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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.01.2002
Aktenzeichen: XII ZB 170/01
Rechtsgebiete: SGB IV, VAHRG, BGB


Vorschriften:

SGB IV § 18
VAHRG § 2
VAHRG § 3 b Nr. 1
VAHRG § 3 b Abs. 1 Nr. 1
VAHRG § 3 b Abs. 1 Nr. 2
BGB § 1587 b Abs. 5
BGB § 1587 b Abs. 6
BGB § 1587 a Abs. 3
BGB § 1587 a Abs. 4
BGB § 1587 a Abs. 1
BGB § 1587 b Abs. 1
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 170/01

vom

23. Januar 2002

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23.Januar 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Gerber, Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs und Dr. Vézina beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz werden der Beschluß des 26. Zivilsenats - zugleich Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 26. Juli 2001 aufgehoben und der Entscheidungssatz Nr. 2., 2. und 3. Absatz des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Freyung vom 9. Mai 2001 (Ausspruch über das erweiterte Splitting und die Beitragszahlung) abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Von dem Versicherungskonto Nr. ... des Antragsgegners bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz werden auf das Versicherungskonto Nr. ...

der Antragstellerin bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz weitere Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 30,48 € (59,61 DM), bezogen auf den 30. September 2000, übertragen. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Die Gerichtskosten der Rechtsmittelverfahren tragen die Parteien je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden in diesen Verfahren nicht erstattet.

Beschwerdewert: 511,29 € (1.000 DM).

Gründe:

I.

Die am 26. November 1965 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den dem Ehemann (Antragsgegner) am 30. Oktober 2000 zugestellten Antrag der Ehefrau (Antragstellerin) durch Verbundurteil vom 9. Mai 2001 geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt.

Während der Ehezeit (1. November 1965 bis 30. September 2000; § 1587 Abs. 2 BGB) erwarben die Ehegatten nach den Feststellungen des Amtsgerichts jeweils Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz (weitere Beteiligte, LVA), und zwar die am 23. Januar 1945 geborene Ehefrau in Höhe von 145,68 DM und der am 17. März 1945 geborene Ehemann in Höhe von 1.673,40 DM, jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit. Daneben besteht für den Ehemann ein auf die Ehezeit entfallendes Anrecht auf eine statische Betriebsrente bei der B. AG in Höhe von jährlich 6.720 DM.

Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es Rentenanwartschaften des Ehemanns bei der LVA in Höhe von monatlich 763,86 DM, bezogen auf den 30. September 2000, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA übertragen hat. Außerdem hat es - im Wege des erweiterten Splittings nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG, § 1587 b Abs. 1 BGB - von dem Versicherungskonto des Ehemanns bei der LVA weitere Rentenanwartschaften in Höhe des Höchstwertes von monatlich 89,60 DM, bezogen auf den 30. September 2000, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA übertragen. Schließlich hat es ausgesprochen, daß der Ehemann zur Begründung von Rentenanwartschaften der Ehefrau bei der LVA in Höhe von 9,76 DM, bezogen auf den 30. September 2000, eine Beitragszahlung von 2.113,67 DM gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG zu erbringen habe. Für die Umrechnung des statischen Anrechts des Ehemanns auf eine Betriebsrente in eine dynamische Anwartschaft hat es dessen Barwert nicht nach der Barwertverordnung, die es für verfassungswidrig erachtet, sondern unter Bezugnahme auf in der Literatur veröffentlichten "Ersatztabellen" mit 43.034,65 DM ermittelt und es auf dieser Grundlage in eine dynamische Anwartschaft in Höhe von monatlich 198,71 DM umgerechnet.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde hat die LVA gerügt, das Amtsgericht habe bei der Umrechnung der statischen Anwartschaften nicht von der zwingend angeordneten Anwendung der Barwertverordnung absehen dürfen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde der LVA, mit der sie weiterhin die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich begehrt.

II.

Die weitere Beschwerde ist begründet.

1. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Barwertverordnung sei verfassungswidrig, weil sie zu einer übermäßigen Abwertung der mit ihr bewerteten Anrechte führe und daher den Gleichheitssatz verletze. Dies beruhe darauf, daß die Barwertverordnung auf veralteten biometrischen Rechnungsgrundlagen beruhe, eine etwaige Hinterbliebenenversorgung bei der Barwertbildung unberücksichtigt bleibe und die Dynamik der gesetzlichen Rente und der Beamtenversorgung immer wesentlich unter dem Rechnungszins der Barwertverordnung von 5,5 % liege. Deshalb seien anstelle der Tabellen der Barwertverordnung die im Jahre 2000 veröffentlichten "Ersatztabellen" (Glockner/ Gutdeutsch FamRZ 2000, 270, 271) für die Barwertermittlung heranzuziehen. Dies habe das Amtsgericht korrekt getan.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Wie der Senat (mit Beschluß vom 5. September 2001 - XII ZB 121/99 - FamRZ 2001, 1695 ff. mit Anmerkung Kemnade = BGHReport 2001, 914 ff. mit zustimmender Anmerkung Gutdeutsch) entschieden hat, sind die Gerichte bei der Ermittlung der Barwerte für statische und teildynamische Anwartschaften grundsätzlich auch weiterhin an die Barwertverordnung und deren Tabellen gebunden; auf "Ersatztabellen" kann nicht zurückgegriffen werden. Auf diesen Beschluß, dessen Abdruck beigefügt wird, wird verwiesen. Da auch keine Besonderheiten vorliegen, bedarf es keiner individuellen Wertermittlung der Anrechte.

3. Danach können die Entscheidungen der Vorinstanzen keinen Bestand haben. Der Senat kann anhand der vom Tatrichter zugrunde gelegten Versorgungsauskünfte, gegen die von seiten der Beteiligten keine Einwände erhoben wurden und auch sonst keine Bedenken ersichtlich sind, selbst entscheiden.

a) Auf seiten des Ehemanns sind in der Ehezeit erworbene Anwartschaften bei der LVA in Höhe von 1.673,40 DM monatlich für den Versorgungsausgleich zu berücksichtigen, sowie das unverfallbare Anrecht auf eine Betriebsrente bei der B. AG. Nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB ist nur der zeitratierlich zu berechnende Ehezeitanteil der Betriebsrente auszugleichen, der tatrichterlich mit 5.062,90 DM jährlich festgestellt ist. Da der Wert der Versorgung nach § 17 der Versorgungsordnung der B. AG nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigt, wie der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung, ist der ehezeitlich erworbene Anteil der Versorgung gemäß § 1587 a Abs. 3, 4 BGB in eine dynamische Rente umzurechnen. Dies geschieht, indem zunächst der Barwert des im Anwartschafts- und Leistungsstadium statischen Anrechts, das für den Fall des Alters und der Invalidität zugesagt ist, nach Tabelle 1 BarwertVO ermittelt wird. Bei dem anzuwendenden Barwertfaktor von 5,1 (Alter des Ehemannes zum Ehezeitende: 55) ergibt sich ein Barwert von 25.820,79 DM. Zur Umrechnung in ein dynamisches Anrecht wird dieser Betrag fiktiv in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt. Der Betrag wird daher mit dem für das Ende der Ehezeit geltenden Umrechnungsfaktor der Rechengrößenbekanntmachung in Entgeltpunkte umgerechnet, diese sodann mit Hilfe des aktuellen Rentenwerts nach § 1587 a Abs. 3, 4 BGB in eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies ergibt eine dynamisierte Rente von monatlich 119,22 DM (25.820,79 DM x 0,0000950479 ( 2,4542 Entgeltpunkte x 48,58 DM = 119,22 DM), bezogen auf den 30. September 2000. Der Ehemann hat daher während der Ehezeit insgesamt Anwartschaften in Höhe von 1.792,62 DM monatlich erworben.

Auf seiten der Ehefrau sind in der Ehezeit erworbene Anwartschaften bei der LVA Niederbayern-Oberpfalz in Höhe von 145,68 DM monatlich zu berücksichtigen.

b) Dementsprechend ist gemäß § 1587 a Abs. 1 BGB der Ehemann, der die werthöheren Anwartschaften erworben hat, in Höhe von 823,47 DM monatlich [(1.792,62 DM - 145,68 DM) : 2] ausgleichspflichtig. Bezüglich der bei der LVA erworbenen Anwartschaften hat das Familiengericht richtig das Rentensplitting nach § 1587 b Abs. 1 BGB in Höhe von 763,86 DM [(1.673,40 DM - 145,68 DM) : 2] durchgeführt.

c) Das Anrecht des Ehemanns auf eine betriebliche Altersversorgung richtet sich gegen einen inländischen privatrechtlich organisierten Versorgungsträger, der die Realteilung nicht zuläßt. Es unterliegt daher grundsätzlich dem schuldrechtlichen Ausgleich nach § 2 VAHRG. Anstelle des schuldrechtlichen Ausgleichs kann jedoch nach § 3 b Nr. 1 VAHRG bis zur Höhe von 2 % des auf einen Monat entfallenden Teils der am Ende der Ehezeit maßgebenden Bezugsgröße (§ 18 SGB IV), hier 89,60 DM, ein anderes vor oder während der Ehe erworbenes Anrecht des Verpflichteten, das seiner Art nach durch Übertragung oder Begründung von Anrechten ausgeglichen werden kann, zum Ausgleich herangezogen werden. Der Ausgleich erfolgt daher im Wege des erweiterten Splittings nach § 3 b Nr. 1 VAHRG in Höhe von 59,61 DM monatlich (119,22 DM : 2). Dieser Betrag entspricht 30,48 €.

d) Der Höchstbetrag nach § 1587 b Abs. 5 BGB von 3.246,82 DM ist nicht überschritten. Die übertragenen Rentenanwartschaften sind nach § 1587 b Abs. 6 BGB in Entgeltpunkte umzurechnen.

Ende der Entscheidung

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