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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.11.1998
Aktenzeichen: XII ZB 119/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 234
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 119/98

vom

11. November 1998

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. November 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Zysk, Dr. Hahne und Gerber

beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Beschluß des 16. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen vom 24. August 1998 aufgehoben.

Den Klägern wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Pankow/Weißensee vom 22. Januar 1998 gewährt.

Streitwert: 780 DM.

Gründe:

I.

Das Urteil des Familiengerichts wurde den Klägern am 5. Februar 1998 zugestellt. Hiergegen legten sie mit Schreiben vom 9. Februar 1998 beim Familiengericht privatschriftlich "Widerspruch", verbunden mit einem Prozeßkostenhilfeantrag, ein, der am 26. Februar 1998 dem Kammergericht zuging. Mit Schriftsatz vom 23. Juni 1998, eingegangen am 24. Juni 1998, zeigte die Prozeßbevollmächtigte der Kläger die Vertretung an, beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und legte zugleich Berufung für den Fall der Prozeßkostenhilfebewilligung ein. Mit Beschluß vom 25. Juni 1998 bewilligte das Kammergericht teilweise Prozeßkostenhilfe. Am gleichen Tag verfügte der Vorsitzende die Zustellung dieses Beschlusses, zusammen mit einem rechtlichen Hinweis auf die Bedingungsfeindlichkeit der bisher gestellten Anträge, an die Prozeßbevollmächtigte der Kläger gegen Empfangsbekenntnis. Laut Kanzleivermerk ging der Beschluß am 6. Juli 1998 an die Prozeßbevollmächtigte ab, die die Zustellung unter dem 20. Juli 1998 bescheinigte. Mit Schriftsatz vom 22. Juli 1998, eingegangen am 25. Juli 1998, legte die Prozeßbevollmächtigte Berufung ein, begründete diese und wiederholte zugleich den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Nachdem das Kammergericht die Prozeßbevollmächtigte unter dem 4. August 1998 auf die mögliche Verspätung des Wiedereinsetzungsantrages hingewiesen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, verwarf es mit Beschluß vom 24. August, der Prozeßbevollmächtigten zugestellt am 4. September 1998, die Berufung als unzulässig und wies in den Gründen das Wiedereinsetzungsgesuch als verspätet zurück.

Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer am 4. September 1998 eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der sie geltend machen, daß der Beschluß über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe erst am 20. Juli 1998 bei ihrer Prozeßbevollmächtigten eingegangen sei und diese die versäumte Prozeßhandlung, zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag, am 25. Juli 1998 rechtzeitig nachgeholt habe. Sie tragen vor, daß es Anfang Juli 1998 verschiedentlich Probleme mit verspäteter Postzustellung gegeben habe. Dies habe ihre Prozeßbevollmächtigte dem Gericht auf dessen Anfrage vom 4. August 1998 auch am 20. August 1998 mitgeteilt. Da sich jedoch die Briefmarke gelöst habe, sei das Schreiben zurückgekommen und sei alsdann nochmals an das Kammergericht gesandt worden.

II.

Die sofortige Beschwerde hat Erfolg.

Das Kammergericht hat darauf abgehoben, daß bereits die formlose Bekanntmachung des Beschlusses über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe das der Berufungseinlegung entgegenstehende Hindernis der Armut der Kläger beseitigt habe. Da dieser Beschluß vom 6. Juli 1998 an die Prozeßbevollmächtigte der Kläger abgesandt worden sei, könne bei normalem Postlauf davon ausgegangen werden, daß sie die Sendung am 7. Juli 1998 erhalten habe. Danach sei der erst am 25. Juli 1998 eingegangene Wiedereinsetzungsantrag nicht mehr innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO gestellt worden. Zwar sei nicht auszuschließen, daß die Wiedereinsetzungsfrist aufgrund besonderer Umstände dennoch gewahrt sein könnte. Vorgetragen und glaubhaft gemacht sei dies jedoch nicht. Daß die Prozeßbevollmächtigte die Zustellung des Beschlusses mit Empfangsbekenntnis vom 20. Juli 1998 bescheinigt habe, ändere daran nichts, da die Prozeßkostenhilfe bewilligenden Beschlüsse keiner förmlichen Zustellung bedürften.

Das hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Richtig ist zwar, daß die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag mit dem Wegfall des Hindernisses der Mittellosigkeit zu laufen beginnt, und daß dieses Hindernis regelmäßig mit der Bekanntgabe des Beschlusses über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe entfällt (BGHZ 98, 318, 324; Senatsbeschluß vom 14. November 1990 - XII ZB 141/90 - FamRZ 1991, 425). Richtig ist ferner, daß eine förmliche Zustellung des Beschlusses nicht vorgeschrieben ist (BGH, Beschluß vom 5. November 1984 - II ZB 3/84 - VersR 1985, 68 m.w.N.). Darauf kommt es indessen hier nicht an. Im vorliegenden Fall wurde die Zustellung des Beschlusses über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe gegen Empfangsbekenntnis durch den Vorsitzenden verfügt und die Prozeßbevollmächtigte hat diese Zustellung unter dem 20. Juli bestätigt. Sie hat hierzu - unter Vorlage ihres Erläuterungsschreibens vom 20. August 1998 - vorgetragen, daß sie den Beschluß tatsächlich erst zu diesem Zeitpunkt erhalten habe. Ursache dafür müsse eine verspätete Postbeförderung gewesen sein, da sie in diesem Zeitraum auch andere Schriftstücke mit zeitlicher Verzögerung erhalten habe.

Dieser anwaltliche Vortrag kann nicht mit der Vermutung entkräftet werden, der laut Kanzleivermerk vom 6. Juli 1998 abgegangene Beschluß müsse die Prozeßbevollmächtigte bei normalem Postlauf bereits am 7. Juli 1998 erreicht haben. Hierzu reicht der Abgangsvermerk der Kanzlei nicht aus, da sich sowohl auf dem Weg der Weitergabe von der Kanzlei zur Postabgangsstelle im Bereich des Gerichts als auch bei der Beförderung durch die Post Verzögerungen ergeben können. Die Vermutung eines früheren Zugangs an die Prozeßbevollmächtigte wird auch nicht dadurch belegt, daß sich etwa auf dem Empfangsbekenntnis ein früherer Eingangsstempel ihrer Kanzlei befände, der mit ihrer Empfangsbestätigung nicht übereinstimmte. Da sich somit weder aus den Akten noch aus sonstigen Feststellungen des Kammergerichts ein konkreter Anhaltspunkt dafür ergibt, daß die Darstellung der Prozeßbevollmächtigten, sie habe den Beschluß erst am 20. Juli 1998 erhalten, nicht den Tatsachen entspricht, ist von der Richtigkeit ihres anwaltlichen Vortrags auszugehen (vgl. Senatsurteil vom 2. November 1998 - IVb ZR 109/87 - FamRZ 1989, 373, 374; Senatsbeschlüsse vom 7. Mai 1991 - XII ZB 48/91 - NJW 1991, 2080 f. und vom 17. April 1996 - XII ZB 42/96 - NJW 1996, 2038 jeweils m.N.).

Danach kann der angefochtene Beschluß keinen Bestand haben. Der Senat ist in der Lage, die Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch auf der Grundlage der dargelegten Umstände selbst zu treffen. Danach ist den Klägern gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Da auch sonst gegen die Zulässigkeit der Berufung keine Bedenken bestehen, ist der Rechtsstreit zur sachlichen Prüfung und Entscheidung an das Kammergericht zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

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