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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.04.2008
Aktenzeichen: XII ZB 120/06
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 130 Nr. 6 | |
ZPO § 519 Abs. 4 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 2. April 2008
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. April 2008 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 21. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 1. Juni 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur Verhandlung und erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten werden für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten der Rechtsbeschwerde hat die Klägerin zu tragen.
Beschwerdewert: 4.000 €
Gründe:
I.
Die Beklagte ist durch das Amtsgericht verurteilt worden, Unterlagen aus einem Betreuungsverhältnis an die Klägerin herauszugeben. Das Urteil ist ihr zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten am 7. Oktober 2005 zugestellt worden. Die am selben Tag gefertigte Berufungsschrift, die am 8. Oktober 2005 beim Landgericht einging, war nicht unterschrieben. Dem Original der Berufungsschrift war ein Scheck über 8 € angeheftet, der von der Prozessbevollmächtigten der Beklagten unterzeichnet war und mit dem die Auslagen für die zugleich erbetene Übersendung der Gerichtsakten beglichen werden sollten. Nach Eingang der Berufungsbegründung innerhalb der bis zum 7. Februar 2006 verlängerten Berufungsbegründungsfrist wurde die Beklagte mit Verfügung des Vorsitzenden vom 22. Februar 2006 auf die fehlende Unterzeichnung der Berufungsschrift aufmerksam gemacht. Mit Schriftsatz vom 7. März 2006 wies sie auf den der Berufungsschrift angehefteten Scheck sowie darauf hin, dass der Berufungsschrift eine beglaubigte Abschrift beigefügt gewesen sei. Gleichzeitig übersandte sie eine Kopie der beglaubigten Abschrift der Berufungsschrift, die ihr von der Klägervertreterin per Telefax übermittelt worden war. Aus der Kopie ist - ebenso wie aus der Berufungsschrift - der Eingangsstempel des Landgerichts vom 8. Oktober 2005 ersichtlich. Ferner enthält sie den Vermerk, dass der Schriftsatz - wie in dem Empfangsbekenntnis von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin angegeben - am 19. Oktober 2005 bei dieser eingegangen war.
Das Landgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses begehrt. Soweit sie darüber hinaus beantragt, der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung zu gewähren, handelt es sich ersichtlich um ein Versehen, da zu dem betreffenden Antrag keine Begründung gegeben, sondern die Auffassung vertreten wird, die Berufungsfrist sei nicht versäumt worden.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, denn die angefochtene Entscheidung verletzt die Beklagte in entscheidungserheblicher Weise in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und damit zugleich auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes.
2. Das Rechtsmittel ist auch begründet.
a) Das Berufungsgericht hat die Berufung für unzulässig gehalten, weil die eingereichte Berufungsschrift entgegen § 519 ZPO nicht von der Prozessbevollmächtigten der Beklagten unterschrieben sei. Zwar sei die Unterschrift nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich aus anderen Gesichtspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in Verkehr zu bringen, ergeben könne. Solche Umstände habe die Beklagte aber nicht bewiesen. Eine bloße Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung reiche nicht aus. Im Übrigen habe die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausdrücklich bestritten, eine beglaubigte Abschrift der Berufungsschrift erhalten zu haben.
b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
aa) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Berufungsschrift als bestimmender Schriftsatz die Unterschrift des für sie verantwortlich Zeichnenden tragen muss. Die Unterschrift ist grundsätzlich Wirksamkeitserfordernis. Sie soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Das letztgenannte Erfordernis soll sicherstellen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist. Für den Anwaltsprozess bedeutet dies, dass die Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift von einem dazu bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein muss (BGH Urteil vom 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04 - NJW 2005, 2086, 2088 m.w.N. - für einen Fall der fehlenden Unterzeichnung der Berufungsbegründung -).
bb) Von diesem Grundsatz sind jedoch Ausnahmen möglich. Denn das Erfordernis der Schriftlichkeit ist - wie ausgeführt - kein Selbstzweck. Wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergibt, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, kann das Fehlen einer Unterschrift ausnahmsweise unschädlich sein. Diese Beurteilung trägt dem Anspruch der Prozessbeteiligten auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) sowie ihren Rechten aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG Rechnung, die es verbieten, den Zugang zur jeweiligen nächsten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BVerfGE 74, 228, 234). An die Beachtung formeller Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Rechtsschutzbegehrens dürfen deshalb keine überspannten Anforderungen gestellt werden (BGH Urteil vom 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04 - NJW 2005, 2086, 2088).
cc) Mit Rücksicht darauf ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Mangel der Unterschrift in einem als Urschrift der Berufung gedachten Schriftsatz durch eine gleichzeitig eingereichte beglaubigte Abschrift dieses Schriftsatzes behoben werden kann, auf der der Beglaubigungsvermerk von dem Prozessbevollmächtigten handschriftlich vollzogen worden ist (BGHZ 24, 179, 180 = NJW 1957, 990). Die Auffassung des Berufungsgerichts, diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor bzw. seien nicht unter Beweis gestellt, wird dem Vorbringen der Beklagten nicht gerecht.
dd) Sie hat geltend gemacht, zusammen mit der Berufungsschrift eine von ihrer Prozessbevollmächtigten beglaubigte Abschrift dieses Schriftsatzes eingereicht zu haben. Zur Bestätigung ihres Vorbringens hat sie eine Kopie der beglaubigten Abschrift vorgelegt, die ihr ausweislich des Faxabsendervermerks von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Verfügung gestellt worden war. Die Kopie weist - ebenso wie die Berufungsschrift - den Eingangsstempel des Landgerichts vom 8. Oktober 2005 auf sowie als Datum des Eingangs bei dem weiteren Empfänger den 19. Oktober 2005, unter dem die Klägervertreterin laut dem in den Gerichtsakten befindlichen Empfangsbekenntnis die Berufungsschrift erhalten hat. Auf Seite 2 der Kopie befindet sich der von der Beklagtenvertreterin handschriftlich vollzogene Beglaubigungsvermerk.
Damit war zunächst der Nachweis erbracht, dass am 8. Oktober 2005 auch eine beglaubigte Abschrift der Berufungsschrift beim Landgericht eingegangen war, die an die Gegenseite zugestellt worden sein muss, weil diese andernfalls keine Kopie der Abschrift hätte zur Verfügung stellen können. Soweit das Berufungsgericht darauf abgestellt hat, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin bestritten habe, eine beglaubigte Abschrift erhalten zu haben, hätte es sich mit dem Widerspruch, in dem dieses Vorbringen zu dem Überlassen der Kopie steht, auseinandersetzen und der Beklagten Gelegenheit zu dem für erforderlich gehaltenen ergänzenden Vortrag geben müssen. Die Beklagte hätte dann, wie nach der Zustellung des angefochtenen Beschlusses geschehen, das Schreiben der Klägervertreterin vom 8. März 2006 vorgelegt, mit dem diese ihr die Kopie der beglaubigten Abschrift übermittelt hat. Darin heißt es u.a., "anliegend übersende ich Ihnen wunschgemäß noch einmal eine beglaubigte Abschrift ihrer Berufungseinlegungsschrift vom 7. Oktober 2005, hier eingegangen am 19. Oktober 2005". Wenn selbst dann noch Zweifel daran verblieben wären, dass zugleich mit der Berufungsschrift eine beglaubigte Abschrift eingereicht worden war, hätte das Berufungsgericht diesen Zweifeln durch eine Anfrage bei der Klägervertreterin nachgehen müssen. In dem Fall wäre von dieser die im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens von der Klägerin beigebrachte Erklärung abgegeben worden, nicht behauptet zu haben, dass die Schriftstücke nicht zugegangen seien, sondern nur, dass diese sich nicht in ihren Akten befänden.
ee) Danach muss der Nachweis des gleichzeitigen Eingangs von (nicht unterzeichneter) Berufungsschrift und handschriftlich beglaubigter Abschrift dieses Schriftsatzes und damit von Umständen, bei denen das Fehlen der Unterschrift ausnahmsweise unschädlich ist, als geführt angesehen werden. Die Frage, ob solche Umstände auch deshalb vorliegen, weil der Berufungsschrift ein von der Prozessbevollmächtigten der Beklagten persönlich unterzeichneter Scheck beigefügt worden war, bedarf mithin keiner Entscheidung.
3. Der angefochtene Beschluss ist somit aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
Ende der Entscheidung
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