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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.07.1999
Aktenzeichen: XII ZB 62/99
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 62/99

vom

14. Juli 1999

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juli 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Hahne, Gerber und Weber-Monecke

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des 11. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 1. März 1999 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 8.000 DM

Gründe:

I.

Gegen das am 10. Juli 1998 zugestellte Urteil legte die Klägerin rechtzeitig am 10. August 1998 Berufung ein. Am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist, dem 10. September, stellte sie Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12. Oktober 1998, die ihr nachträglich, am 16. Oktober 1998, gewährt wurde. Die Verfügung wurde ihr am 22. Oktober 1998 zugestellt. Am 2. November 1998 kam ihre Berufungsbegründung, verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag, bei Gericht ein.

Das Oberlandesgericht hat die Wiedereinsetzung versagt und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die rechtzeitige sofortige Beschwerde der Klägerin.

II.

Die sofortige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Nach dem Vorbringen der Klägerin besteht im Büro ihrer Prozeßbevollmächtigten die Übung, zugleich mit dem Fristverlängerungsantrag zunächst eine Wiedervorlagefrist von einer Woche zu notieren, um zu prüfen, ob der Verlängerungsantrag bei Gericht eingegangen und der Verlängerung stattgegeben wurde. Ist die beantragte Fristverlängerung zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewilligt, soll eine erneute Wiedervorlagefrist innerhalb des beantragten Verlängerungszeitraums eingetragen werden. Liegt bis zum Ablauf des beantragten Verlängerungszeitpunktes noch keine Verlängerungsverfügung vor, soll aufgrund einer auf diesen Tag notierten Wiedervorlagefrist bei der Geschäftsstelle des Gerichts nachgefragt werden. Dagegen wird der beantragte Verlängerungszeitpunkt erst dann als Frist für die Berufungsbegründung im Kalender vermerkt, wenn die Verlängerung vom Gericht tatsächlich bewilligt wurde.

Dementsprechend habe die Büroangestellte N. am 10. September 1998, als die Fristverlängerung beantragt wurde, eine Wiedervorlage auf den 14. September notiert. Sie habe es jedoch dann versäumt, eine weitere Wiedervorlage innerhalb des beantragten Verlängerungszeitraumes einzutragen.

Das Oberlandesgericht sieht die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zwar insoweit als exculpiert an, als deren Büroangestellte es übersehen habe, eine vor Ablauf der bis zum 12. Oktober beantragten Verlängerung liegende Wiedervorlagefrist zu notieren. Das Fristversäumnis sei aber durch mangelnde Organisation mitverursacht worden, weil der Ablauf der beantragten Fristverlängerung nicht eingetragen worden sei. Zwar dürfe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die erbetene Fristverlängerung erst nach deren Bewilligung im Kalender eingetragen werden. Davon sei aber eine Ausnahme zu machen, wenn die Begründungsfrist am Tag des Verlängerungsantrages ablaufe und auf dessen Bewilligung vertraut werden könne. Nur so sei sicherzustellen, daß die Berufungsbegründung noch innerhalb der erbetenen Fristverlängerung gefertigt werde.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts hält zwar nicht in der Begründung, aber im Ergebnis einer Überprüfung stand.

1. Für die Kontrolle von Fristen bei Fristverlängerungsanträgen gelten grundsätzlich entsprechende Voraussetzungen, wie sie auch für die unmittelbare Fristenkontrolle von Berufung und Berufungsbegründung selbst bestehen (vgl. Musielak/Grandel ZPO § 233 Rdn. 28). Dort wird verlangt, daß das mutmaßliche Ende einer Berufungsbegründungsfrist bei oder alsbald nach Einreichung einer Berufungsschrift im Fristenkalender eingetragen wird. Dieser Vermerk muß aber später anhand der gerichtlichen Eingangsbestätigung überprüft werden, damit sichergestellt ist, daß keine hypothetische, sondern die wirkliche Frist eingetragen wird (BGH, Beschluß vom 26. März 1996 - X ZB 2/96 - VersR 1996, 1561 f.; vom 13. Juni 1996 - VII ZB 7/96 - BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 49; Urteil vom 19. November 1976 - IV ZR 36/76 - VersR 1977, 332 ff.). Denn die Eintragung nur vorläufig berechneter bzw. hypothetischer Fristen birgt eine Gefahrenquelle, da sie leicht darüber hinweg täuschen kann, daß das wirkliche Fristende auf einen anderen Tag als angenommen fällt.

In entsprechender Weise muß auch die beantragte Fristverlängerung vermerkt werden. Das darf allerdings nicht in der Weise geschehen, daß schon mit der Antragstellung der Endpunkt der Frist so im Kalender eingetragen wird, daß dies den Irrtum erwecken kann, die Fristverlängerung sei bereits bis zu diesem Zeitpunkt bewilligt worden. Denn auch hierbei handelt es sich zunächst um eine hypothetische Frist, da der Vorsitzende die Frist auch auf einen kürzeren Zeitraum als beantragt bewilligen kann. Vielmehr ist der Eintrag des endgültigen Fristablaufs erst dann zulässig, wenn die Verlängerung tatsächlich gewährt worden ist (BGH, Beschluß vom 25. Januar 1984 - IVa ZB 11/83 - VersR 1984, 336 f.). Das gilt ohne Unterschied, gleichgültig, ob die Fristverlängerung erst am Tag des Ablaufs der regulären Begründungsfrist oder schon einige Tage zuvor beantragt wird. In jedem Fall ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß vor dem beantragten Fristablauf das wirkliche Ende der Frist - gegebenenfalls durch Rückfrage bei Gericht - festgestellt wird.

Die hierfür erforderlichen organisatorischen Anordnungen waren indes entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts gegeben, so daß dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin insoweit kein Organisationsverschulden vorzuwerfen ist. Denn es bestand im Büro nicht nur die Anweisung, bereits bei Stellung des Fristverlängerungsantrages eine Wiedervorlagefrist zwecks Überprüfung der Bewilligung der Verlängerung einzutragen sowie eine erneute Wiedervorlage zu vermerken, wenn die Verlängerung dann noch nicht bewilligt sein sollte. Vielmehr war darüber hinaus auch angeordnet, eine Wiedervorlage auf den Tag des beantragten Fristablaufes zu notieren, an dem notfalls nochmals bei Gericht nachgefragt werden sollte, wenn bis dahin immer noch keine Verlängerungsverfügung vorliegen sollte. Das kommt dem Erfordernis der Notierung des mutmaßlichen Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist und der Überprüfung durch Nachfrage bei Gericht, wie oben geschildert, gleich. Auch soweit die Büroangestellte N. diese weiteren Anordnungen mißachtet hat, kann sich daher der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin exculpieren. Es kommt daher auch nicht darauf an, daß das Oberlandesgericht durch die verspätete Bewilligung des Fristablaufs zur Unsicherheit über die Fristberechnung beitrug.

2. Dennoch verhilft dies der sofortigen Beschwerde nicht zum Erfolg.

Es ist nicht vorgetragen, daß für die - innerhalb der Verlängerung zu fertigende - Berufungsbegründung die Eintragung einer Vorfrist verfügt war (vgl. Urteil vom 19. November 1976 aaO S. 333). Dies ist ebenso wie bei der regulären Berufungsbegründungsfrist erforderlich, um insbesondere bei längeren oder komplizierten Sachverhalten eine rechtzeitige Abfassung der Berufungsbegründung zu gewährleisten. Denn der Prozeßbevollmächtigte muß durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge tragen, daß die Berufungsbegründung innerhalb der von ihm selbst beantragten Fristverlängerung fertiggestellt werden kann. Die auf das Ende des beantragten Verlängerungszeitraumes vorgesehene Wiedervorlage reicht hierzu nicht aus, da weder sicher ist, daß die Berufungsbegründung an diesem Tag noch fertiggestellt werden kann, noch der Rechtsanwalt auf eine zweite Fristverlängerung vertrauen kann. Aber auch die früheren Wiedervorlagen sind dazu nicht geeignet, weil sie ersichtlich nur der Kontrolle dienen sollten, ob die Verlängerung vom Gericht tatsächlich bewilligt wurde.

Dieser Mangel war auch ursächlich. Denn wäre etwa eine Woche vor Ablauf der beantragten Verlängerung eine Vorfrist zur Fertigung der Berufungsbegründung eingetragen worden, wäre die Akte dem Rechtsanwalt rechtzeitig vorgelegt worden und dieser hätte die Berufung innerhalb der beantragten Verlängerungsfrist begründen können. Daher hat das Oberlandesgericht im Ergebnis zu Recht die Wiedereinsetzung versagt und die Berufung als unzulässig verworfen.

Ende der Entscheidung

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