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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.05.2004
Aktenzeichen: XII ZB 168/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO a.F. § 519 Abs. 3
ZPO § 238 Abs. 3
ZPO § 237
ZPO § 238 Abs. 2
ZPO § 234 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 168/98

vom 26. Mai 2004

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Mai 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke, die Richter Fuchs und Dr. Ahlt sowie die Richterin Dr. Vézina beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 7. Dezember 1998 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Wert: 38.937 € (= 76.155,24 DM).

2. Zur Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin wird die Sache an das Oberlandesgericht zurückgegeben.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 17. August 1998 zugestellte Urteil des Landgerichts durch ihren Prozeßbevollmächtigten am 14. September 1998 Berufung eingelegt und gleichzeitig die Einreichung eines Prozeßkostenhilfeantrags sowie des Entwurfs einer Berufungsbegründungsschrift angekündigt. Die Berufungsbegründungsfrist wurde auf ihren Antrag zweimal, zuletzt bis zum 11. November 1998, verlängert. An diesem Tag reichte die Klägerin einen von ihrem Prozeßbevollmächtigten unterzeichneten Prozeßkostenhilfeantrag für die Berufungsinstanz ein. Darin wurde - nach Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin - ausgeführt, die beabsichtigte Berufung habe hinreichende Aussicht auf Erfolg und sei auch nicht mutwillig, wie sich aus dem anliegenden Entwurf der Berufungsbegründung ergebe. Der beigefügte Schriftsatz vom 11. November 1998 trägt keine Überschrift und beginnt nach dem Rubrum mit den Worten "kündige ich für die Klägerin und Berufungsklägerin an, die mit Schriftsatz vom 14. September 1998 vorsorglich und zur Fristwahrung eingelegte Berufung ... mit folgenden Anträgen zu begründen". Es folgen der Antrag sowie die dafür gegebene Begründung. Der Schriftsatz ist nicht unterschrieben. Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden des Oberlandesgerichts vom 12. November 1998 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, daß die Berufungsbegründungsfrist versäumt worden sei. Dieser Auffassung ist die Klägerin entgegengetreten.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil sie nicht fristgerecht begründet worden sei. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, die gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie insofern ausgeführt, ihrem Anwalt sei erst durch den angefochtenen Beschluß bekannt geworden, daß dem Prozeßkostenhilfeantrag eine nicht unterzeichnete Berufungsbegründungsschrift beigeheftet gewesen sei. Hierzu sei es durch ein Versehen ihres Prozeßbevollmächtigten gekommen, der die verschiedenen Schriftstücke selbst zusammengestellt und kuvertiert und dabei dem Prozeßkostenhilfeantrag ein für die Handakte gedachtes, nicht unterzeichnetes Exemplar der Berufungsbegründung beigefügt habe.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Oberlandesgericht hat weder in dem den Prozeßkostenhilfeantrag enthaltenen, von dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin unterzeichneten Schriftsatz vom 11. November 1998 noch in dem nicht unterzeichneten Schriftsatz gleichen Datums eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung erblickt. Der erstere stelle seinem Inhalt nach keine Berufungsbegründung dar, und zwar auch nicht durch die - zur Darlegung der Erfolgsaussicht des Rechtsmittels erfolgte - Bezugnahme auf den anliegenden "Entwurf der Berufungsbegründung". Denn durch die Bezeichnung der Anlage als Entwurf habe der Anwalt deutlich zu erkennen gegeben, daß er noch keine Berufungsbegründung habe vorlegen wollen. Dem beigefügten Schriftsatz fehle die erforderliche Unterschrift eines am Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalts.

Gegen diese Beurteilung wendet sich die Klägerin ohne Erfolg. Sie steht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, insbesondere auch mit den von der sofortigen Beschwerde zitierten Entscheidungen, in Einklang.

Rechtsmittelbegründungsschriften als bestimmende Schriftsätze im Anwaltsprozeß müssen von einem beim Rechtsmittelgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Mit der Unterschrift wird der Nachweis geführt, daß der Berufungs- oder Revisionsanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernimmt. Von dem Grundsatz, daß dieser Nachweis nur mit der Unterschrift geführt werden kann, sind allerdings Ausnahmen möglich. Wenn auch ohne die Unterschrift des Rechtsmittelanwalts aus anderen, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen zweifelsfrei feststeht, daß der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernommen hat, darf deren Wirksamkeit nicht allein deshalb verneint werden, weil es an der Unterschrift fehlt. Mit Rücksicht darauf ist es als ausreichend angesehen worden, wenn der Nachweis dafür, daß der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Inhalt einer nicht unterzeichneten Rechtsmittelbegründungsschrift übernommen hat, durch ein von ihm unterzeichnetes und mit der Rechtsmittelbegründungsschrift fest verbundenes Begleitschreiben geführt worden ist (BGHZ 97, 251, 253 f.).

Ob im vorliegenden Fall von einer solchermaßen erfolgten Verbindung der beiden Schriftsätze auszugehen ist, kann - wie das Oberlandesgericht zu Recht angenommen hat - offen bleiben. Selbst dann würde es an einer wirksamen Rechtsmittelbegründung fehlen.

Der Berufungsbegründungspflicht ist nicht schon dann Genüge getan, wenn innerhalb der Begründungsfrist ein Schriftsatz eines zugelassenen Anwalts eingeht, der inhaltlich den Anforderungen des § 519 Abs. 3 ZPO a.F. entspricht. Der Schriftsatz muß vielmehr zur Begründung der Berufung bestimmt sein (BGH Beschlüsse vom 16. Februar 1977 - IV ZB 54/76 - VersR 1977, 570, vom 16. Oktober 1985 - VIII ZB 15/85 - VersR 1986, 91; Urteil vom 27. Februar 1991 - IV ZR 230/90 - VersR 1991, 937 und Senatsurteil vom 15. Februar 1995 - XII ZR 7/95 - NJW 1995, 2112, 2113). Daran fehlt es hier.

Zwar dürfte der nicht unterzeichnete Schriftsatz vom 11. November 1998 inhaltlich den Anforderungen des § 519 Abs. 3 ZPO a.F. genügen. Der Senat hat sich aber - ebenso wie das Oberlandesgericht - nicht davon überzeugen können, daß der Schriftsatz auch zur Rechtsmittelbegründung bestimmt ist. Dabei wird nicht verkannt, daß im allgemeinen keine Partei die mit der Versäumung einer Rechtsmittelfrist verbundenen prozessualen Nachteile in Kauf nehmen will und deshalb angenommen werden muß, daß ein inhaltlich den Anforderungen des § 519 Abs. 3 ZPO a.F. entsprechendes Prozeßkostenhilfegesuch auch als Berufungsbegründung dienen soll, sofern nicht ein anderer Wille des Berufungsklägers erkennbar ist (BGH Beschluß vom 16. Oktober 1985 aaO S. 91). Letzteres ist hier aber der Fall.

Diese Würdigung beruht nicht allein auf dem Umstand, daß der nicht unterschriebene Schriftsatz in dem Prozeßkostenhilfegesuch als Entwurf der Berufungsbegründung bezeichnet wird, was der bereits in der Berufungsschrift erfolgten Ankündigung entspricht. Hinzu kommt vielmehr, daß in dem Prozeßkostenhilfegesuch von der beabsichtigten Berufung die Rede ist, daß der nicht unterschriebene Schriftsatz nicht als Berufungsbegründung bezeichnet worden ist, die einleitende Formulierung enthält "kündige ich ... an, die Berufung mit folgenden Anträgen zu begründen" und - insofern folgerichtig - auch nicht unterschrieben worden ist. Unter diesen Umständen kann von einem Verständnis als Berufungsbegründung nicht ausgegangen werden.

2. Ob die Klägerin ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten oder ob ihr die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, hat der Senat nicht zu entscheiden.

Nach der an § 238 Abs. 3 ZPO orientierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist grundsätzlich zunächst die Entscheidung des nach § 237 ZPO für die Wiedereinsetzung zuständigen Gerichts herbeizuführen und gegen diese gegebenenfalls das nach § 238 Abs. 2, 3 ZPO statthafte Rechtsmittel einzulegen. Der in der Rechtsprechung anerkannte Ausnahmefall, daß das Revisionsgericht anstelle des nach § 237 ZPO zuständigen Gerichts die Wiedereinsetzung aussprechen kann, wenn diese nach dem Aktenstand ohne weiteres zu gewähren ist (vgl. hierzu BGHZ 101, 134, 141 m.N.; Senatsurteil vom 4. November 1981 - IVb ZR 625/80 - NJW 1982, 1873 f.), ist hier nicht gegeben. Es scheint bereits zweifelhaft, ob das Wiedereinsetzungsgesuch innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO angebracht worden ist. Abgesehen davon wäre Wiedereinsetzung nur zu erteilen, wenn die Klägerin ohne eigenes oder ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten gehindert gewesen wäre, die Frist einzuhalten (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO). Nach Auffassung des Senats ist indessen kein Sachverhalt dargetan und glaubhaft gemacht worden, aus dem sich ergibt, daß den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin kein Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist trifft.



Ende der Entscheidung

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