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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.09.1998
Aktenzeichen: XII ZB 104/96
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1408 Abs. 2 Satz 2 |
XII ZB 104/96
vom
16. September 1998
in der Familiensache
BGB § 1408 Abs. 2 Satz 2
Der Ausschluß des Versorgungsausgleichs durch Ehevertrag wird nicht dadurch unwirksam, daß dem Antragsgegner innerhalb der Jahresfrist ein Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe zugeht, der mit einem für den Fall der Bewilligung gestellten Scheidungsantrag verbunden ist (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 17. Oktober 1984 - IVb ZB 153/82 - FamRZ 1985, 45 ff.).
BGH, Beschluß vom 16. September 1998- XII ZB 104/96 - OLG Düsseldorf AG Düsseldorf
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. September 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Zysk, Dr. Hahne, Sprick und Weber-Monecke
beschlossen:
Die weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 2. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 1996 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu tragen.
Beschwerdewert: 1.000 DM.
Gründe:
I.
Die Parteien haben am 1. Oktober 1990 geheiratet und durch notariellen Ehevertrag vom 13. Dezember 1993 den Versorgungsausgleich ausgeschlossen.
Mit am 8. Dezember 1994 beim Amtsgericht - Familiengericht - V. eingegangenem Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten in B. vom 23. November 1994 suchte der Antragsteller um Prozeßkostenhilfe für einen beabsichtigten Scheidungsantrag nach und beantragte, ihm Rechtsanwältin R. in V. beizuordnen. Mit Verfügung vom 13. Dezember 1994, die tags darauf ausgeführt wurde, übersandte das Gericht der Antragsgegnerin eine Abschrift dieses Schriftsatzes zur Stellungnahme. Mit Beschluß vom 8. August 1995 erklärte sich das Amtsgericht V. für örtlich unzuständig und verwies das Verfahren an das Amtsgericht - Familiengericht - D., das dem Antragsteller mit Beschluß vom 30. Oktober 1995 Prozeßkostenhilfe bewilligte. Der Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers in B., der den für den Fall der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe gestellten Antrag auf Scheidung der Ehe enthielt, wurde der Antragsgegnerin am 6. November 1995 förmlich zugestellt.
Das Amtsgericht D. hat die Ehe der Parteien durch Urteil vom 24. November 1995 geschieden und zugleich ausgesprochen, daß ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde. Das Oberlandesgericht wies die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers zurück. Mit seiner (zugelassenen) weiteren Beschwerde begehrt der Antragsteller weiterhin die Durchführung des Versorgungsausgleichs.
II.
Die weitere Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht ist - wie schon das Familiengericht - rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, daß der vertragliche Ausschluß des Versorgungsausgleichs Bestand hat, weil innerhalb eines Jahres nach Abschluß dieses Vertrages ein Antrag auf Scheidung der Ehe im Sinne des § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht gestellt worden ist.
1. Antragstellung im Sinne des § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB bedeutet Erhebung des Scheidungsantrages durch Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner (vgl. Senatsbeschluß vom 17. Oktober 1984 - IVb 153/82 - FamRZ 1985, 45, 46 f. m.N.).
Insoweit bedarf es keiner Entscheidung, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen gegeben sind, unter denen nach § 270 Abs. 3 ZPO eine fristwahrende Wirkung des am 6. November 1995 zugestellten Schriftsatzes vom 23. November 1994 bereits mit dessen Einreichung am 8. Dezember 1994 und damit noch innerhalb der Frist des § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB hätte eintreten können (zur Anwendbarkeit des § 270 Abs. 3 ZPO vgl. Senatsbeschluß vom 1. Juli 1992 - XII ZB 82/91 - FamRZ 1992, 1405 ff.).
Denn ein Scheidungsantrag, der - wie hier - von einem Rechtsanwalt unterzeichnet wurde, der bei dem angerufenen Familiengericht oder dem übergeordneten Landgericht nicht zugelassen ist, kann die Unwirksamkeit des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs nach § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht herbeiführen (vgl. Senatsbeschluß vom 17. Dezember 1986 - IVb ZB 144/84 - FamRZ 1987, 365, 366 m.N.).
Zudem fehlt es hier an der weiteren Voraussetzung eines unbedingt gestellten Scheidungsantrags. Ein Scheidungsantrag, der - wie hier - mit der Erklärung verbunden ist, er werde nur für den Fall der Bewilligung der zugleich beantragten Prozeßkostenhilfe erhoben, genügt den Anforderungen des § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht (vgl. OLG Bamberg FamRZ 1984, 483, 485; Soergel/Gaul, BGB 12. Aufl. § 1408 Rdn. 48; MünchKomm-BGB/Kanzleiter 3. Aufl. § 1408 Rdn. 30; Palandt/Diederichsen, BGB 57. Aufl. § 1408 Rdn. 16; vgl. auch Senatsurteil vom 20. Januar 1982 - IVb ZR 651/80 - FamRZ 1982, 365 zu § 323 Abs. 3 ZPO).
2. Die vorstehenden Grundsätze, an denen der Senat festhält, halten auch den von der weiteren Beschwerde geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken stand.
a) Im Bereich des Rechtsschutzes gebietet der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), die prozessuale Stellung von Bemittelten und Unbemittelten weitgehend anzugleichen (BVerfGE 22, 83, 86). Volle formelle Gleichheit ist jedoch nicht erforderlich; es reicht aus, wenn der Unbemittelte wenigstens einigermaßen in der gleichen Weise Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann, wie das ein seine Prozeßaussichten vernünftig erwägender Begüterter tun könnte (vgl. BVerfGE 9, 124, 130). Entscheidend ist, daß die gesetzliche Regelung in ihrer Gesamtkonstruktion auf den Rechtsschutz der Unbemittelten Rücksicht nimmt (vgl. BVerfGE 9, 124, 131); im Einzelfall möglicherweise auftretende Unvollkommenheiten und Ungereimtheiten lassen die gesetzliche Regelung noch nicht als willkürlich erscheinen (vgl. BVerfGE 51, 295, 302).
Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob diese verfassungsrechtlichen Anforderungen an die prozessuale Angleichung der Stellung von Bemittelten und Unbemittelten generell auch im Hinblick auf materiell-rechtliche Auswirkungen prozessualer Vorgänge gelten. Selbst dann wäre es nämlich nicht erforderlich, deswegen entgegen dem Wortlaut des § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB den ehevertraglichen Ausschluß des Versorgungsausgleichs auch dann unwirksam werden zu lassen, wenn innerhalb eines Jahres nach Vertragsschluß Prozeßkostenhilfe für einen beabsichtigten Scheidungsantrag beantragt und dem anderen Ehegatten eine entsprechende Antragsschrift übersandt wird. Denn die Frist des § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB ist keine "Rechtsausübungsfrist", sondern Tatbestandsmoment für das Unwirksamwerden des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs (vgl. Soergel/Gaul aaO § 1408 Rdn. 48); mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber den Mißbrauch ehevertraglicher Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf eine bereits bevorstehende Scheidung der Ehe verhindern (vgl. BT-Drucks. 7/4694 S. 13 zu a). Daß der durch den Ausschluß des Versorgungsausgleichs benachteiligte Ehegatte es nach dieser Regelung in der Hand hat, sich innerhalb der Jahresfrist gleichsam in Form des Scheidungsantrages von der belastenden Ausschlußvereinbarung loszusagen (vgl. Soergel/Gaul aaO), ist eine vom Gesetzgeber hingenommene Folge und dient nicht dem Zweck, dem Vertragsreuigen einen zusätzlichen einseitigen Lösungsgrund zu verschaffen (vgl. OLG Bamberg FamRZ 1984, 483, 484; Zimmermann/Becker FamRZ 1983, 1, 8).
Die Belange der unbemittelten Partei sind zudem im Regelfall hinreichend durch die Möglichkeit gewahrt, auch schon vor Bewilligung der Prozeßkostenhilfe die sofortige Zustellung des Scheidungsantrages gemäß § 65 Abs. 7 Nr. 3 und 4 GKG ohne die sonst notwendige Zahlung der gerichtlichen Verfahrensgebühr zu bewirken (vgl. Senatsbeschluß vom 17. Oktober 1984 aaO; OLG Zweibrücken FamRZ 1995, 745, 746 m.w.N.).
Auch soweit die Rechtsprechung die Einreichung eines Prozeßkostenhilfegesuchs zur Wahrung der Ausschlußfrist des § 12 Abs. 3 VVG für die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs gegen den Versicherer genügen läßt (Nachweise bei Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 12 Rdn. 64), erscheint eine Übertragung dieser Grundsätze auf § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB weder geboten noch gerechtfertigt. Insoweit ist zu berücksichtigen, daß das Vertrauen eines Versicherers auf den Eintritt seiner Leistungsfreiheit weniger schutzwürdig ist als das Vertrauen von Ehegatten auf den Bestand ihrer ehevertraglichen Vereinbarungen, so daß es dem Versicherer eher zuzumuten ist, den Ausgang des Prozeßkostenhilfeverfahrens und die Zustellung der Klage abzuwarten. Demgegenüber gebietet es der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, den Antragsgegner nicht für unabsehbare Zeit im ungewissen darüber zu lassen, ob der Ehevertrag Bestand behält (vgl. Senatsbeschluß vom 17. Oktober 1984 aaO S. 47). Zutreffend weist die angefochtene Entscheidung darauf hin, daß diese Frage etwa dann auf unabsehbare Zeit unklar bliebe, wenn bereits die formlose Übersendung eines mit einem Scheidungsantrag verbundenen Prozeßkostenhilfeantrages die Frist des § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB wahren würde, der Antragsteller das Scheidungsverfahren nach Zurückweisung seines Prozeßkostenhilfegesuchs aber weder weiter betreibt noch seinen Scheidungsantrag zurücknimmt. Abgesehen davon wäre der für die Wahrung der Frist maßgebliche Zeitpunkt des Zugangs der formlos übersandten Antragsschrift häufig nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit zu ermitteln.
b) Die Besonderheiten des vorliegenden Falles rechtfertigen - auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht - keine andere Beurteilung.
Wie das Oberlandesgericht zutreffend feststellt, hätte der Antragsteller die Frist des § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB hier zwar - anders als in dem dem Senatsbeschluß vom 17. Oktober 1984 aaO zugrunde liegenden Fall - nicht durch sofortige Zustellung seines Antrages gemäß § 65 Abs. 7 Nr. 3 und 4 GKG wahren können, weil sein Scheidungsantrag von der Bewilligung der zugleich beantragten Prozeßkostenhilfe abhängig gemacht worden und zudem von einem vor dem angerufenen Familiengericht nicht postulationsfähigen Rechtsanwalt unterzeichnet war.
Die verfassungsrechtlich gebotene weitgehende Angleichung des Rechtsschutzes von Bemittelten und Unbemittelten erfordert es jedoch nicht, demjenigen, der um Prozeßkostenhilfe nachsucht, das im Scheidungsverfahren ohnehin geringe und leicht abschätzbare Prozeßrisiko zu nehmen, nur weil eine etwaige Kostenlast ihn ungleich härter treffen würde (vgl. BVerfGE 9, 124, 130; Senatsurteil vom 20. Januar 1982 aaO S. 366), zumal mögliche Härten im Rahmen der Kostenentscheidung gemäß § 93 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO berücksichtigt werden können. Soweit ihm - im Gegensatz zum Bemittelten - die Möglichkeit eröffnet ist, das Prozeßrisiko durch Stellung eines von der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe abhängigen Scheidungsantrages vorerst auszuschalten, ist es daher nicht erforderlich, ihm auch die Möglichkeit einzuräumen, durch einen solchen Antrag zugleich die Frist des § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB zu wahren.
Es ist ihm zuzumuten, sogleich - gegebenenfalls durch Vermittlung eines an seinem Wohnort ansässigen Rechtsanwalts - einen beim angerufenen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt zu beauftragen, ein mit einem unbedingten Scheidungsantrag verbundenes Prozeßkostenhilfegesuch einzureichen und den Scheidungsantrag unter Darlegung der Voraussetzungen des § 65 Abs. 7 Nr. 3 und 4 GKG bereits vor Bewilligung der Prozeßkostenhilfe zustellen zu lassen.
Ende der Entscheidung
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