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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.12.1997
Aktenzeichen: XI ZR 85/97
Rechtsgebiete: BörsG


Vorschriften:

BörsG §§ 50, 52, 53
BörsG §§ 50, 52, 53

Geschäfte mit Währungsoptionsscheinen, die von einer DM-Auslandsanleihe abgetrennt wurden, sind keine Börsentermingeschäfte im Sinne der §§ 50 ff. BörsG, sondern Kassageschäfte.

BGH, Beschl. v. 9. Dezember 1997 - XI ZR 85/97 OLG Stuttgart LG Ravensburg


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XI ZR 85/97

vom 9. Dezember 1997

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Schimansky und die Richter Dr. Schramm, Nobbe, Dr. van Gelder und Dr. Müller

am 9. Dezember 1997

beschlossen:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 26. Februar 1997 wird nicht angenommen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Streitwert: 123.509,66 DM.

Gründe:

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg.

1. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers besteht nicht. Eine vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Der Kläger erwartete keine Aufklärung über Geschäfte mit Optionsscheinen und konnte sie nach Treu und Glauben, der Grundlage vorvertraglicher Aufklärungspflichten, nicht erwarten. Er hat der beklagten Volksbank unter Benennung der Wertpapierkennnummer, des Ausführungsplatzes sowie eines Limits einen Auftrag zum Erwerb abgetrennter Dollaroptionsscheine erteilt. Der Auftrag ist als execution only order anzusehen. Obwohl der handelnde Bankangestellte erklärte, er kenne sich in Wertpapiergeschäften nicht aus, bat der Kläger weder um einen kompetenten Gesprächspartner noch sah er davon ab, das Geschäft mit Hilfe der Beklagten durchzuführen. Damit brachte er konkludent zum Ausdruck, er benötige keine Aufklärung. Eine Aufklärungspflichtverletzung kommt dann grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. Senatsurteile vom 14. Mai 1996 - XI ZR 188/95, WM 1996, 1214, 1216 und vom 24. September 1996 - XI ZR 244/95, WM 1997, 309, 311).

2. Auch einen Bereicherungsanspruch des Klägers aus § 812 Abs. 1 BGB hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Bei dem streitigen Geschäft mit Dollaroptionsscheinen, die von einer DM-Auslandsanleihe abgetrennt wurden, handelt es sich nicht um ein unverbindliches Börsentermin-, sondern um ein Kassageschäft.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Geschäfte mit abgetrennten Aktienoptionsscheinen Kassageschäfte (BGHZ 114, 177 ff.). Dasselbe gilt für Geschäfte mit Optionsscheinen aus Anleihen ausländischer Aktiengesellschaften auch dann, wenn das maßgebende ausländische Recht die Ausgabe von Optionsanleihen anders als das deutsche Aktiengesetz (§ 221) nicht gesetzlich regelt (Senatsurteil vom 9. Juli 1996 - XI ZR 103/95, WM 1996, 1620 ff.). Geschäfte mit selbständigen Aktienindex- oder Währungsoptionsscheinen sind dagegen als Börsentermingeschäfte zu qualifizieren (Senatsbeschluß vom 25. Oktober 1994 - XI ZR 43/94, WM 1994, 2231 ff.; Senatsurteil vom 4. Oktober 1995 - XI ZR 152/94, WM 1995, 2026 f.).

Die Gründe, aus denen der Senat Geschäfte mit abgetrennten Aktienoptionsscheinen als Kassageschäfte angesehen hat, treffen auf abgetrennte Währungsoptionsscheine zwar teilweise nicht zu. § 221 AktG ist auf abgetrennte Währungsoptionsscheine nicht entsprechend anzuwenden. Gleichwohl sind nach dem wirtschaftlichen Zweck, der für die Qualifizierung als Börsentermingeschäft von maßgeblicher Bedeutung ist, und unter Berücksichtigung des Schutzbedürfnisses der Geschäftspartner auch Geschäfte mit abgetrennten Währungsoptionsscheinen als Kassageschäfte anzusehen.

Ebenso wie abtrennbare Aktienoptionsscheine sind auch abtrennbare Währungsoptionsscheine wirtschaftlich ein legitimes Instrument zur Beschaffung von Kapital zu Zinssätzen unter dem Marktzins. Der niedrigere Zinssatz wird jeweils durch die Chance kompensiert, mit Hilfe der abtrennbaren Optionsscheine Spekulationsgewinne zu erzielen.

Die in US-Dollar bilanzierende Emittentin der DM-Auslandsanleihe hat hier zuudem mit der Ausgabe abtrennbrer Dollaroptionsscheine nicht das Risiko eines Stillhalters übernommen. Wenn der US-Dollar bei Fälligkeit der DM-Anleihe gegenüber der Deutschen Mark höher notiert als bei der Emission, ergibt sich für die Emittentin der Anleihe ein Kursgewinn. Einen Teil dieses Kursgewinns büßt sie durch die Ausgabe abtrennbarer Dollaroptionsscheine ein. Ist der Kurs des US-Dollar im Verhältnis zur Deutschen Mark bei Fälligkeit der Anleihe niedriger als bei der Emission, ist die in den abtrennbaren Scheinen verbriefte Option wertlos und wird nicht ausgeübt.

Auch der Schutz des Erstkäufers einer Anleihe mit abtrennbaren Aktien- oder Währungsoptionsscheinen gebietet die Anwendung des § 53 BörsG a.F. nicht. Für den Erstkäufer besteht weder das für Termingeschäfte typische Risiko eines Totalverlustes seines Einsatzes noch ist die Verlockung gegeben, mit verhältnismäßig geringem Kapitaleinsatz hohe Gewinne zu erzielen (zur Bedeutung dieser Risiken für die Qualifikation einer Anlage als Börsentermingeschäft s. Kümpel WM 1997, 49, 52 f.). Der Erstkäufer muß den vollen Kaufpreis für die verzinsliche Anleihe aufbringen, die bei Fälligkeit zu 100% zurückgezahlt wird. Die abtrennbaren Währungsoptionsscheine erhält er dafür, daß er eine mit einem nicht marktgerechten Zinssatz ausgestattete Anleihe kauft. Für den Käufer nur der abgetrennten Währungsoptionsscheine ist die Risikolage zwar eine andere; sie unterscheidet sich nicht von der beim Erwerb selbständiger Optionsscheine. Das Totalverlustrisiko des Zweiterwerbers hat indes auch bei der Qualifikation von Geschäften mit abgetrennten Aktienoptionsscheinen als Kassageschäfte keine Rolle gespielt (BGHZ 114, 177, 182).

Die Gleichbehandlung von Geschäften mit abgetrennten Währungsoptionsscheinen und abgetrennten Aktienoptionsscheinen als Kassageschäfte hat überdies den Vorzug der Rechtsklarheit und damit der Rechtssicherheit.

Schimansky Dr. Schramm Nobbe Dr. van Gelder Dr. Müller

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