein Einzelunternehmen nicht in die Gründungsgesellschaft eingebracht, sondern nach dem 1. Mai 1996 als Alleininhaber weitergeführt. Die Vor-GmbH hätten sie bereits am 4. Dezember 1996 im Hinblick auf die Inhaftierung von G. fristlos gekündigt und den Geschäftsbetrieb sofort eingestellt.
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 12.516,76 DM gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt sie ihren Antrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Da die Beklagten in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht vertreten waren, war über die Revision der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81).
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat eine Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung des Restdarlehens verneint und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
G. sei als damaliger Inhaber des Bräunungsstudios nach der bis zum 30. Juni 1998 geltenden Fassung des § 1 Abs. 2 und § 2 HGB kein Kaufmann gewesen. Bei der "Personengesellschaft, die unter Einbeziehung der Beklagten als Gesellschafter das Unternehmen entweder ab 1. Mai 1996 oder ab Aufgabe der Absicht, die zu diesem Datum gegründete GmbH eintragen zu lassen, betrieben haben soll", könne es sich daher mangels vollkaufmännisch betriebenen Handelsgewerbes nur um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gehandelt haben. Für eine Anwendung des § 25 HGB fehle es deshalb schon an einer Firma im Rechtssinne.
Auch könne die Klägerin aus dem zum 1. Januar 1999 aufgehobenen § 419 BGB keine Haftung der Beklagten herleiten. Zwar habe die Klägerin geltend gemacht, daß G. sein Bräunungsstudio in die neu gegründete Gesellschaft eingebracht und es sich dabei um sein gesamtes Vermögen gehandelt habe. Das Einbringen müsse aber nicht unbedingt eine Rechtsübertragung im Sinne des § 419 BGB bedeuten; vielmehr komme auch eine bloße Nutzungsüberlassung in Betracht. Dazu fehle aber entsprechender Sachvortrag der Klägerin. Abgesehen davon finde § 419 BGB keine Anwendung, wenn der Schuldner sein gesamtes Vermögen in eine Personengesellschaft einbringe, weil er als Mitgesellschafter weiterhin Inhaber des nunmehr gesamthänderisch gebundenen Vermögens bleibe.
Zu erwägen sei zwar eine Haftung der Beklagten mit dem Gesamthandsvermögen der - angeblichen - BGB-Gesellschaft in entsprechender Anwendung des § 28 HGB. Dafür fehle jedoch die erforderliche Basis, weil zur Vermeidung einer Schlechterstellung der BGB-Gesellschafter gegenüber OHG-Gesellschaftern auch die den Haftungsausschluß betreffenden Regelungen des § 28 Abs. 2 HGB von der Analogie erfaßt werden müßten und für die BGB-Gesellschafter mangels Registerfähigkeit der BGB-Gesellschaft keine adäquate Verlautbarungsmöglichkeit bestehe. Darüber hinaus würden auch berechtigte Vertrauenserwartungen des Rechtsverkehrs mißachtet, wenn die BGB-Gesellschafter nachträglich einer auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung unterworfen würden, mit der sie nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu rechnen brauchten und gegen die sie keine rechtsgeschäftlichen Vorkehrungen hätten treffen können.
II.
Diese Ausführungen halten im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand.
1. Entgegen der Auffassung der Revision ist eine persönliche Haftung der Beklagten für die Darlehensrestforderung der Klägerin nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 28 HGB herzuleiten.
a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 31, 397, 400 f.; Urteile vom 29. November 1971 - II ZR 181/68, WM 1972, 21, 22 und vom 25. Juni 1973 - II ZR 133/70, WM 1973, 896, 899) setzt die Vorschrift des § 28 HGB die Kaufmannseigenschaft des Einzelunternehmers im Rechtssinne voraus. Sie findet daher keine Anwendung, wenn durch den "Eintritt" eines oder mehrerer Gesellschafter in den bisherigen Gewerbebetrieb keine offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft, sondern lediglich eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts entsteht. Diese Rechtsprechung ist in der neueren Literatur (Lieb, Festschrift Harry Westermann S. 309, 315 ff.; MünchKomm/Lieb, HGB § 28 Rdn. 8 ff.; Möschel, Festschrift Hefermehl S. 171, 182 f.; Hüffer, in Großkomm. HGB 4. Aufl. § 28 Rdn. 28; MünchKomm/Ulmer, BGB 3. Aufl. § 714 Rdn. 66; Karsten Schmidt, Handelsrecht 5. Aufl. § 8 III 1 a bb, S. 256 f.; ders. ZHR 145 (1981), S. 2, 21 ff.) kritisiert worden. Ihr wird hauptsächlich entgegengehalten, daß die Norm des § 28 HGB einen nicht auf Handelsgesellschaften beschränkten, sondern einen analogiefähigen allgemeinen Rechtsgedanken enthalte und es daher gerechtfertigt sei, die Haftung für die Altschulden des einbringenden Gesellschafters im Interesse der Altgläubiger auf die entstehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu erstrecken. Ob dem gefolgt werden könnte, kann hier dahingestellt bleiben, weil mit der von den Beklagten und G. gegründeten "Bräunungsstudio Sun + Fun GmbH" eine Vor-GmbH entstanden ist und deshalb nicht die Anwendbarkeit des § 28 HGB im bürgerlich-rechtlichen Bereich zur Diskussion steht.
b) Die Vorschrift des § 28 HGB erfordert nach ihrem eindeutigen Wortlaut eine Personengesellschaft. Wird ein Einzelunternehmen dagegen in eine neu gegründete GmbH oder Aktiengesellschaft eingebracht, so findet § 28 HGB keine Anwendung (Baumbach/Hopt, HGB 29. Aufl. § 28 Rdn. 2; Roth, in Koller/Roth/Morck, HGB 2. Aufl. § 28 Rdn. 9; Karsten Schmidt, Handelsrecht aaO § 8 III 1 b bb, S. 258 f.; Ammon, in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB § 28 HGB Rdn. 26). Auch kann eine entsprechende Anwendung des § 28 HGB im Wege richterlicher Rechtsfortbildung (dafür Hüffer aaO § 28 Rdn. 30; MünchKomm/Lieb aaO § 28 Rdn. 5) nicht in Betracht kommen. Wie nämlich nicht nur der eng gefaßte Gesetzeswortlaut, sondern auch die Entstehungsgeschichte deutlich zeigen, hat der Gesetzgeber für juristische Personen im Bereich des nur einen Sonderfall regelnden § 28 HGB bewußt keine Haftungsanordnungen getroffen und eine sich daraus möglicherweise ergebende Benachteiligung der betroffenen Gläubiger billigend in Kauf genommen. Diese Entscheidung des Gesetzgebers gilt in gleicher Weise für eine Vor-GmbH.
Die Vor-GmbH ist weder eine Personengesellschaft noch eine juristische Person, sondern eine Personenvereinigung eigener Art, die bis auf die noch fehlende Rechtsfähigkeit bereits der künftigen GmbH als deren Vorstufe entspricht. Infolgedessen sind auf sie bereits die Vorschriften des GmbH-Rechts anzuwenden, soweit diese nicht gerade die Rechtsfähigkeit voraussetzen oder auf die besonderen Umstände bzw. Verhältnisse des Gründungsstadiums keine hinreichende Rücksicht nehmen (st.Rspr., BGHZ 72, 45, 48 f.; 80, 129, 132; 117, 323, 326). Es spricht deshalb nichts dafür, die Vorgesellschaft in den Fällen des § 28 HGB anders zu behandeln als die später eingetragene GmbH.
c) Auch die Tatsache, daß die Gründung der "Bräunungsstudio Sun + Fun GmbH" gescheitert ist, rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung.
aa) Allerdings setzt die weitgehende Anwendung des GmbH-Rechts auf die Vorgesellschaft voraus, daß nach dem Willen ihrer Gründer eine GmbH entstehen soll. Fehlt es an dieser Voraussetzung, weil die Parteien des Gesellschaftsvertrages nicht beabsichtigt haben, die Eintragung der Gesellschaft zu betreiben, so handelt es sich bei einem solchen Zusammenschluß nicht um eine Vor-GmbH. Vielmehr liegt eine sogenannte unechte Vorgesellschaft vor, bei der lediglich nach außen der Schein besteht, daß der Wille der Gesellschafter auf die Gründung einer GmbH gerichtet ist. Auf ein solches Gebilde sind die Vorschriften anzuwenden, die für die Gesellschaftsform gelten, in der das Geschäft im konkreten Einzelfall tatsächlich betrieben worden ist (BGHZ 22, 240, 244 f.; Rowedder/Rittner/Schmidt-Leithoff, GmbHG 3. Aufl. § 11 Rdn. 8; Goette, Die GmbH nach der BGH-Rechtsprechung § 1 Rdn. 59), nämlich entweder das Recht der offenen Handelsgesellschaft oder das Recht der BGB-Gesellschaft. Daß den Gründungsgesellschaftern von vornherein die Eintragungsabsicht gefehlt habe, hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. In der Revisionsinstanz beruft sie sich im Zusammenhang mit der angeblichen Haftung der Beklagten aus § 419 BGB sogar ausdrücklich auf die Entstehung einer Vor-GmbH.
bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt auch der Aufgabe der Eintragungsabsicht und der angeblichen Fortführung des Geschäftsbetriebs der Vorgesellschaft durch die Beklagten für die Anwendbarkeit des § 28 HGB keine Bedeutung zu.
Zwar hat der Bundesgerichtshof in einer älteren Entscheidung (BGHZ 80, 129, 142 f.; siehe auch BAG ZIP 1997, 2199, 2201 m.w.Nachw.; offengelassen in BGHZ 134, 333, 341) für die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit bei vorzeitig beendeter Gründung angenommen, daß von diesem Zeitpunkt an die bis dahin bestehende Vor-GmbH in eine offene Handelsgesellschaft oder BGB-Gesellschaft umgewandelt ist und damit eine Anwendung des GmbH-Rechts rückwirkend entfällt. Dabei geht es aber ausschließlich darum, daß sich die Gesellschafter, die den Geschäftsbetrieb der Vorgesellschaft fortführen, gegenüber den Gläubigern nicht mehr darauf berufen können, es treffe sie nur eine anteilige Verlustausgleichspflicht als Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft. Auch wenn sich die Rechtslage daher insoweit letztlich nicht von den Fällen unterscheidet, in denen die Eintragungsabsicht niemals bestand, d.h. von Anfang an eine unechte Vorgesellschaft vorlag, so bedeutet dies jedoch nicht, daß die nachträgliche Änderung des Charakters der Gesellschaft eine persönliche Haftung der Gesellschafter für eine Verbindlichkeit auslöst, für welche die Vorgesellschaft nicht einzustehen hatte. Daß es dazu - auch aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit - nicht kommen kann und anderenfalls im Falle des § 28 HGB vor allem die den Haftungsausschluß betreffenden Regelungen in unzulässiger Weise unterlaufen würden, liegt auf der Hand.
2. Der Revision ist auch nicht zu folgen, soweit sie eine persönliche Haftung der Beklagten nach § 419 BGB alten Rechts für gegeben hält.
Eine Haftung nach § 419 BGB scheitert schon daran, daß nicht festgestellt ist, G. habe sein Bräunungsstudio und damit sein ganzes damaliges Vermögen in die Vorgesellschaft eingebracht.
Vermögensübernahme im Sinne des § 419 BGB ist gleichbedeutend mit Rechtsübertragung durch Übereignung und (oder) Abtretung. Andere rechtsgeschäftliche Maßnahmen, wie z.B. die Bestellung von Sicherungsrechten (vgl. BGHZ 54, 101, 103) oder die Gebrauchsüberlassung, genügen nicht.
Das Berufungsgericht hat den Sachverhalt unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt eingehend geprüft und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß nach dem Vortrag der Klägerin nicht nur eine Einbringung des Gewerbebetriebes mit allen Aktiven und Passiven in die Gründungsgesellschaft, sondern genauso gut eine bloße Überlassung der Einrichtungsgegenstände und anderen Vermögensgüter zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Nutzung in Betracht komme. Daß bei dieser im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Würdigung erheblicher Vortrag der Klägerin unberücksichtigt geblieben ist, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
III.
Die Revision der Klägerin war daher zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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