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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.01.2006
Aktenzeichen: XII ZB 137/01
Rechtsgebiete: BGB, SGB VI, BeamtVG


Vorschriften:

BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 2
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 1
BGB § 1587 b Abs. 1
BGB § 1587 b Abs. 1 Satz 1
BGB § 1587 b Abs. 2
BGB § 1587 b Abs. 2 Satz 1
BGB § 1587 b Abs. 2 Satz 1 letzter Halbs.
SGB VI § 225
BeamtVG § 14 Abs. 1 Satz 1
BeamtVG § 57
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 137/01

vom 18. Januar 2006

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Januar 2006 durch den Richter Sprick, die Richterin Weber-Monecke, den Richter Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des 5. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 22. Mai 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der weiteren Beschwerde - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 511 €

Gründe:

I.

Die Parteien haben am 15. September 1987 geheiratet; sie sind beide verbeamtet im Schuldienst des Landes Schleswig-Holstein tätig. Der Scheidungsantrag des Ehemannes (Antragsteller; geb. am 19. August 1955) ist der Ehefrau (Antragsgegnerin; geb. am 20. Juni 1954) am 1. Oktober 1998 zugestellt worden. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat durch Urteil vom 10. Mai 2000 die Ehe geschieden (insoweit rechtskräftig) und den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es im Wege des Quasi-Splittings zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei dem Landesbesoldungsamt Schleswig-Holstein (LBA Schleswig-Holstein; weiterer Beteiligter zu 1) auf dem Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund, vormals Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; weitere Beteiligte zu 3) Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 192,04 DM, bezogen auf den 30. September 1998, begründet hat. Dabei ist das Amtsgericht nach den Auskünften der weiteren Beteiligten von ehezeitlichen (1. September 1987 bis 30. September 1998; § 1587 Abs. 2 BGB) Anwartschaften der Parteien beim LBA Schleswig-Holstein in Höhe von 1.048,68 DM (Antragsteller) und 844,11 DM (Antragsgegnerin) sowie bei der DRV Bund in Höhe von 227,50 DM (Antragsteller) und 47,99 DM (Antragsgegnerin), jeweils monatlich und bezogen auf den 30. September 1998, ausgegangen. Bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (weitere Beteiligte zu 2) haben die Parteien keine unverfallbaren Anwartschaften erworben.

Das Oberlandesgericht hat die gegen den Versorgungsausgleich gerichtete Beschwerde des LBA Schleswig-Holstein zurückgewiesen.

Mit der zugelassenen weiteren Beschwerde macht das LBA Schleswig-Holstein geltend, für den Wertausgleich zu Gunsten der Antragstellerin sei die Hälfte der gesetzlichen Rentenanwartschaften des Antragsgegners im Wege des Splittings zu übertragen. Erst die Hälfte des dann verbleibenden Wertunterschiedes sei durch Quasi-Splitting zu Lasten der Beamtenversorgung des Antragsgegners auszugleichen.

II.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

1. Das Oberlandesgericht hat die Voraussetzungen für einen Teilausgleich durch Rentensplitting für nicht gegeben erachtet. Wenn die Anwartschaft des Ausgleichspflichtigen in der gesetzlichen Rentenversicherung geringer sei als die Summe der Anwartschaften des ausgleichsberechtigten Ehegatten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung, sei nicht auf der Ebene der gesetzlichen Rentenversicherung und der Pensionsanwartschaften getrennt zu saldieren; vielmehr habe der Ausgleich insgesamt zu Lasten der Pensionsanwartschaften des Ausgleichspflichtigen zu erfolgen.

2. Diese Auffassung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Zwar beinhaltet die Systematik des § 1587 b Abs. 1, 2 BGB einen formellen Vorrang des Splittings vor dem Quasi-Splitting (FA-FamR/Gutdeutsch, 5. Aufl. 7. Kap. Rdn. 154; Senatsbeschluss vom 18. Dezember 1985 - IVb ZB 711/81 - FamRZ 1986, 250, 251 unter II. 2 c, cc; OLG München FamRZ 1993, 1460 f.; vgl. auch BT-Drucks. 7/4361, 41). Die aus § 1587 b Abs. 2 Satz 1 letzter Halbs. BGB folgende Einschränkung, nach der das Quasi-Splitting nur "in Höhe der Hälfte des nach Anwendung von Abs. 1 noch verbleibenden Wertunterschieds" durchgeführt werden kann, bedeutet indes nicht, dass bei einem Zusammentreffen von nach § 1587 b Abs. 1 Satz 1 und § 1587 b Abs. 2 Satz 1 BGB auszugleichenden Anrechten das Splitting losgelöst von den Voraussetzungen des § 1587 b Abs. 1 Satz 1 BGB - d.h. mittels getrennter Saldierung der gesetzlichen Rentenanrechte und der Anwartschaften auf Beamtenversorgung - durchgeführt werden kann (Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 4. Aufl. § 1587 b BGB Rdn. 31). Zu Recht ist das Oberlandesgericht vielmehr davon ausgegangen, § 1587 b Abs. 2 Satz 1 letzter Halbs. BGB knüpfe an die Tatbestandsvoraussetzungen des vorgreiflichen § 1587 b Abs. 1 Satz 1 BGB an.

b) Hat der Ausgleichspflichtige in der Ehezeit gesetzliche Rentenanwartschaften und Versorgungsanwartschaften nach beamtenrechtlichen Vorschriften erworben, erfordert die Durchführung des Splittings nach § 1587 b Abs. 1 Satz 1 BGB, dass die gesetzlichen Rentenanwartschaften bereits für sich allein höher sind als die entsprechenden Anwartschaften des Ausgleichsberechtigten oder die Summe seiner Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB und der Versorgungsanwartschaften aus dem Beamtenverhältnis nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 BGB (h.M., vgl. Palandt/Brudermüller BGB 65. Aufl. § 1587 b Rdn. 13; MünchKomm/Dörr BGB 4. Aufl. § 1587 b Rdn. 7; Johannsen/Henrich/Hahne, aaO, § 1587 b Rdn. 15; Erman/ Klattenhoff BGB 11. Aufl. § 1587 b Rdn. 5; Soergel/Lipp BGB 13. Aufl. § 1587 b Rdn. 8; Staudinger/Rehme BGB 2004 § 1587 b Rdn. 59; AnwKomm/Wiedenlübbert BGB 2005 § 1587 b Rdn. 5; RGRK/Wick BGB 12. Aufl. § 1587 b Rdn. 14; OLG Nürnberg FamRZ 1995, 98, 100). Dies entspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 7/4361, 41) und dem eindeutigen Wortlaut des § 1587 b Abs. 1 Satz 1 BGB, der den Anwartschaften des Ausgleichsverpflichteten "in einer gesetzlichen Rentenversicherung" die Anwartschaften des Ausgleichsberechtigten "im Sinne des § 1587 a Abs. 2 Nr. 1, 2" gegenüberstellt.

Das teilweise Splitting kommt folglich nur in Betracht, wenn durch Halbteilung einer vorhandenen Beamtenversorgung des Verpflichteten der Ausgleich nicht in vollem Umfang erfolgen kann (FA-FamR/Gutdeutsch, aaO, 7. Kap. Rdn. 154). Die weitere Beschwerde weist deshalb zu Recht darauf hin, dies sei nicht die Regel, wenn auf Seiten des ausgleichspflichtigen Ehegatten gesetzliche Rentenanwartschaften und Anwartschaften auf Beamtenversorgung zusammentreffen. Der Ausgleichspflichtige wird nämlich wegen der bestehenden Höchstaltersgrenzen (vgl. Ebert/Bieler Das gesamte öffentliche Dienstrecht Stand Juni 2005 Kz. 250 Rdn. 7) vor seiner Verbeamtung regelmäßig nur verhältnismäßig geringe Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben haben. Die Gegenüberstellung der gesetzlichen Rentenanwartschaften des Verpflichteten mit der Summe der Anrechte des Berechtigten nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB erhält dem ausgleichspflichtigen Ehegatten somit möglichst viele gesetzliche Rentenanwartschaften. Diese Regelung folgt aus dem Grundsatz, dass Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung als Grundlage der sozialen Sicherung an sich nicht übertragbar sind und § 1587 b Abs. 1 Satz 1 BGB insoweit eine Ausnahmeregelung darstellt (Staudinger/Rehme, aaO, § 1587 b Rdn. 32; vgl. zur Übertragbarkeit gesetzlicher Rentenanrechte: Senatsbeschlüsse vom 18. Dezember 1985 - IVb ZB 711/81 - aaO, S. 251 und vom 3. Juni 1981 - IVb ZB 529/80 - FamRZ 1981, 1051, 1060; BT-Drucks. 7/650, 171). Dem Splitting kommt damit ein formeller, dem Quasi-Splitting im Ergebnis aber ein materieller Vorrang zu (FA-FamR/Gutdeutsch, aaO, Kap. 7 Rdn. 154).

c) Es kann dahinstehen, ob das Quasi-Splitting die Allgemeinheit belastet, weil die nach § 225 SGB VI vom Versorgungsträger an den Rentenversicherungsträger zu erbringenden (steuerfinanzierten) Erstattungsleistungen höher sind - trotz des mit der Regelung verfolgten Ziels der Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs (vgl. Hauck/Noftz/Klattenhoff SGB VI 2005 § 225 Rdn. 8) - als die infolge der Kürzung der Versorgungsbezüge des ausgleichspflichtigen Ehegatten nach § 57 BeamtVG erzielbaren Einsparungen. Diese lediglich die technische Durchführung des Versorgungsausgleichs regelnden beamten- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften können entgegen der Ansicht der weiteren Beschwerde einen Teilausgleich durch Rentensplitting, der vom Wortlaut des Gesetzes und vom Willen des Gesetzgebers abweicht, nicht rechtfertigen.

3. a) Nach den der Entscheidung des Oberlandesgerichts zugrunde liegenden Auskünften der weiteren Beteiligten zu 1 und 3 hat der Antragsteller in der Ehezeit gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 227,50 DM (116,32 €) erworben, denen nach § 1587 b Abs. 1 Satz 1 BGB monatliche Anwartschaften der Antragsgegnerin aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 47,99 DM (24,54 €) und Versorgungsanwartschaften in Höhe von 844,11 DM (431,59 €), somit insgesamt höhere Anwartschaften nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB gegenüberstehen. Der Versorgungsausgleich zugunsten der Antragsgegnerin kann danach nicht teilweise durch Splitting erfolgen; er ist insgesamt im Wege des Quasi-Splittings durchzuführen.

b) Die angefochtene Entscheidung kann gleichwohl keinen Bestand haben. Das Beschwerdegericht konnte die inzwischen eingetretenen Änderungen bei der Bemessung der Beamtenversorgung durch das Versorgungsänderungsgesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I, 3926) noch nicht berücksichtigen. Für die Berechnung des Versorgungsausgleichs bei beamtenrechtlichen Versorgungsanrechten ist im Hinblick auf den Halbteilungsgrundsatz seit dem 1. Januar 2003 uneingeschränkt der von 75 % auf 71,75 % verminderte Höchstruhegehaltssatz gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der Fassung des Art. 1 Nr. 11 des Versorgungsänderungsgesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I, 3926) maßgeblich (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. November 2003 - XII ZB 75/02 und XII ZB 30/03 - FamRZ 2004, 256 ff. bzw. 259 ff.). Ebenso wenig berücksichtigt die vom Oberlandesgericht eingeholte Auskunft der DRV Bund vom 3. Mai 2000 die Änderungen der Rechtslage durch das Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG vom 21. März 2001, BGBl. I, 403).

Da das Rechtsmittel des weiteren Beteiligten zu 1 zu einer umfassenden Überprüfung der Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durch den Senat führt (Senatsbeschlüsse vom 27. Juni 1984 - IVb ZB 767/80 - FamRZ 1984, 990, 991 f. und vom 18. Dezember 1985 - IVb ZB 131/82 - FamRZ 1986, 250), war die Sache deshalb an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, damit der Versorgungsausgleich unter Zugrundelegung neuer Auskünfte der LBA Schleswig-Holstein und der DRV Bund geregelt werden kann.

Ende der Entscheidung

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