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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.01.2002
Aktenzeichen: XII ZB 143/01
Rechtsgebiete: BGB, BetrAVG


Vorschriften:

BGB § 1587 b Abs. 1
BetrAVG § 18
BetrAVG § 16
BetrAVG § 30 d
BetrAVG § 30 f
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 143/01

vom

23. Januar 2002

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Januar 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Gerber, Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs und Dr. Vézina beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz wird der Beschluß des 26. Zivilsenats - zugleich Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 20. Juni 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 511,29 €

Gründe:

I.

Die am 16. April 1982 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den der Ehefrau (Antragsgegnerin) am 10. November 2000 zugestellten Antrag des Ehemanns (Antragsteller) durch Verbundurteil vom 28. März 2001 geschieden (insoweit am selben Tage rechtskräftig geworden) und der Versorgungsausgleich geregelt.

Während der Ehezeit (1. April 1982 bis 31. Oktober 2000; § 1587 Abs. 2 BGB) erwarb die am 8. September 1959 geborene Ehefrau nach den Feststellungen des Amtsgerichts Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz (weitere Beteiligte zu 1, LVA) in Höhe von 381,25 DM, monatlich und bezogen auf den 31. Oktober 2000. Daneben ist ein ehezeitliches Anrecht auf eine statische Versorgung (sogenannte qualifizierte Versicherungsrente) bei der Bayerischen Versorgungskammer - Zusatzversorgungskasse der Bayerischen Gemeinden - (weitere Beteiligte zu 2, ZVK) in Höhe von monatlich 114,34 DM festgestellt.

Der am 25. September 1954 geborene Ehemann erwarb während der Ehezeit ebenfalls Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der LVA, und zwar nach den Feststellungen des Amtsgerichts in Höhe von 797,91 DM, monatlich und bezogen auf den 31. Oktober 2000. Daneben ist ein ehezeitliches Anrecht auf eine statische Betriebsrente bei der Textilwerke D. GmbH in Höhe von 873,09 DM jährlich festgestellt.

Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es Rentenanwartschaften des Ehemanns bei der LVA in Höhe von monatlich 203,69 DM, bezogen auf den 31. Oktober 2000, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA übertragen hat. Bei der Berechnung der zu übertragenden Anwartschaften hat es die beiderseitigen statischen Anrechte nach Umrechnung in dynamische Anwartschaften beim Ausgleich nach § 1587 b Abs. 1 BGB berücksichtigt. Für die Umrechnung hat es den Barwert des statischen Anrechts des Ehemanns auf eine Betriebsrente nicht nach der Barwertverordnung, die es für verfassungswidrig hält, sondern unter Bezugnahme auf in der Literatur veröffentlichte "Ersatztabellen" mit 3.754,29 DM ermittelt und das Anrecht auf dieser Grundlage in eine dynamische Anwartschaft in Höhe von monatlich 17,33 DM, bezogen auf den 31. Oktober 2000, umgerechnet. Auf seiten der Ehefrau hat es die ebenfalls mit Hilfe der "Ersatztabelle" dynamisierte Anwartschaft bei der ZVK in Höhe von monatlich 26,61 DM berücksichtigt.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde hat die LVA gerügt, das Amtsgericht habe bei der Umrechnung der statischen Anwartschaften nicht von der zwingend angeordneten Anwendung der Barwertverordnung absehen dürfen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde der LVA, mit der sie weiterhin die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich begehrt.

II.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

1. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Barwertverordnung sei verfassungswidrig, weil sie zu einer übermäßigen Abwertung der mit ihr bewerteten Anrechte führe und daher den Gleichheitssatz verletze. Dies beruhe darauf, daß die Barwertverordnung auf veralteten biometrischen Rechnungsgrundlagen beruhe, eine etwaige Hinterbliebenenversorgung bei der Barwertbildung unberücksichtigt bleibe und die Dynamik der gesetzlichen Rente und der Beamtenversorgung immer wesentlich unter dem Rechnungszins der Barwertverordnung von 5,5 % liege. Deshalb seien anstelle der Tabellen der Barwertverordnung die im Jahre 2000 veröffentlichten "Ersatztabellen" (Glockner/ Gutdeutsch FamRZ 2000, 270, 271) für die Barwertermittlung heranzuziehen. Dies habe das Amtsgericht korrekt getan.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Wie der Senat (mit Beschluß vom 5. September 2001 - XII ZB 121/99 - FamRZ 2001, 1695) entschieden hat, sind die Gerichte bei der Ermittlung der Barwerte für statische und teildynamische Anwartschaften grundsätzlich auch weiterhin an die Barwertverordnung und deren Tabellen gebunden; auf "Ersatztabellen" kann nicht zurückgegriffen werden. Auf diesen Beschluß, dessen Abdruck beigefügt wird, wird verwiesen. Da auch keine Besonderheiten vorliegen, insbesondere der Versorgungsbezug noch nicht unmittelbar bevorsteht, bedarf es keiner individuellen Wertermittlung der Anrechte.

3. Danach können die Entscheidungen der Vorinstanzen keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, selbst abschließend zu entscheiden, da die Auskünfte über die Versorgungsanrechte der Parteien, die die Vorinstanzen ihren Entscheidungen zugrundegelegt haben, nicht die inzwischen geänderte Rechtslage berücksichtigen:

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 15. Juli 1998 (BVerfGE 98, 365 ff. = FamRZ 1999, 279 ff.) § 18 BetrAVG in der Fassung vom 16. Dezember 1997 insgesamt als mit dem Grundgesetz nicht vereinbar erklärt und dem Gesetzgeber zur Neuregelung eine Frist bis zum 31. Dezember 2000 gesetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt könne § 18 BetrAVG in der geltenden Fassung angewendet werden (BVerfGE 98, 365, 402 = FamRZ 1999, 279, 284 f.). Ferner hat es in seiner Entscheidung vom 22. März 2000 (VersR 2000, 835 ff.) ausgesprochen, es sei nur noch bis zum 31. Dezember 2000 hinzunehmen, daß die garantierte Mindestversorgungsrente der VBL nicht dynamisiert werde und die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gegenüber den Betriebsrentnern in der Privatwirtschaft im Hinblick auf den für diese geltenden § 16 BetrAVG benachteiligt würden (BVerfG aaO S. 838).

Die Auskunft der ZVK vom 24. Januar 2001 zu dem von der Ehefrau erworbenen Anrecht auf (qualifizierte) Versicherungsrente aufgrund des Betriebsrentengesetzes der Ehefrau beruht auf den § 18 BetrAVG in der damals geltenden Fassung und auf der diese Vorschrift umsetzenden Regelung des § 35 a ihrer Satzung. Sie berücksichtigt noch nicht die Auswirkungen der durch Art. 1 Nr. 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1914) mit Wirkung vom 1. Januar 2001 eingetretenen Änderung des § 18 BetrAVG, der inzwischen durch Art. 5 Abs. 35 Nr. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) erneut geändert worden ist. Da auch für die Höhe des Versorgungsausgleichs das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht anzuwenden ist, wenn es sich - wie hier - nach seinem zeitlichen Geltungswillen auf den zu entscheidenden Sachverhalt erstreckt (st.Rspr. vgl. nur Senatsbeschluß vom 9. Februar 2000 - XII ZB 24/96 - FamRZ 2000, 748, 749; Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 3. Aufl. § 1587 Rdn. 38 m.N.), hat die Bewertung der Anwartschaften nach den Maßgaben des § 18 BetrAVG in der geltenden Fassung zu erfolgen, die nach Maßgabe des § 30 d BetrAVG i.d.F. des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (aaO) sowie nach Maßgabe des durch Art. 9 Nr. 24 des Altersvermögensgesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1310) eingefügten § 30 f BetrAVG auf den vorliegenden Sachverhalt zurückwirkt.

Für die Berechnung der Anwartschaft auf (qualifizierte) Versicherungsrente kann § 35 a Abs. 1 der Satzung nicht herangezogen werden. Der Satzung der ZVK kommt der Charakter allgemeiner Versicherungsbedingungen zu (vgl. BGHZ 139, 333, 339 f.). Sie unterliegt auch unter dem Gesichtspunkt des Grundgesetzes in vollem Maße der richterlichen Inhaltskontrolle, da die ZVK eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 1987 - IVa ZR 242/85 - VersR 1987, 724, 725; BVerfG VersR aaO 836). Im Hinblick auf die von § 18 BetrAVG in der nunmehr geltenden Fassung abweichende Berechnung der (qualifizierten) Versicherungsrente und deren fehlende Dynamisierung ist § 35 a Abs. 1 der Satzung zumindest seit dem 1. Januar 2001 unwirksam.

Die Sache muß daher an das Oberlandesgericht zurückverwiesen werden, damit das Oberlandesgericht die Versorgungsanrechte der Parteien anhand aktueller Auskünfte feststellen und auf dieser Grundlage den Versorgungsausgleich durchführen kann. Die Zurückverweisung gibt zugleich der Beteiligten zu 2 Gelegenheit, etwaige Änderungen einzubeziehen, die sich - in der Folge des von den Tarifvertragsparteien vereinbarten neuen Versorgungssystems für bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder begründete Anwartschaften - auch für bei der ZVK begründete Anrechte ergeben.

Ende der Entscheidung

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