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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.01.2002
Aktenzeichen: XII ZB 122/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 139
ZPO § 516 a.F.
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 236 Abs. 2
ZPO § 518 Abs. 2 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 122/01

vom

30. Januar 2002

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Januar 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz, Dr. Ahlt und Dr. Vézina

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. Mai 2001 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Wert: 59.669,86 DM (30.508 €).

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

1. Das Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Beklagte nicht innerhalb der Frist des § 516 ZPO a.F. in einer dem § 518 Abs. 2 ZPO a.F. entsprechenden Form Berufung eingelegt hat. Die Berufungsschrift muß zweifelsfrei erkennen lassen, für wen das Rechtsmittel eingelegt wird; Zweifel an der Person des Rechtsmittelführers müssen ausgeschlossen sein (vgl. etwa BGH Urteil vom 13. Oktober 1998 - VI ZR 81/98 - BGHR ZPO § 518 Abs. 2 Parteibezeichnung 15). Diesen Anforderungen genügte die Berufungsschrift, wie das Oberlandesgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Beschluß vom 15. Juli 1999 - IX ZB 45/99 - BGHR ZPO § 518 Abs. 2 Parteibezeichnung 17) ausgeführt hat, nicht. Diese - zutreffenden - Darlegungen des Oberlandesgerichts werden von der sofortigen Beschwerde auch nicht angegriffen.

2. Zu Recht hat es das Oberlandesgericht auch abgelehnt, der Beklagten wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

a) Die Beklagte hatte zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs unter Glaubhaftmachung vorgetragen, ihr Prozeßbevollmächtigter habe die in seinem Büro zur Ausbildung beschäftigte und von einer ausgebildeten Bürokraft ordnungsgemäß beaufsichtigte und kontrollierte Bürokraft angewiesen, der von ihr zu fertigenden Berufungsschrift eine Abschrift des anzufechtenden Urteils beizufügen. Hätte die Bürokraft dieser Weisung entsprochen, hätte sich aus der Berufungsschrift in Verbindung mit der beigefügten Urteilsabschrift eindeutig ergeben, daß die Berufung für die Beschwerdeführerin als die im ersten Rechtszug beklagte Partei habe eingelegt werden sollen; mithin wäre die Berufung in diesem Falle form- und fristgerecht eingelegt worden.

b) Das Oberlandesgericht hat diesen Vortrag als nicht ausreichend angesehen, um ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten an der Fristversäumung, das sich die Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse, auszuschließen. Es gehöre nämlich zu den eigenverantwortlich wahrzunehmenden Aufgaben des ein Rechtsmittel einlegenden Prozeßbevollmächtigten, die Rechtsmittelschrift vor ihrer Unterzeichnung auf ihre Vollständigkeit hin zu überprüfen. Da bei der vom Prozeßbevollmächtigten der Beklagten gewählten Form der Berufungseinlegung der Rechtsmittelführer nur dann eindeutig erkennbar sei, wenn der Berufungsschrift eine Urteilsabschrift beigefügt würde, habe sich der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten nicht mit der Unterzeichnung der Berufungsschrift begnügen dürfen. Seine Überprüfungspflicht habe sich vielmehr auf alle für die Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Berufungsschrift notwendigen Angaben erstreckt und nicht durch Weisungen an das Büropersonal - auch nicht durch eine Einzelanweisung an eine zudem noch in der Ausbildung stehende Bürokraft, der Berufungsschrift eine Urteilsabschrift beizufügen - ersetzt werden können. Welche Einzelweisungen der Prozeßbevollmächtigte hier erteilt habe, sei unklar. Daß der Berufungsschrift im Zeitpunkt ihrer Unterzeichnung durch den Prozeßbevollmächtigten eine Urteilsabschrift beigefügt und erst später wieder getrennt worden sei, habe die Beklagte nicht geltend gemacht. Diese Ausführungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen.

c) In der Begründung ihrer sofortigen Beschwerde hat die Beklagte erstmals vorgetragen und glaubhaft gemacht, bei Beginn des Diktats der Berufungsschrift habe ihr Prozeßbevollmächtigter die Weisung erteilt, die folgende Berufungsschrift in der kanzleiüblichen Weise zu fertigen; am Ende des Diktats habe er ausdrücklich die Anweisung erteilt, dem Schriftsatz eine Kopie des erstinstanzlichen Urteils beizufügen. Die Berufungsschrift sei danach gefertigt und dem Prozeßbevollmächtigten zusammen mit einer Kopie des erstinstanzlichen Urteils in einer ca. 20 Fächer umfassenden Unterschriftenmappe vorgelegt worden. Nach einer in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten befolgten Generalanweisung würden in das erste Fach der Originalschriftsatz zur Unterzeichnung, in das zweite Fach das ebenfalls zu unterzeichnende Exemplar der beglaubigten Abschrift, in das dritte Fach eine weitere Abschrift und in die folgenden Fächer jeweils die Anlagen eingelegt. So sei auch bei der Vorlage der Berufungsschrift verfahren worden. Nach Unterzeichnung sei die Unterschriftenmappe der auszubildenden Bürokraft zurückgereicht und diese von der Bürovorsteherin angewiesen worden, den nunmehr vollständigen und unterzeichneten Schriftsatz postfertig zu machen.

Es kann dahinstehen, ob dieser Vortrag geeignet wäre, ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten an der Versäumung der Berufungsfrist auszuschließen. Die Beklagte kann ihre Beschwerde nämlich schon deshalb nicht auf dieses Vorbringen stützen, weil es nicht rechtzeitig in das Wiedereinsetzungsverfahren eingeführt worden ist. Nach § 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 ZPO müssen alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist vorgetragen werden. Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten war, dürfen auch nach Fristablauf erläutert und vervollständigt werden (st.Rspr., vgl. etwa Senatsbeschluß vom 17. Oktober 1990 - XII ZB 84/90 - BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 1). In diesem Rahmen hält sich das Beschwerdevorbringen jedoch nicht. Es dient nicht, wie die Beklagte meint, nur der Verdeutlichung einer mißverständlichen Darstellung der zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs in der Vorinstanz geltend gemachten Umstände; vielmehr hat das Beschwerdevorbringen einen neuen Sachvortrag über büroorganisatorische Maßnahmen in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten zum Gegenstand, auf deren Darlegung nach § 139 ZPO hinzuwirken der vorinstanzliche Vortrag der Beklagten dem Oberlandesgericht keinen Anlaß bot.

Ende der Entscheidung

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