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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.10.2006
Aktenzeichen: XII ZB 49/06
Rechtsgebiete: ZPO, VAHRG
Vorschriften:
ZPO § 233 I | |
ZPO § 234 B | |
VAHRG § 10 a |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 25. Oktober 2006
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 8. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 2006 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 6. März 2006 aufgehoben.
Die Sache wir zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Die Ehe der Parteien wurde durch Verbundurteil vom 30. Januar 1991 rechtskräftig geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt. Der Antragsteller begehrt die Abänderung der damaligen Versorgungsausgleichsentscheidung. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 20. Juni 2005 den Versorgungsausgleich dahin abgeändert, dass es zu Lasten der für den Antragsteller bei der Deutschen Post AG bestehenden Versorgung (nach beamtenrechtlichen Grundsätzen) für die Antragstellerin Anrechte bei der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz in Höhe von nunmehr 1.146,14 DM (statt bisher 438,93 DM) monatlich und bezogen auf den 31. Mai 1990 begründet hat. Der abändernde Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 27. Juni 2005 zugestellt und am 29. Juli 2005 rechtskräftig.
Der Antragsteller macht geltend, die Zustellung und das Zustellungsdatum des Beschlusses seien zwar im Büro seines Verfahrensbevollmächtigten vermerkt und es sei verfügt worden, die Frist für die Einlegung der Beschwerde zu notieren. Tatsächlich sei die Frist jedoch im Fristenkalender nicht notiert worden. Die hierfür zuständige Mitarbeiterin sei seit 1991 im Büro des Verfahrensbevollmächtigten als Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellte beschäftigt und habe den Fristenkalender seit ca. acht Jahren beanstandungsfrei geführt. Die Akte sei nicht dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt vorgelegt, sondern mit dem Posteingang in der Registratur abgehängt worden. Ende August 2005 sei ihm, dem Antragsteller, anlässlich der Auszahlung seiner Pension aufgefallen, dass bei seiner Versorgung ein Abzug erfolgt sei, den er so nicht habe nachvollziehen können. Er habe deshalb am Freitag, den 2. September 2005, bei der Deutschen Post AG Widerspruch eingelegt. Am Montag, den 5. September 2005, habe er seinen Verfahrensbevollmächtigten von der Pensionskürzung unterrichtet. Diesem sei daraufhin die Akte vorgelegt und festgestellt worden, dass der Beschluss des Amtsgerichts vom 20. Juni 2005 in der Akte gelegen habe und nicht an ihn, den Antragsteller, weitergeleitet worden sei.
Mit einem am 19. September 2005 eingegangenen Schriftsatz hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Beschwerde unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 621 Abs. 1 Nr. 6, § 621 e Abs. 3 Satz 2, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist im Übrigen auch zulässig: Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), denn der angefochten Beschluss verletzt den Antragsteller in seinem Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes.
2. Das Rechtsmittel ist auch begründet.
a) Das Oberlandesgericht hat dem Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt, weil jedenfalls die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 Abs. 1 ZPO) nicht gewahrt sei.
Diese Frist beginne mit dem Ablauf des Tages, an dem das Hindernis, das einer Fristwahrung entgegengestanden habe, behoben sei oder das Fortbestehen des Hindernisses jedenfalls nicht mehr als von der Partei unverschuldet angesehen werden könne. Der danach für den Fristbeginn maßgebende Zeitpunkt sei hier nicht erst der 5. September 2005 als der Tag, an dem der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers festgestellt habe, dass der ihm am 27. Juli 2005 zugestellte Beschluss des Amtsgerichts nicht an den Antragsteller weitergeleitet, sondern ohne Notierung der Beschwerdefrist mit der Akte abgelegt worden sei. Vielmehr habe der Antragsteller bereits bei der Auszahlung seiner Rente Ende August bemerkt, dass eine weitergehende, Kürzung erfolgt sei; aufgrund der von ihm beantragten Überprüfung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich habe der Antragssteller deshalb auch erkennen können, dass eine Entscheidung des Gerichts ergangen sei. Gleichwohl habe er mit der Information seines Verfahrensbevollmächtigten bis zum 5. September 2005 zugewartet.
Jedenfalls habe aber der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers, dessen Verschulden dem Antragsteller nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen sei, mit der Stellung des Wiedereinsetzungsantrags nicht bis zum 19. September 2005 zuwarten dürfen, nachdem ihn der Antragsteller am 5. September 2005 auf die bereits Ende August bemerkte Versorgungskürzung hingewiesen und der Verfahrensbevollmächtigte daraufhin am selben Tag festgestellt habe, dass sich der am 27. Juni 2005 zugestellte Beschluss des Amtsgerichts in seiner Akte befunden habe. Auf seine Unkenntnis vom Ablauf der Beschwerdefrist habe sich der Antragsteller bereits Ende August nicht mehr berufen können, als er die Auszahlung der verkürzten Rente bemerkt habe; jedenfalls sei es von diesem Zeitpunkt an nicht mehr unverschuldet gewesen, wenn der Antragsteller vom Ablauf der Beschwerdefrist keine Kenntnis gehabt habe.
b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Zwar mag der Antragsteller - etwa aufgrund der Schriftsätze der Gegenseite vom 27. Januar und 3. März 2005 und der von seinem Verfahrensbevollmächtigten insoweit angekündigten Rücksprache mit ihm - gewusst haben, dass das von ihm eingeleitete Abänderungsverfahren zu seinem Nachteil ausgehen könnte. Allein aus dem von ihm Ende August bemerkten Umstand, dass seine Versorgung nunmehr in weitergehendem Umfang als bisher gekürzt wurde, musste er jedoch nicht notwendig folgern, dass das Familiengericht zwischenzeitlich über die Abänderung des Versorgungsausgleichs tatsächlich zu seinen Ungunsten entschieden hatte und die weitergehende Kürzung auf dieser Entscheidung beruhte, diese ihm jedoch aufgrund eines Fehlers in der Kanzlei seines Verfahrensbevollmächtigten nicht zur Kenntnis gebracht worden war. Für die weitergehende Versorgungskürzung ließen sich vielmehr eine Vielzahl von Ursachen - etwa auch technische Versehen im Bereich des Versorgungsträgers - denken, die für einen juristischen Laien nicht ferner liegen müssten als die Auswirkung des anhängigen Abänderungsverfahrens. Den Antragsteller trifft daher kein Verschulden, wenn er nach Erlangung der Kenntnis von der weitergehenden Versorgungskürzung (Ende August 2005) zunächst (am Freitag, den 2. September 2005) beim Versorgungsträger vorstellig geworden ist und erst danach (am Montag, den 5. September 2005) seinen Verfahrensbevollmächtigten von dieser weitergehenden Kürzung unterrichtet hat. Erst mit der Aufklärung des der Kürzung zugrunde liegenden Sachverhalts durch den Verfahrensbevollmächtigten war das Hindernis rechtzeitiger Kenntnisnahme vom Ablauf der Beschwerdefrist behoben; eine verschuldete Unkenntnis des Antragstellers vom Fristablauf lag - unbeschadet der Frage eines ihm zuzurechnenden Verschuldens seines Verfahrensbevollmächtigten im Zusammenhang mit der unterbliebenen Fristennotierung - vorher nicht vor.
War der Antragsteller - mangels Kenntnis der ihm nachteiligen Entscheidung des Amtsgerichts - bis zum 5. September 2005 ohne sein Verschulden gehindert, die zweiwöchige Beschwerdefrist einzuhalten, so begann die Wiedereinsetzungsfrist erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen. Auch der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers durfte deshalb diese dem Antragsteller eröffnete Frist ausschöpfen. Mit dem von ihm am 19. September 2005 eingelegten Rechtsmittel sowie dem Wiedereinsetzungsgesuch war deshalb die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO gewahrt.
3. Die angefochtene Entscheidung kann deshalb mit der gegebenen Begründung nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache nicht selbst abschließend zu entscheiden. Vielmehr wird das Oberlandesgericht unter Zugrundelegung des übrigen Tatsachenvortrags des Antragstellers zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben sind. Die Sache war deshalb an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
Ende der Entscheidung
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