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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.08.2001
Aktenzeichen: XII ARZ 3/01
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 642 Abs. 1 | |
ZPO § 767 Abs. 1 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
22. August 2001
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. August 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Hahne, Gerber, Weber-Monecke und Prof. Dr. Wagenitz
beschlossen:
Tenor:
Zuständig für die Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch des Klägers ist das Amtsgericht - Familiengericht - Düsseldorf.
Gründe:
I.
Mit Beschlüssen des Amtsgerichts Düsseldorf vom 23. Dezember 1996 und vom 27. Dezember 1996 hat der Rechtspfleger den Regelunterhalt, den der Kläger den Beklagten - seinen minderjährigen Kindern - gemäß Jugendamtsurkunden des Kreisjugendamtes Osnabrück und des Jugendamtes Düsseldorf schuldet, neu festgesetzt. Der Kläger hat beim Amtsgericht Düsseldorf eine Vollstreckungsgegenklage eingereicht, mit der er erreichen will, daß die Zwangsvollstreckung aus diesen Beschlüssen für unzulässig erklärt wird. Zugleich hat er für die Durchführung der Klage Prozeßkostenhilfe beantragt. Der Kläger wohnt heute in Osnabrück, die Beklagten wohnen in Husum.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Düsseldorf hat die Sache unter Hinweis auf § 642 ZPO formlos an das Amtsgericht Husum abgegeben. Das Amtsgericht Husum hat die Übernahme mit einer den Parteien mitgeteilten Verfügung abgelehnt mit der Begründung, das Amtsgericht Düsseldorf sei nach § 767 ZPO zuständig. Daraufhin hat das Amtsgericht - Familiengericht - Düsseldorf die Sache durch Beschluß vom 12. März 2001 dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Beschluß vom 2. April 2001 die Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es halte das Amtsgericht Husum für zuständig, sehe sich an einer entsprechenden Entscheidung aber gehindert durch Entscheidungen des Oberlandesgerichts Schleswig (FamRZ 1999, 945) und des Oberlandesgerichts Naumburg (FamRZ 2000, 1166).
II.
a) Die Vorlage an den Bundesgerichtshof ist zulässig. In Zuständigkeitsbestimmungsverfahren ist eine Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof nach § 36 Abs. 3 ZPO zulässig, wenn der Bundesgerichtshof das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht ist und die Bestimmungszuständigkeit eines Oberlandesgerichts sich aus § 36 Abs. 2 ZPO ergibt (Senatsbeschluß vom 21. Juni 2000 - XII ARZ 6/00 - BGHR ZPO § 36 Abs. 3 Divergenzvorlage 1). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben. Die beiden beteiligten Amtsgerichte liegen in unterschiedlichen Oberlandesgerichtsbezirken. Das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht ist somit der Bundesgerichtshof. Die Bestimmungszuständigkeit des Oberlandesgerichts Düsseldorf ergibt sich nach § 36 Abs. 2 ZPO daraus, daß das in seinem Bezirk gelegene Amtsgericht zuerst mit der Sache befaßt worden ist. Auch die in § 36 Abs. 3 ZPO aufgestellten weiteren Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Divergenzvorlage sind gegeben. Nach den §§ 767 Abs. 1, 802 ZPO ist für eine Vollstreckungsabwehrklage das Prozeßgericht des ersten Rechtszugs ausschließlich zuständig. Unter Prozeßgericht ist dabei das Gericht des Verfahrens zu verstehen, in dem der Vollstreckungstitel geschaffen worden ist (BGH, Beschluß vom 17. Oktober 1979 - IV ARZ 42/79 - FamRZ 1980, 47). Das spricht für die ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Düsseldorf.
§ 642 Abs. 1 ZPO bestimmt dagegen, daß für Verfahren, die die gesetzliche Unterhaltspflicht eines Elternteils oder beider Elternteile gegenüber einem minderjährigen Kind betreffen, das Gericht ausschließlich zuständig ist, bei dem das Kind oder der Elternteil, der es gesetzlich vertritt, seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
Das vorlegende Oberlandesgericht Düsseldorf will der Regelung des § 642 Abs. 1 ZPO Vorrang einräumen, würde damit aber abweichen von den zitierten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Schleswig und des Oberlandesgerichts Naumburg, die die Zuständigkeitsregelung der §§ 767 Abs. 1, 802 ZPO für vorrangig halten.
Daß die Vollstreckungsabwehrklage noch nicht zugestellt und damit noch nicht rechtshängig ist, steht zwar einer Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 ZPO für die Hauptsache entgegen (Senatsbeschluß vom 4. Februar 1987 - IVb ARZ 54/86 - FamRZ 1987, 924). Zulässig ist aber eine Zuständigkeitsbestimmung für die Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zur Durchführung der Klage (Senatsbeschluß vom 7. Oktober 1981 - IVb ARZ 556/81 - FamRZ 1982, 43).
b) Durch die Einführung des § 642 Abs. 1 ZPO im Jahre 1998 hat sich nichts daran geändert, daß für Vollstreckungsabwehrklagen gegen Unterhaltstitel minderjähriger Kinder nach wie vor nach den §§ 767 Abs. 1, 802 ZPO das Gericht des ersten Rechtszugs des Verfahrens, das zu dem angegriffenen Titel geführt hat, ausschließlich zuständig ist.
Eine ähnliche Problematik ergab sich bei der Einführung des § 621 Abs. 2 ZPO, der die ausschließliche Zuständigkeit des Familiengerichts, bei dem eine Ehesache anhängig ist, auch für bestimmte andere Familiensachen vorsieht. Auch damals tauchte die Frage auf, ob dieses Familiengericht nun zuständig sei für Vollstreckungsabwehrklagen gegen Titel, die von anderen Gerichten erlassen worden waren. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage verneint und in erster Linie darauf abgestellt, durch die Zuständigkeit des Prozeßgerichts des ersten Rechtszugs für die Vollstreckungsabwehrklage solle sichergestellt werden, daß die von diesem Gericht im Vorprozeß erworbene Sachkunde für die Vollstreckungsabwehrklage ausgenutzt werden könne. Der sachliche Bezug, den das Prozeßgericht zur Vollstreckungsabwehrklage habe, sei wesentlich enger als der des Gerichts der Ehesache zu dieser Klage. Die Vollstreckungsabwehrklage betreffe den titulierten Anspruch und komme deshalb in der Sache einer Fortsetzung des früheren Rechtsstreits nahe, auch wenn das Bestehen oder Nichtbestehen des titulierten Anspruchs nicht unmittelbar Streitgegenstand der Vollstreckungsabwehrklage sein sollte (BGH, Beschluß vom 6. Februar 1980 - IV ARZ 84/79 - FamRZ 1980, 346). Dieser Gesichtspunkt gilt für die hier zu entscheidende Frage in gleicher Weise.
Aus den Materialien zur Einführung der Neufassung des § 642 ZPO (BT-Drucks. 13/7338 S. 34 f.) läßt sich nicht herleiten, daß die neue Vorschrift Vorrang haben soll vor der Zuständigkeitsregelung für die Vollstreckungsabwehrklage. Es heißt dort, die Neuregelung folge einem Anliegen der Länder und der angehörten Verbände, das bisher für das vereinfachte Verfahren zur Abänderung von Unterhaltstiteln und das Verfahren zur Festsetzung von Regelunterhalt geltende Recht beizubehalten. Es sei nicht sachgerecht, die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts des allgemeinen Gerichtsstandes des Kindes allein für das vereinfachte Verfahren vorzusehen. Die Überleitung in das streitige Verfahren (§ 651 ZPO) wäre sonst - wie heute die Überleitung aus dem Mahnverfahren - häufig mit einer das Verfahren verzögernden Abgabe an ein anderes Gericht verbunden. Es sei deshalb vorzuziehen, einen für Klagen und das vereinfachte Verfahren einheitlichen Gerichtsstand anzuordnen.
Aus dieser Absicht des Gesetzgebers läßt sich nicht herleiten, daß durch die Neufassung des § 642 Abs. 1 ZPO die bisher geltende Zuständigkeit für Vollstreckungsabwehrklagen geändert werden sollte. Dies gilt insbesondere, weil davon auszugehen ist, daß dem Gesetzgeber die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu dem Verhältnis zwischen § 621 Abs. 2 ZPO und den §§ 767 Abs. 1, 802 ZPO bekannt gewesen sein dürfte. Hätte der Gesetzgeber dem § 642 Abs. 1 einen Vorrang vor den §§ 767 Abs. 1, 802 ZPO einräumen wollen, hätte es nahe gelegen, dies - zumindest in den Materialien - auszusprechen (im Ergebnis wie hier: OLG Schleswig und OLG Naumburg aaO; MünchKomm-ZPO/Coester-Waltjen, 2. Aufl. § 642 Rdn. 10; Zöller/Philippi, ZPO 22. Aufl. § 642 Rdn. 12; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO 23. Aufl. § 642 Rdn. 2; a.A. Musielak/Borth, ZPO 2. Aufl. § 642 Rdn. 3).
Ende der Entscheidung
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