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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.10.2002
Aktenzeichen: XII ZB 18/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85
ZPO § 233
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 18/01

vom

30. Oktober 2002

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Oktober 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Gerber, Weber-Monecke, Fuchs und Dr. Ahlt

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 19. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 30. November 2000 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 6.031 €

Gründe:

I.

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. In einem vor dem Familiengericht abgeschlossenen Scheidungsfolgenvergleich hat sich der Kläger verpflichtet, an die Beklagte ab 1. April 1999 nachehelichen Unterhalt von monatlich insgesamt 983 DM zu zahlen. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Abänderung des Vergleichs dahin, daß seine Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt ab 1. Mai 2000 entfallen ist. Der Kläger ist Rechtsanwalt und vertritt sich im vorliegenden Verfahren selbst.

Durch Urteil vom 3. August 2000 hat das Familiengericht die Klage abgewiesen. Dieses Urteil wurde dem Kläger am 14. August 2000 zugestellt. Mit einem am 14. September 2000 beim Kammergericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2000 hat er beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Unterhaltsvergleich einstweilen einzustellen. Mit Beschluß vom 12. Oktober 2000 hat das Kammergericht diesem Antrag entsprochen, sich aber eine Überprüfung dieser Entscheidung nach Eingang der Akten des Familiengerichts und einer Stellungnahme der Beklagten vorbehalten.

Mit einem am 17. Oktober 2000 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger beantragt, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern. Mit Verfügung ebenfalls vom 17. Oktober 2000 hat die Vorsitzende des Berufungssenats es abgelehnt, diesem Antrag zu entsprechen, da die Berufungsbegründungsfrist am Montag, den 16. Oktober 2000 abgelaufen und der Antrag erst danach bei Gericht eingegangen sei.

Mit einem am 30. Oktober 2000 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger die Berufung begründet und gleichzeitig wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat er vorgetragen, am 16. Oktober 2000 habe er an einer Verhandlung beim Landgericht teilgenommen, die unerwartet lange gedauert habe. Entgegen seiner Erwartung sei er deshalb erst am späten Nachmittag ins Büro zurückgekommen. Abends habe er dann den Verlängerungsantrag selbst geschrieben und versucht, ihn gegen 23.40 Uhr per Telefax an das Kammergericht zu übermitteln. Es sei aber regelmäßig das Besetztzeichen gekommen und das Faxgerät habe auf Wahlwiederholung umgeschaltet. Er habe daraufhin überprüft, ob ihm bei der Eingabe der Telefaxnummer des Kammergerichts ein Fehler unterlaufen sei, habe aber nicht bemerkt, daß er in der Mitte der Nummer versehentlich eine Null zuviel eingegeben habe. Dieser Irrtum sei erst am folgenden Tage entdeckt worden. Gegen 23.43 Uhr am 16. Oktober 2000 habe er das Büro verlassen, um mit seinem Pkw zum Nachtbriefkasten des Kammergerichts zu fahren. Normalerweise brauche er für diesen Weg höchstens 14 Minuten. An diesem Abend habe er wohl verkehrsbedingt etwas länger gebraucht und den Schriftsatz deshalb erst nach Mitternacht in den Nachtbriefkasten eingeworfen.

Durch den angefochtenen Beschluß hat das Kammergericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Schriftsatz des Klägers vom 8. Oktober 2000, mit dem dieser die Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt habe, enthalte keine Ausführungen, die als hinreichende Berufungsbegründung verstanden werden könnten. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne dem Kläger nicht bewilligt werden, weil er die Versäumung der Frist verschuldet habe. Dagegen richtet sich die nach altem Recht statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Nach § 233 ZPO darf wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung nur gewährt werden, wenn die Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Aus dem Vortrag des Klägers zu den Umständen, die zu der Versäumung der Frist geführt haben, ergibt sich aber, daß den Kläger hieran ein Verschulden trifft. Der Kläger trägt selbst vor, daß er erst 20 Minuten vor Ablauf der Frist mit dem Versuch begonnen hat, den Verlängerungsantrag per Telefax zu übermitteln. In dieser Situation mußte er besonders darauf achten, daß bei der Übermittlung kein Fehler passiert. Insbesondere mußte er besonders darauf achten, die Telefaxnummer des Gerichts präzise einzugeben. Daß ihm dabei ein Fehler unterlaufen ist, rechtfertigt schon den Vorwurf der Fahrlässigkeit. Der Fall ist vergleichbar mit der falschen Adressierung eines Schriftstücks, die im Rahmen des § 233 ZPO ebenfalls als Verschulden des Anwalts angesehen wird (vgl. BGH, Beschluß vom 18. April 2000 - XI ZB 1/00 - BGHR ZPO § 233 Anwaltsverschulden 19 m.N.). Insbesondere aber hätte der Kläger den Fehler bemerken müssen, als er feststellte, daß die Übermittlung nicht gelang und als er deshalb selbst Veranlassung sah, die Richtigkeit der eingegebenen Empfängernummer zu überprüfen. Daß ihm bei dieser Überprüfung der Fehler nicht aufgefallen ist, rechtfertigt in jedem Fall den Vorwurf fahrlässigen Verhaltens.

Zu Unrecht beruft sich der Kläger darauf, daß der Senat in einem Beschluß vom 10. Juni 1998 (XII ZB 47/98 = FamRZ 1999, 21) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt habe, obwohl auch in dem damals entschiedenen Fall ein per Telefax übermittelter Schriftsatz nicht rechtzeitig eingegangen sei, weil die Telefaxnummer des Gerichts versehentlich falsch eingegeben worden sei. Der damals entschiedene Fall ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Damals hatte ein Rechtsanwalt eine erfahrene Bürokraft angewiesen, einen Schriftsatz per Telefax zu übermitteln. Die richtige Telefaxnummer war in dem Schriftsatz deutlich sichtbar aufgeführt. Die Büroangestellte hat jedoch versehentlich eine falsche Nummer eingegeben. Auch in dem damaligen Fall beruhte die Versäumung der Frist auf einem Verschulden, aber nicht auf einem Verschulden des Anwalts, sondern auf einem Verschulden seiner Büroangestellten. Nach § 85 ZPO muß sich eine Partei aber nur das Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten anrechnen lassen, nicht das Verschulden seines Büropersonals.

Die Problematik des § 85 ZPO stellt sich im vorliegenden Fall nicht, weil der Kläger selbst Partei ist und selbst fahrlässig gehandelt hat.

Ende der Entscheidung

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