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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.08.2000
Aktenzeichen: XII ZB 135/97
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 135/97

vom

16. August 2000

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. August 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Gerber, Sprick und Weber-Monecke

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. August 1997 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 12.592 DM.

Gründe:

I.

Die Beklagte hat gegen das ihr zu Händen ihrer erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten zugestellte Urteil des Landgerichts am 5. Juni 1997 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist lief nach Verlängerung am 5. August 1997 ab. Am 6. August 1997 hat die Beklagte die Berufung begründet und gleichzeitig um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gebeten. Dazu hat sie unter Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen ihres zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, Rechtsanwalt U. , und dessen Büroangestellten P. vorgetragen: Die Berufungsbegründung sei am 5. August 1997 von ihrer erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten gefertigt und der Kanzlei von Rechtsanwalt U. um 11.22 Uhr per Telefax übermittelt worden. Rechtsanwalt U. sei zu dieser Zeit nicht anwesend gewesen, sondern habe ab 10.00 Uhr einen Termin in M. bei B. wahrgenommen, der ungefähr zwei Stunden gedauert habe. Auf der Rückfahrt, etwa um 12.30 Uhr, habe das Fahrzeug des Anwalts eine Panne erlitten. Die Reparatur, die durch eine Kfz-Werkstatt in R. erfolgt sei, habe bis in die Abendstunden gedauert.

Gegen 17.30 Uhr habe Rechtsanwalt U. in seiner Kanzlei angerufen, um sich zu erkundigen, ob eilbedürftige Sachen vorlägen. Die Sekretärin P. habe ihm mitgeteilt, daß sie die per Telefax eingegangene Berufungsbegründung in der vorliegenden Sache zur Einreichung bei dem Oberlandesgericht vorbereitet habe, der Schriftsatz müsse noch an demselben Tag unterschrieben und in den Gerichtsbriefkasten eingeworfen werden. Da Rechtsanwalt U. nicht gewußt habe, wielange die Reparatur noch dauern werde, habe er seine Sekretärin gebeten, den Schriftsatz von Rechtsanwalt G. unterschreiben zu lassen und zum Oberlandesgericht zu bringen. Frau P. habe jedoch vergeblich versucht, Rechtsanwalt G. zu erreichen. Hiervon habe Rechtsanwalt U. erst am Morgen des 6. August 1997 Kenntnis erlangt, weil seine Sekretärin nicht gewußt habe, wo sie ihn habe erreichen können. Er habe gegen 18.30 Uhr nochmals versucht, in seiner Kanzlei anzurufen. Nachdem sich dort niemand gemeldet habe, sei er davon ausgegangen, daß Frau P. Rechtsanwalt G. erreicht habe und sei erst am nächsten Morgen wieder in seine Kanzlei gekommen.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen, weil die Fristversäumnis auf einem Verschulden des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten beruhe.

II.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg.

1. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen, weil sie nach Ablauf der bis zum 5. August 1997 verlängerten Frist, nämlich am 6. August 1997, begründet worden ist (§§ 519 Abs. 2, 519 b Abs. 1 ZPO).

2. Auch die Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hält der rechtlichen Überprüfung stand. Das Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ein ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden an der Fristversäumnis trifft. Die von ihm bei der Durchführung der fristgebundenen Prozeßhandlung zu beachtende Sorgfalt hätte erfordert, daß er die ihm zumutbaren Vorkehrungen zur Wahrung der Frist trifft. Daran hat er es indessen fehlen lassen.

Es ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bereits nicht ersichtlich, aus welchen Gründen Rechtsanwalt U. erst ca. fünf Stunden nach der Autopanne in seinem Büro angerufen und sich nach dem Vorliegen eilbedürftiger Sachen erkundigt hat. Daß ihm dieser Anruf nicht früher, insbesondere zu einer Zeit, in der eine Anwaltspraxis mit Sicherheit noch besetzt ist, möglich gewesen wäre, hat die Beklagte nicht dargetan und glaubhaft gemacht.

Aber selbst wenn Rechtsanwalt U. sein Büro nicht früher hätte erreichen können, hätte er die in der eingetretenen Situation gebotenen Vorkehrungen gegen eine Fristversäumnis nicht getroffen. Diese hätten es erfordert, daß er sich entweder selbst unmittelbar mit Rechtsanwalt G. in Verbindung gesetzt hätte, um die Unterzeichnung der Berufungsbegründung zu vereinbaren, oder daß er seiner Sekretärin eine Telefonnummer, etwa die der Kfz-Werkstatt in R. , mitgeteilt hätte, unter der sie ihn im Falle des Scheiterns ihrer Bemühungen, Rechtsanwalt G. zu erreichen, hätte benachrichtigen können. In diesem Fall hätte Rechtsanwalt U. von der weiterhin bestehenden Notwendigkeit, die Berufungsbegründung zu unterschreiben und in den Nachtbriefkasten des Gerichts einzuwerfen, erfahren und beides noch vornehmen können, so daß die Frist hätte gewahrt werden können.

Entgegen der Auffassung der sofortigen Beschwerde werden die an die Sorgfaltspflicht eines Anwalts zu stellenden Anforderungen hierdurch nicht überspannt. Insbesondere kann die angeführte Sorge um die Reparatur eines Fahrzeugs bzw. diejenige, vom Ort einer erlittenen Autopanne wieder nach Hause zu gelangen, nicht mit schwerwiegenden familiären Belastungen gleichgestellt werden, die möglicherweise ein Verschulden des Anwalts an der Fristversäumnis entfallen lassen können (BGH, Beschlüsse vom 5. Juni 1981 - I ZB 5/81 - VersR 1981, 839 und vom 8. November 1984 - V ZB 14/84 - VersR 1985, 47). ZPO § 85 Abs. 2



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