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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 07.02.2001
Aktenzeichen: XII ZB 2/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1360 a Abs. 4
ZPO § 114
BGB § 1360 a Abs. 4; ZPO § 114

Zur Frage hinreichender Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) als Voraussetzung eines Anspruchs auf Prozeßkostenvorschuß.

BGH, Beschluß vom 7. Februar 2001 - XII ZB 2/01 - KG Berlin AG Tempelhof-Kreuzberg


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 2/01

vom

7. Februar 2001

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Hahne, Sprick, Weber-Monecke und Prof. Dr. Wagenitz

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des 19. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen vom 16. November 2000 aufgehoben.

Der Antragstellerin wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Teilurteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Tempelhof-Kreuzberg vom 13. Juli 2000 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Beschwerdewert: 16.000 DM.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin nimmt im Rahmen der Folgesache Zugewinnausgleich den Antragsgegner im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Zahlung in Anspruch. Nach Erledigung der Auskunftsstufe hat sie vom Antragsgegner die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Auskunft begehrt. Das Amtsgericht hat durch Teilurteil die Klage als unbegründet abgewiesen. Zum Zwecke der Berufung gegen das ihr am 17. Juli 2000 zugestellte Urteil hat sie am 1. August 2000 einen Prozeßkostenhilfeantrag eingereicht, welchen das Oberlandesgericht mit Beschluß vom 5. Oktober 2000, ihr zugestellt am 12. Oktober 2000, mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen hat. Am 26. Oktober 2000 hat sie einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist eingereicht und zugleich Berufung eingelegt. Für die Berufungsbegründung hat sie am 25. November 2000 Fristverlängerung beantragt. Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung verworfen, weil die Antragstellerin gegen den insoweit leistungsfähigen Antragsgegner einen Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß habe, sie sich somit nicht für vermögenslos habe halten dürfen und die Fristversäumung nicht auf unverschuldetem Unvermögen wegen Mittellosigkeit beruht habe.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts, daß nach Ablehnung eines Prozeßkostenhilfegesuchs eine Wiedereinsetzung nur dann gewährt werden kann, wenn die Partei vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung ihres Prozeßkostenhilfeantrags mangels Bedürftigkeit rechnen mußte. Mußte sie dies tun, weil sie oder ihr Prozeßbevollmächtigter erkennen konnten, daß die persönlichen Voraussetzungen des § 114 ZPO nicht vorlagen oder nicht ausreichend dargetan waren, kommt eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht. Dabei muß die Partei stets selbst prüfen, ob sie sich für bedürftig halten konnte, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn - wie hier - das Prozeßkostenhilfegesuch nicht mangels Armut, sondern mangels Erfolgsaussicht abgelehnt wurde (Senatsbeschluß vom 25. März 1987 - IVb ZB 42/87 - BGHR ZPO § 233 Prozeßkostenhilfe 3 m.N.; BGH, Beschluß vom 9. Januar 1985 - IVb ZB 142/84 - VersR 1985, 271, 272). Dazu gehört auch die Frage, ob ihr gegebenenfalls ein Prozeßkostenvorschußanspruch zusteht, der es ihr ermöglicht, die Prozeßkosten zu bestreiten.

Der Antragstellerin kann hier indes nicht vorgeworfen werden, diese Prüfung und gegebenenfalls die Geltendmachung eines Prozeßkostenvorschußanspruches unterlassen und sogleich einen Prozeßkostenhilfeantrag gestellt zu haben. Denn sie mußte nur dann mit der Ablehnung des Prozeßkostenhilfegesuchs rechnen, wenn ihr ersichtlich ein Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gegen den Ehemann zugestanden hätte. Das war nicht der Fall.

Das Kammergericht hat einen solchen Anspruch ohne weiteres bejaht, dabei aber lediglich geprüft, ob es sich bei dem Verfahren um eine persönliche Angelegenheit der getrennt lebenden Ehefrau handele und ob der Antragsgegner leistungsfähig sei, nicht jedoch, ob die Zubilligung des Prozeßkostenvorschusses der Billigkeit entspricht und dem Antragsgegner zumutbar ist. Das ist rechtsfehlerhaft.

§ 1360 a Abs. 4 BGB gewährt einem Ehegatten, der nicht in der Lage ist, die Kosten eines Rechtsstreits über eine persönliche Angelegenheit zu tragen, einen Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gegen den anderen Ehegatten nur, soweit dies der Billigkeit entspricht. Eine Verweisung der Antragstellerin auf einen Prozeßkostenvorschußanspruch gegen den Antragsgegner kommt danach nicht in Betracht, wenn die Finanzierung des Prozesses für diesen unbillig wäre.

Über die konkreten Voraussetzungen der Billigkeit eines Prozeßkostenvorschußanspruches besteht in Literatur und Rechtsprechung allerdings keine Übereinstimmung. Einig ist man sich zwar darin, daß jedenfalls bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit und Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung ein Prozeßkostenvorschußanspruch ausscheidet, weil es dem Verpflichteten nicht zumutbar ist, einen von vornherein aussichtslosen Prozeß - gegebenenfalls auch gegen sich selbst - vorzufinanzieren, zumal ein Anspruch auf Rückforderung der Prozeßkosten nur in engen Grenzen (etwa wenn die Bedürftigkeit nicht mehr gegeben ist oder aus Billigkeitsgründen) bejaht wird und in der Regel an der mangelnden Durchsetzbarkeit gegen den Berechtigten scheitert (vgl. Senatsurteil vom 15. Mai 1985 - IVb ZR 33/84 - NJW 1985, 2263; Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 4. Aufl. § 21 IV 7 S. 257; Wendl/Scholz Unterhaltsrecht 5. Aufl. § 6 Rdn. 34). Während indessen die bisher überwiegende Meinung, zum Teil noch gestützt auf ältere Rechtsprechung, einen Prozeßkostenvorschußanspruch nur unter den strengen Voraussetzungen der offensichtlichen Aussichtslosigkeit und Mutwilligkeit versagt (vgl. Johannsen/Henrich/Büttner Eherecht 3. Aufl. § 1361 BGB Rdn. 127; MünchKomm BGB/Wacke 4. Aufl. § 1360 a Rdn. 25; Palandt/Brudermüller BGB 60. Aufl. § 1360 a Rdn. 15; RGRK/Wenz 12. Aufl. 1984 § 1360 a Rdn. 37; ebenso Staudinger/Hübner/Voppel BGB 13. Bearb. 2000 § 1360 a Rdn. 79 m.N., der allerdings auch ein unschlüssiges Klagevorbringen in der Regel für offensichtlich aussichtslos hält; grundsätzlich ebenso Soergel/Lange BGB 12. Aufl. § 1360 a Rdn. 24, jedoch mit der Einschränkung, daß ein Prozeßkostenvorschußanspruch nicht besteht, wenn die Prozeßkostenhilfe wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung abgelehnt ist), verneint eine im Vordringen begriffene Meinung einen Prozeßkostenvorschußanspruch bereits dann, wenn der beabsichtigten Rechtsverfolgung die hinreichende Erfolgsaussicht nach dem Maßstab des § 114 ZPO fehlt (Gernhuber/Coester-Waltjen aaO § 21 IV 5 S. 256; Göppinger/Vogel Unterhaltsrecht 7. Aufl. Rdn. 2615; Griesche in FamGB § 1361 BGB Rdn. 46; Heiß/Deisenhofer Unterhaltsrecht I Kap. 11 Rdn. 15; MünchKomm ZPO/Wax 2. Aufl. § 115 Rdn. 78; Musielak/Borth ZPO 2. Aufl. § 127 a Rdn. 7, 13; Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 4. Aufl. IV Rdn. 76, 80; Wendl/Scholz aaO Rdn. 29; Zimmermann FamRZ-Buch 4 Prozeßkostenhilfe in Familiensachen Rdn. 165; OLG Hamm FamRZ 1994, 529 a.E.).

Der Senat schließt sich der letzten Auffassung an. Er hält es im Interesse der Klarheit und der Gleichbehandlung für sachgerechter, für den Prozeßkostenvorschußanspruch denselben Maßstab anzulegen wie er auch für das Prozeßkostenhilfeverfahren gilt (§ 114 ZPO). Der Einwand, daß das Unterhaltsrecht, aus dem der Prozeßkostenvorschußanspruch herrührt, allgemein weniger strenge Maßstäbe setze als es für die Gewährung von Sozialhilfe der Fall sei, rechtfertigt es hier nicht, einem Unterhaltsverpflichteten die Vorfinanzierung eines Prozesses zuzumuten, der aller Voraussicht nach erfolglos bleibt. Es ist ebensowenig Aufgabe des Ehegatten wie des Staates, Mittel für eine keinen Erfolg versprechende Rechtsverfolgung zur Verfügung zu stellen (Gernhuber/Coester-Waltjen aaO; Wendl/Scholz aaO Rdn. 29). Eine verständige Partei, die ihren Prozeß selbst finanzieren muß, wird dies nur dann tun, wenn für ihn eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht. Der gleiche Maßstab muß auch für den Unterhaltsgläubiger gelten, der zur Finanzierung seiner Klage einen an sich vorschußpflichtigen Unterhaltsschuldner in Anspruch nehmen will. Das gilt erst recht, wenn - wie hier - die Erfolgsaussicht vom Gericht bereits in einem die Prozeßkostenhilfe verweigernden Beschluß verneint worden ist. Auch der weitere Einwand, daß dem Vorschußpflichtigen - anders als dem Gericht nach § 114 ZPO - die Prüfung der Erfolgsaussicht des Prozesses nicht möglich sei (so Palandt/Brudermüller aaO unter Hinweis auf alte Rechtsprechung), greift nicht. Denn es ist Sache des Unterhaltsberechtigten, die Erfolgsaussichten seines Prozesses schlüssig darzulegen und hierfür Beweis anzutreten (vgl. u.a. Griesche in FamGB aaO; Göppinger/Vogel aaO; MünchKomm ZPO/Wax aaO jeweils m.w.N.). Das gilt jedenfalls für alle Verfahren, in denen es auf eine Prüfung der Erfolgsaussicht ankommt. Anders dürfte dies etwa in Statusverfahren zu beurteilen sein, in denen das Interesse der Beteiligten und das öffentliche Interesse an der Feststellung des Status eines Betroffenen im Vordergrund steht; ähnliches gilt in Strafverfahren. Dies bedarf hier aber keiner abschließenden Erörterung.

3. Vorliegend hat das Kammergericht selbst die Prozeßkostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverfolgung mangels hinreichender Erfolgsaussicht verweigert. Gemessen am gleichen Maßstab des § 114 ZPO hätte daher auch ein Prozeßkostenvorschußanspruch keine Aussicht auf Erfolg gehabt, so daß der Antragstellerin nicht entgegengehalten werden kann, daß sie sich nicht für bedürftig halten durfte. Ihr rechtzeitig nach Ablehnung der Prozeßkostenhilfe gestellter Wiedereinsetzungsantrag durfte daher nicht zurückgewiesen werden. Es muß ihr überlassen bleiben, ob sie das Rechtsmittel gegen das Teilurteil auf eigene Kosten durchführen will.

Ende der Entscheidung

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