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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.04.2009
Aktenzeichen: XII ZB 167/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 238 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 1
ZPO § 574 Abs. 1
Eine Frist darf im Fristenkalender erst gestrichen werden, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also abgesandt oder zumindest postfertig gemacht und die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet ist (st. Rspr., vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2005 - XII ZB 270/04 - FamRZ 2006, 192).

Eine verlässliche Ausgangskontrolle setzt aber zugleich voraus, dass die Frist nach Durchführung dieser Maßnahmen sofort - und nicht etwa erst an einem der folgenden Tage - gestrichen wird (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 15. Dezember 1999 - XII ZB 158/99 - VersR 2000, 1563 f.).


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

am 22. April 2009

durch

die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne,

die Richter Sprick und Prof. Dr. Wagenitz,

die Richterin Dr. Vézina und

den Richter Dr. Klinkhammer

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. August 2008 wird auf Kosten des Beklagten verworfen.

Beschwerdewert: 843 EUR

Gründe:

I.

Gegen das ihm am 6. Juni 2008 zugestellte Urteil des Familiengerichts, mit dem der Beklagte zur Zahlung erhöhten Kindesunterhalts an die Kläger verurteilt wurde, legte dessen Prozessbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 4. Juli 2008 Berufung ein, die er am 4. August 2008 begründete.

Die Berufungsschrift ging am 9. Juli 2008 (Mittwoch) bei dem Berufungsgericht ein. Auf dessen Mitteilung über den verspäteten Eingang, die ihm am 14. Juli 2008 zuging, beantragte er mit am 21. Juli 2008 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist mit der Begründung, seine Kanzleiangestellte habe die Berufungsschrift am 4. Juli 2008 vor der Leerung um 18 Uhr in den Briefkasten eingeworfen, so dass der Schriftsatz bei regelmäßigem Postlauf noch am Tage des Fristablaufs (Montag, 7. Juli 2008) bei Gericht hätte eingehen müssen.

Das Berufungsgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtbeschwerde des Beklagten.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1.

Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung der Berufung richtet, ist sie zwar gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Gleiches gilt gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs richtet.

Sie ist aber nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die angefochtene Entscheidung entspricht nämlich der Rechtsprechung des Senats und erweist sich als richtig.

2.

Das Berufungsgericht hat das Vorbringen des Beklagten, die Berufungsschrift sei noch am 4. Juli 2008 in den Postbriefkasten eingeworfen worden, als nicht hinreichend glaubhaft gemacht angesehen.

Die Kanzleiangestellte H. habe nämlich in ihrer eidesstattlichen Versicherung lediglich angegeben, an diesem Tage die freigestempelte Ausgangspost wie üblich in einem roten Sammelumschlag mitgenommen und diese Postsendungen eingeworfen zu haben, ohne jedoch zu prüfen, um welche Briefe es sich im einzelnen gehandelt habe.

Dass sich auch die Berufungsschrift in der vorliegenden Sache bei diesen Postsendungen befunden habe und deren verspäteter Eingang daher nur auf einer Verzögerung des Postlaufs beruhen könne, sei unter diesen Umständen nur dann als hinreichend glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ausreichende organisatorische Vorkehrungen zur Ausgangskontrolle in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten die Gewähr dafür geboten hätten, dass auch dieser Schriftsatz sich in der roten Sammelmappe befunden habe.

Eine solche Ausgangskontrolle habe der Beklagte aber trotz entsprechender Aufforderung des Gerichts zur Ergänzung seines Vortrags nicht dargelegt und glaubhaft gemacht. Nach der Darstellung seines Prozessbevollmächtigten habe dieser den Fristenzettel nämlich am 7. Juli 2008 (Montag) abgezeichnet, nachdem er sich überzeugt habe, dass die Berufungsschrift die Kanzlei bereits am 4. Juli 2008 (Freitag) verlassen habe. Diese Überzeugung habe auf seinem Wissen beruht, dass der von ihm am Freitag unterzeichnete Schriftsatz sich nicht mehr im Postlauf befunden habe, zumal ein im Postraum versehentlich liegen gebliebener Sammelumschlag in roter Signalfarbe ihm bei seinem abschließenden Kontrollgang sowohl am Freitagabend als auch am Samstag hätte auffallen müssen. Nach allgemeiner Büroanweisung dürfe eine Notfrist im Fristenkalender auch erst gelöscht werden, wenn er als der für die Fristwahrung verantwortliche Anwalt sie durch Abzeichnen des Fristenzettels zur Löschung freigegeben habe. Dies dürfe erst geschehen, wenn der fristwahrende Schriftsatz die Kanzlei verlassen habe. Die Frist sei dementsprechend am 7. Juli 2008 gelöscht worden.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dies genüge nicht den Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle. Diese sei nur dann gewährleistet, wenn am Ende eines jeden Arbeitstages von einer dazu beauftragten Kraft geprüft werde, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder - wie hier durch Einlegen in das dafür vorgesehene rote Kuvert - zumindest versandfertig gemacht worden sind, und ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen. Daran fehle es hier, so dass allein die Überzeugung des Prozessbevollmächtigten, der Schriftsatz habe sich nicht mehr in der Kanzlei befunden, nicht auf dessen Absendung schließen lasse.

3.

Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Der Beklagte hat nicht glaubhaft machen können, dass alle anderen denkbaren Ursachen für die Versäumung der Frist als die eines verzögerten Postlaufs ausscheiden. So kann die am Freitag unterzeichnete Berufungsschrift etwa auch versehentlich nicht in die Postmappe, sondern zunächst zu einem anderen Vorgang gelangt sein, wo sie ohne Wissen des Prozessbevollmächtigten erst am Dienstag aufgefunden und zur Post gebracht wurde.

Ein derartiges, hier nicht ausgeräumtes Versehen des Kanzleipersonals ist dem Prozessbevollmächtigten und damit nach § 85 Abs. 2 ZPO auch dem Beklagten als Verschulden zuzurechnen, weil die vorgetragene Organisation der Ausgangskontrolle nicht geeignet war, solche Fehler zu verhindern oder jedenfalls rechtzeitig aufzudecken.

Richtig ist, dass eine Frist im Fristenkalender erst gestrichen werden darf, wenn der fristwahrende Schriftsatz zumindest in einer Weise versandfertig gemacht worden ist, die sicherstellt, dass er noch am gleichen Tag zur Post oder zum Gericht gelangt. Eine wirksame Ausgangskontrolle erfordert es aber zugleich, dass sie dann auch unverzüglich gestrichen wird. Denn nur dann kann eine ungestrichen gebliebene Frist bei der allabendlich vorzunehmenden Kontrolle des Fristenkalenders ( Senatsbeschluss vom 8. Dezember 1993 - XII ZB 155/93 - EzFamR aktuell 1994, 81 ff.) ihre Warnfunktion erfüllen, indem sie eindeutig erkennen lässt, dass zur Fristwahrung noch dringend etwas unternommen werden muss.

Hier ist die Frist auf Veranlassung des Prozessbevollmächtigten aber erst am Montag gestrichen worden, und zwar nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Einlegen des Schriftsatzes in die rote Postausgangsmappe, sondern nachträglich in der (vermeintlichen) Gewissheit, dies müsse bereits am vorausgegangenen Freitag geschehen sein. Eine solche Handhabung macht die Ausgangskontrolle in doppelter Hinsicht wirkungslos:

Zum einen wird die tatsächliche Kontrolle des Postausgangs durch eine Vermutung ersetzt, die sich auf das Vertrauen darauf gründet, dass die üblichen Arbeitsabläufe die Gewähr dafür bieten, dass auch dieser Schriftsatz in die Postausgangsmappe gelangt ist. Sinn der Postausgangskontrolle ist es aber, insbesondere auch die Vorfälle rechtzeitig zu erfassen und aufzudecken, in denen unvorhergesehene und unvorhersehbare Fehler zu einer Störung des üblichen Ablaufs geführt haben.

Zum anderen erfüllt die allabendliche Kontrolle des Fristenbuchs ihren Zweck nicht mehr, wenn eine ungestrichen gebliebene Frist keinen Aufschluss darüber gibt, ob ein fristwahrender Schriftsatz noch gefertigt werden muss, oder ob er bereits zur Post gelangt ist, ohne dass die Frist sogleich gestrichen wurde ( Senatsbeschluss vom 15. Dezember 1999 - XII ZB 158/99 - VersR 2000, 1563 f.). Denn dann liegt es nahe, dass eine ungestrichen gebliebene Frist nicht ernst genommen wird. Es liegt nahe, dass auch hier so verfahren wurde, denn sonst wäre nicht erklärlich, warum bei der erforderlichen abendlichen Kontrolle des Fristenkalenders am 4. Juli 2008 die noch ungestrichene Berufungsfrist in der vorliegenden Sache nicht zum Anlass genommen wurde, die Berufungsschrift (ggf. erneut) zu fertigen und abzusenden.

Ende der Entscheidung

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