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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.04.2001
Aktenzeichen: XII ZB 51/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 519 b Abs. 2
ZPO § 233
ZPO § 234 Abs. 1
ZPO § 139
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 51/01

vom

4. April 2001

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. April 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Gerber, Sprick und Weber-Monecke

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 16. Januar 2001 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Wert: 36.000 DM.

Gründe:

I.

Durch Urteil des Landgerichts vom 18. August 2000 wurde die gegen die Beklagten erhobene Klage der Kläger auf Räumung und Herausgabe eines gepachteten Anwesens mit Zubehör abgewiesen. Gegen das ihnen zu Händen ihres Prozeßbevollmächtigten am 28. August 2000 zugestellte Urteil legten die Kläger am 22. September 2000 Berufung ein. Am 20. Oktober 2000 beantragten sie eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, die ihnen bis zum 23. November 2000 gewährt wurde.

Mit Schriftsatz vom 28. November 2000, bei Gericht eingegangen am 7. Dezember 2000, begründeten die Kläger die Berufung und beantragten zugleich, ihnen wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs trugen sie - unter Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung der Angestellten ihres Prozeßbevollmächtigten, Andrea G. - vor: Frau G. habe sich am 23. Oktober 2000 telefonisch bei dem Oberlandesgericht erkundigt, ob die Fristverlängerung gewährt worden sei, und habe einen positiven Bescheid erhalten. Ihr Prozeßbevollmächtigter, Rechtsanwalt V., habe Frau G. dann angewiesen, eine Vorfrist im Fristenkalender zu notieren und nach Eingang der angekündigten schriftlichen Bestätigung des Oberlandesgerichts ihm diese mit der Handakte vorzulegen. Das sei bei Eingang der Bestätigung des Berufungsgerichts am 30. Oktober 2000 geschehen. Rechtsanwalt V. habe den Vorgang an diesem Tag mit Frau G. besprochen und sie angewiesen, sowohl eine Vorfrist als auch den tatsächlichen Fristablauf einzutragen. Bei der daraufhin vorgenommenen Fristeintragung habe Frau G. versehentlich die Ablauffrist nicht auf den 23. November 2000, sondern auf den 28. November 2000 vermerkt. Als die Akte im Zuge der vermeintlich ablaufenden Begründungsfrist am 28. November 2000 vorgelegt worden sei, sei der Fehler bemerkt worden. Frau G. sei eine geschulte und zuverlässige Kraft, die den Fristenkalender, wie regelmäßige Kontrollen durch Rechtsanwalt V. ergeben hätten, seit mehr als drei Jahren sorgfältig und bisher fehlerlos geführt habe.

Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Kläger als unzulässig verworfen. Es hat ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten der Kläger an der eingetretenen Fristversäumung - in der Form eines Organisationsverschuldens - als nicht ausgeräumt angesehen und dazu im wesentlichen ausgeführt: Weder der Vortrag der Kläger noch die eidesstattliche Versicherung der Angestellten G. gäben Aufschluß darüber, unter welchem Datum eine Vorfrist der Weisung des Prozeßbevollmächtigten entsprechend einzutragen gewesen, und warum eine Vorlage der Handakte zur Vorfrist unterblieben sei. Da zu diesen beiden maßgeblichen Punkten Vortrag fehle, lasse sich nicht ausschließen, daß die Frist zur Begründung der Berufung wegen einer nicht eindeutigen Anweisung des Rechtsanwalts oder wegen eines Mangels in der Büroorganisation schuldhaft versäumt worden sei. Bei Eintragung einer Vorfrist, die notwendigerweise vor dem 23. November 2000 gelegen hätte, hätte nämlich die fehlerhafte Notierung des Ablaufs der Begründungsfrist noch vor dem 23. November 2000 festgestellt und die Frist gewahrt werden können.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die sofortige Beschwerde der Kläger, die nunmehr vortragen: Die Vorfrist sei von der Angestellten G. auf den 21. November 2000 eingetragen worden. An diesem Tag habe Frau G. die Akte dem Prozeßbevollmächtigten vorgelegt. Da an dem Tag ein Schriftsatz des Gegners eingegangen sei, habe Frau G. die Akte aus dem Zimmer von Rechtsanwalt V. zur Bearbeitung des Posteingangs in das Sekretariat geholt. Dabei habe Rechtsanwalt V. sie angewiesen, ihm den Vorgang unverzüglich nach Erledigung des Posteingangs wieder vorzulegen. Das habe Frau G. versehentlich unterlassen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nach § 519 b Abs. 2 ZPO statthaft und auch sonst zulässig (§§ 238 Abs. 2, 547 ZPO). Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Kläger zu Recht als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der bis zum 23. November 2000 verlängerten Frist begründet worden ist (§§ 519 Abs. 2, 519 b Abs. 1 ZPO).

Den Antrag der Kläger, ihnen wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, hat das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei zurückgewiesen.

Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Partei ohne eigenes oder ihr zuzurechendes Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) an der Einhaltung einer Frist gehindert war. Dabei müssen alle Umstände, die für die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zu der Versäumung einer Frist gekommen ist, grundsätzlich innerhalb der Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 ZPO dargelegt und ggf. glaubhaft gemacht werden (§ 236 Abs. 2 ZPO; ständige Rechtsprechung vgl. Senatsbeschluß vom 27. September 1989 - IVb ZB 73/89 = BGHR ZPO § 234 Abs. 1 Begründung 2 m.w.N.).

Nach dem Vortrag in dem Wiedereinsetzungsgesuch der Kläger vom 28. November 2000 war ein ihnen zuzurechendes Organisationsverschulden ihres Prozeßbevollmächtigten, wie das Oberlandesgericht in dem angefochtenen Beschluß zutreffend dargelegt hat, nicht ausgeschlossen. Denn es war nicht dargetan, welche Anweisungen hinsichtlich des Zeitpunkts für die Notierung einer Vorfrist und für die Behandlung des Vorgangs am Vorfristtag in der Kanzlei - allgemein oder für den konkreten Fall - bestanden (vgl. dazu BGH Beschluß vom 9. Juni 1994 - I ZB 5/94 = BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 38).

Die Ausführungen in der Begründung der sofortigen Beschwerde, mit denen die Kläger zu diesem Punkt neuen Vortrag nachholen, können nicht mehr berücksichtigt werden, da sie entgegen § 234 Abs. 1 ZPO nicht rechtzeitig in das Verfahren eingeführt worden sind. Ein Nachschieben von Gründen nach Ablauf der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO ist unzulässig. Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, dürfen nach Fristablauf noch erläutert oder vervollständigt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluß vom 20. Mai 1992 - XII ZB 43/92 = BGHR ZPO § 234 Abs. 1 Begründung 6 m.w.N.). In diesem Rahmen hält sich das Vorbringen der sofortigen Beschwerde jedoch nicht. Es schiebt vielmehr einen neuen Vortrag sowohl über organisatorische Anweisungen in der Kanzlei (Zeitpunkt der Vorfristnotierung) als auch über eine konkrete Anordnung des Prozeßbevollmächtigten (sofortige Wiedervorlage des Vorgangs noch am Vorfristtag) nach, auf deren Außerachtlassung das Oberlandesgericht die Versagung der beantragten Wiedereinsetzung gestützt hat (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 27. September 1989 aaO). Für eine solche wesentliche Änderung des Sachvortrags nach Ablauf der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO läßt das Gesetz keinen Raum (vgl. BGH Beschluß vom 28. Februar 1991 - IX ZB 95/90 = BGHR ZPO § 234 Abs. 1 Begründung 4 m.w.N.).

Soweit die Kläger mit der sofortigen Beschwerde geltend machen, das Oberlandesgericht hätte vor Erlaß des Verwerfungsbeschlusses einen richterlichen Hinweis zur notwendigen Präzisierung ihres Vortrags erteilen müssen, trifft das nicht zu. Nachdem die Kläger in der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs auf die Eintragung einer Vorfrist hingewiesen hatten, ohne dabei einen Grund für eine - unverschuldete - Fristversäumung aus Anlaß der Vorfristvorlage anzudeuten, bestand für das Berufungsgericht kein Anlaß, auf eine Ergänzung des Vortrags zur Handhabung der Vorfristen in der Kanzlei von Rechtsanwalt V. im allgemeinen und in dem hier vorliegenden Fall im besonderen hinzuweisen.



Ende der Entscheidung

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