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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.08.2004
Aktenzeichen: XII ZB 38/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 727 | |
BGB § 1586 b Abs. 1 Satz 1 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 4. August 2004
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. August 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick und Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 3. Februar 2004 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis 7.000 €.
Gründe:
I.
Die 1939 geschlossene Ehe der Antragstellerin mit ihrem 1999 verstorbenen Ehemann wurde 1963 aus dessen Verschulden geschieden. Der Ehemann verpflichtete sich durch gerichtlichen Vergleich vom 24. Juli 1980, an die Antragstellerin (als damalige Klägerin) monatlichen Unterhalt in Höhe von 580 DM zu zahlen. Dieser Betrag sollte jährlich um den gleichen Prozentsatz steigen wie die jährlichen Anpassungen in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Der Antragsgegner ist der gemeinsame Sohn der Antragstellerin und ihres verstorbenen Ehemannes und zugleich dessen Alleinerbe.
Den Antrag der Antragstellerin, den gerichtlichen Vergleich gemäß § 727 ZPO gegen den Antragsgegner als Rechtsnachfolger umzuschreiben und die Vollstreckungsklausel gegen ihn zu erteilen, wies die Rechtspflegerin des Amtsgerichts mit der Begründung zurück, dies sei nicht möglich, da der Antragsgegner als Erbe nach § 1586 b BGB nicht Rechtsnachfolger des Unterhaltsschuldners sei. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hob das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2004, 1220 f. veröffentlicht ist, den Beschluß der Rechtspflegerin auf und wies sie an, den Antrag unter Berücksichtigung seiner gegenteiligen Rechtsauffassung erneut zu bescheiden und die Umschreibung - vorbehaltlich anderer ihr entgegenstehender Gründe - vorzunehmen.
Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt, gehört die Gesamtrechtsnachfolge des Erben zu den typischen Vorgängen, für die § 727 ZPO die Umschreibung eines vorhandenen Titels gegen den Erblasser vorsieht, um dem Gläubiger eine neue Klage gegen den Rechtsnachfolger zu ersparen.
Umstritten ist jedoch die Frage, ob auch ein auf nachehelichen Unterhalt gerichteter Titel gegen den Erben des Unterhaltsschuldners umgeschrieben werden kann.
a) Zum einen wird die Auffassung vertreten, eine Umschreibung sei nicht möglich, weil der Erbe unterhaltsrechtlich nicht Rechtsnachfolger des Unterhaltsschuldners sei. Denn die Unterhaltsverpflichtung sei grundsätzlich personenbezogen und ende jeweils mit dem Tode des Berechtigten oder Verpflichteten. Der "Übergang" der Unterhaltspflicht auf den Erben (§ 1586b BGB) begründe in dessen Person eine eigenständige, inhaltlich mit derjenigen des Erblassers nicht identische Verpflichtung (vgl. OLG Oldenburg FamRZ 2004, 1220; Palandt/Brudermüller BGB bis zur 62. Aufl. § 1586 b Rdn. 10; Staudinger/Baumann 12. Aufl. § 1586 b Rdn. 56; Johannsen/Henrich/Büttner Eherecht 4. Aufl. § 1586 b Rdn. 14; Bamberger/Roth/Bergmann BGB § 1586 b Rdn. 2; Heiß in Heiß/Born Unterhaltsrecht 4 Rdn. 40; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl. Rdn. 145 a; Klein in Weinreich/ Klein Kompaktkommentar Familienrecht § 1586 b Rdn. 13; Bergschneider FamRZ 2003, 1049, 1055; Hambitzer FamRZ 2001, 201, 203; Dieckmann FamRZ 1977, 161, 171).
b) Demgegenüber halten eine Umschreibung - mit dem Beschwerdegericht - für zulässig: OLG Koblenz FamRZ 2004, 557 m.zust.Anm. Diener FamRZ 2004, 557 f.; OLG Frankfurt FF 2003, 68 f.; MünchKomm-BGB/Maurer 4. Aufl. § 1586 b Rdn. 13; Erman/Graba BGB 11. Aufl. § 1586 b Rdn. 13; RGRK/Cuny 12. Aufl. § 1586 b Rdn. 17; Soergel/Häberle BGB 12. Aufl. § 1586 b Rdn. 4; Griesche in FamGb § 1586 b Rdn. 5; Hoffmann/Stephan Ehegesetz 2. Aufl. § 70 Rdn. 7; OLG Karlsruhe OLGZ 1977, 121 f. zur Beitragspflicht nach § 60 EheG).
c) Der Bundesgerichtshof hat die Praxis einiger Gerichte, für einen Unterhaltstitel gegen den verstorbenen Ehemann die Vollstreckungsklausel gegen den haftenden Erben zu erteilen, nicht nur - wie das Beschwerdegericht ausführt - unbeanstandet gelassen (vgl. Senatsurteil BGHZ 146, 114, 115), sondern in einer früheren Entscheidung bereits ausdrücklich gebilligt, indem er ausgeführt hat, es unterliege keinem rechtlichen Zweifel, daß einem bereits gegen den unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten vorliegenden Titel die Vollstreckungsklausel gegen den nach § 70 EheG haftenden Erben erteilt werden kann. Zugleich hat er erkennen lassen, daß für die mit § 70 Abs. 1 EheG wortgleiche Neuregelung des § 1586 b Abs. 1 Satz 1 BGB nichts anderes gelte (vgl. Senatsurteil vom 14. November 1984 - IVb ZR 49/83 - FamRZ 1985, 164, 165 unter Hinweis auf MünchKomm-BGB/Richter 1. Aufl. § 1586 b Rdn. 5).
Daran hält der Senat fest. Denn die Möglichkeit der Umschreibung des Titels entspricht dem Bestreben des Gesetzgebers, eine dauerhafte Sicherung des unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten über den Tod des Unterhaltspflichtigen hinaus zu schaffen (vgl. Senatsurteil vom 14. November 1984 aaO. S. 165 f.), die andernfalls zumindest vorübergehend in Frage gestellt wäre, wenn erst ein neuer Titel erstritten werden müßte. Zugleich dient die Umschreibung aus den vom Beschwerdegericht und vom OLG Frankfurt aaO S. 69 näher dargelegten Gründen dem Gebot der Prozeßökonomie. Der Gegenmeinung, die ihre rechtlichen Bedenken gegen eine Umschreibung auf fehlende Identität der Ansprüche gegen den Erblasser und gegen den Erben stützt, ist zudem entgegenzuhalten, daß sich die Rechtsnatur der auf den Erben übergegangenen Unterhaltspflicht nicht ändert (Senatsurteile vom 14. November 1984 aaO S. 165 und vom 28. Januar 2004 - XII ZR 259/01 - FamRZ 2004, 614, 615 m. krit. Anm. Büttner FamRZ 2004, 616, 617). Andernfalls hätte das Gesetz in § 1586 b Abs. 1 Satz 1 BGB (und zuvor in § 70 Abs. 1 EheG) nicht von einem "Übergang" der "Unterhaltspflicht" sprechen können. Allenfalls die Höhe der auf den Erben übergehenden Unterhaltspflicht und der Umfang seiner Haftung für sie ändern sich (vgl. Senatsurteil BGHZ 146, 114, 117). Es erscheint auch nicht unbillig, den Erben darauf zu verweisen, dies gegebenenfalls im Wege der Abänderungsklage nach § 323 ZPO oder der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend zu machen, wobei auch ein Vorbehalt der Haftung nach § 780 Abs. 1 ZPO in Betracht kommen kann (vgl. Senatsurteil BGHZ 146, 114, 116 und 117 f.).
2. Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht daraus, daß es sich im vorliegenden Fall bei dem umzuschreibenden Titel um einen gerichtlichen Unterhaltsvergleich handelt, der die Folgen einer vor dem 1. Juli 1977 ausgesprochenen Ehescheidung regelt.
a) Für den Übergang der Unterhaltspflicht auf den Erben steht einem Urteil auf Geschiedenenunterhalt ein (Prozeß-)Vergleich jedenfalls dann gleich, wenn er eine bestehende gesetzliche Unterhaltspflicht nur ausgestaltet und konkretisiert - unselbständige Unterhaltsvereinbarung -. Bei einer selbständigen Unterhaltsvereinbarung wäre hingegen zu prüfen, ob diese auch über den Tod des Verpflichteten hinaus fortgelten sollte (vgl. Palandt/Brudermüller BGB 63. Aufl. § 1586 b Rdn. 9).
Hier liegt indes eine nur unselbständige Unterhaltsvereinbarung vor, da eine selbständige nur anzunehmen ist, wenn besondere Anhaltspunkte dafür sprechen (vgl. Senatsbeschluß vom 23. Januar 1985 - IVb ARZ 63/84 - FamRZ 1985, 367, 368; OLG Bamberg FamRZ 1999, 1278, 1279). Die Unterhaltspflicht des 1963 aus seinem Verschulden geschiedenen Erblassers ergab sich hier aus § 58 Abs. 1 EheG und war von ihm in einem gerichtlichen Vergleich vom 10. Januar 1963, dessen Laufzeit allerdings auf fünf Jahre begrenzt war, in Höhe von 550 DM monatlich ausdrücklich anerkannt worden mit der Maßgabe, daß 1967 der Versuch einer neuen Unterhaltsvereinbarung unternommen werden sollte. Durch den Vergleich vom 24. Juli 1980 kam eine solche Vereinbarung zustande, ohne daß ersichtlich wäre, daß damit nunmehr ein vom gesetzlichen Unterhaltsanspruch völlig gelöster, rein vertraglicher Anspruch begründet werden sollte. Soweit dieser Vergleich eine Abänderung gemäß § 323 BGB ausschloß, stellt dies noch keinen sicheren Anhaltspunkt für eine selbständige Unterhaltsvereinbarung dar (vgl. Senatsurteil vom 26. September 1990 - XII ZR 87/89 - FamRZ 1999, 673, 674).
b) Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob sich der Übergang der Unterhaltspflicht auf den Erben gemäß Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 des 1. EheRG weiterhin nach § 70 EheG richtet, weil die Ehe der Klägerin vor dem 1. Juli 1977 geschieden wurde, oder nach § 1586b BGB, wie das Beschwerdegericht anzunehmen scheint, etwa weil der Unterhaltsvergleich nach diesem Zeitpunkt geschlossen wurde. Für die hier allein zu beurteilende Frage, ob dieser Titel gegen den Erben umzuschreiben ist, ist dies unerheblich, da § 70 Abs. 1 EheG und § 1586 b Abs. 1 Satz 1 BGB den Übergang der Unterhaltspflicht auf den Erben wortgleich regeln.
3. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde schließlich geltend, einer Umschreibung des Titels stehe im vorliegenden Fall jedenfalls entgegen, daß die auf den Antragsgegner als Erben übergegangene Verpflichtung zu nachehelichem Unterhalt zugleich dessen Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Klägerin als seiner Mutter (Elternunterhalt, §§ 1601 ff. BGB) tangiere. Denn die Rechtsnatur der auf ihn als Erben übergegangenen Unterhaltsverpflichtung ändert sich auch nicht dadurch, daß er - möglicherweise - aus einem anderen Rechtsgrund der Gläubigerin zugleich Elternunterhalt schuldet.
Ende der Entscheidung
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