Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.05.2005
Aktenzeichen: XII ZB 63/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 511 Abs. 3
ZPO § 570 Abs. 3
ZPO § 570 Abs. 3 2. Halbs.
ZPO § 570 Abs. 3 1. Halbs.
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 574 Abs. 2
ZPO § 575 Abs. 5
ZPO § 719 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 63/05

vom 11. Mai 2005

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluß des 1. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 31. März 2005 und aus dem zugrunde liegenden Teilurteil des Amtsgerichts Langen vom 2. August 2004 einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Kindesunterhalt in Anspruch genommene Beklagte wurde durch Teilurteil des Amtsgerichts verurteilt, der Klägerin über die Höhe der von seinem Arbeitgeber gezahlten Abfindung Auskunft zu erteilen und diese durch Vorlage des Abfindungsvertrages zu belegen.

Dagegen legte der Beklagte Berufung ein und beantragte zugleich, die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils bis zur Entscheidung über diesen Antrag auszusetzen. Daraufhin stellte das Berufungsgericht die Zwangsvollstreckung bis zur Entscheidung über die Berufung ohne Sicherheitsleistung einstweilen ein, nachdem die Klägerin bereits beantragt hatte, gegen den Beklagten ein Zwangsgeld nicht unter 1.000 € festzusetzen.

Das Berufungsgericht setzte den Berufungswert auf 100 € fest und verwarf die Berufung durch Beschluß als unzulässig (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Gegen diesen Beschluß legte der Beklagte Rechtsbeschwerde ein.

Er beantragt nunmehr innerhalb noch offener (verlängerter) Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde, die Zwangsvollstreckung in entsprechender Anwendung des § 719 Abs. 2 ZPO erneut einstweilen einzustellen.

II.

Der Antrag, den der Senat als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der erstinstanzlichen Entscheidung auslegt, ist als solcher zulässig, aber unbegründet.

1. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist dem Beschwerdeführer gemäß §§ 575 Abs. 5, 570 Abs. 3 ZPO die Möglichkeit eröffnet, um Aussetzung der Vollziehung der erstinstanzlichen Entscheidung nachzusuchen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist nicht darauf beschränkt, die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung gemäß § 570 Abs. 3 2. Halbs. ZPO auszusetzen. Es kann vielmehr im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 570 Abs. 3 1. Halbs. ZPO auch die Vollziehung der Entscheidung der ersten Instanz aussetzen (vgl. BGH, Beschluß vom 21. März 2002 - IX ZB 48/02 - NJW 2002, 1658).

2. Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die dem Gläubiger durch den Aufschub der Vollstreckung drohenden Nachteile gegeneinander abzuwägen (vgl. BGH, Beschluß vom 21. März 2002 aaO).

Der Beklagte erstrebt die einstweilige Anordnung bereits während noch offener Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde. Er muß es deshalb hinnehmen, daß der Senat ohne eine nähere Begründung weder überwiegende Gründe für die Aussetzung der Vollziehung noch eine Erfolgsaussicht des Rechtsbeschwerdeverfahrens feststellen kann (vgl. BGH, Beschluß vom 21. März 2002 aaO).

Erfolgsaussicht kommt der Rechtsbeschwerde nur zu, wenn sie zumindest zulässig erscheint. Das setzt nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 ZPO voraus, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das ist hier nicht der Fall.

a) Es kommt nicht darauf an, ob das Amtsgericht den Beklagten zu Recht verurteilt hat, Auskunft über die Höhe seiner Abfindung zu erteilen und diese durch Vorlage des Abfindungsvertrages zu belegen. Unerheblich ist auch, ob dem Auskunftsanspruch schon dem Grunde nach die vom Beklagten mit seinem Arbeitgeber vereinbarte Geheimhaltung des Abfindungsvertrages oder der Umstand entgegensteht, daß die Abfindung für Unterhaltszwecke nicht mehr zur Verfügung steht, weil sie zur Ablösung von Verbindlichkeiten verbraucht wurde, wie der Beklagte mit der Berufungsbegründung geltend gemacht hatte.

Zur Überprüfung im Rahmen der Rechtsbeschwerde steht nämlich allein die Auffassung des Berufungsgerichts, die Berufung sei unzulässig, weil die Beschwer des Beklagten 600 € nicht übersteige. Für die Höhe dieser Beschwer ist ohne Belang, ob die Verurteilung zu Recht erfolgte oder nicht, und ob überhaupt ein (hier: über den bereits titulierten Unterhalt hinausgehender) Unterhaltsanspruch besteht (vgl. BGH, Senatsbeschluß vom 6. Mai 1998 - XII ZR 33/98 - FamRZ 1998, 1577 f.).

b) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß es für den Wert des Beschwerdegegenstandes ausschließlich auf das Abwehrinteresse des Beklagten ankommt, die Auskunft, zu der er verurteilt wurde, nicht erteilen zu müssen. Der Wert der Beschwer richte sich daher nicht nach dem Wert des Auskunftsanspruchs, sondern bemesse sich allein nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, die die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordere, sowie nach einem etwaigen Geheimhaltungsinteresse des Verurteilten. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, Beschluß vom 24. November 1994 - GSZ 1/94 - FamRZ 1995, 349, 351).

Den Zeit- und Kostenaufwand für die Erteilung der Auskunft über die Höhe der Abfindung und die Anfertigung einer Kopie des Abfindungsvertrages hat das Berufungsgericht mit 100 € bemessen. Das läßt Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten nicht erkennen.

c) Auch soweit das Berufungsgericht das vom Beklagten geltend gemachte Geheimhaltungsinteresse nicht als werterhöhend berücksichtigt hat, steht dies zumindest im Ergebnis im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, so daß die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde damit nicht begründet werden kann.

aa) Zwar kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Einzelfall ein Geheimhaltungsinteresse der zur Auskunft verurteilten Partei für die Bemessung des Rechtsmittelinteresses erheblich sein. Insoweit muß die verurteilte Partei dem Beschwerdegericht aber nach § 511 Abs. 3 ZPO (§ 511 a Abs. 1 ZPO a.F.) substantiiert darlegen und erforderlichenfalls glaubhaft machen, daß ihr durch die Erteilung der Auskunft ein konkreter Nachteil droht (BGH, Beschluß vom 10. Juni 1999 - VII ZB 17/98 - NJW 1999, 3049; Senatsbeschluß vom 23. April 1997 - XII ZB 50/97 - NJW-RR 1997, 1089).

bb) Hier hat der Beklagte zwar geltend gemacht, eine Verletzung seiner im Abfindungsvertrag vereinbarten Pflicht zur Verschwiegenheit - auch über die Höhe der gewährten Abfindung - führe dazu, daß er diese zurückzahlen müsse. Dies ist indes nicht hinreichend glaubhaft gemacht, da es in der von ihm (allein) vorgelegten Ziffer 9 des Abfindungsvertrages lediglich heißt, für den Fall der Zuwiderhandlung behalte sich der Arbeitgeber die Einleitung rechtlicher Schritte vor.

Ein besonderes Interesse des Auskunftspflichtigen, bestimmte Tatsachen vor dem Gegner geheimzuhalten, muß im Einzelfall konkret dargelegt werden. Dazu gehört auch, daß gerade in der Person des Auskunftbegehrenden die Gefahr begründet sein muß, dieser werde von ihm offenbarten Tatsachen über den Rechtsstreit hinaus in einer Weise Gebrauch machen, die schützenswerte wirtschaftliche Interessen des zur Auskunft Verpflichteten gefährden könne (vgl. BGH, Beschluß vom 8. Dezember 1993 - IV ZB 14/93 - veröffentlicht bei JURIS). Das ist hier nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

Vor allem aber ist der Umstand, daß der Beklagte sich bei Offenlegung der ihm gewährten Abfindung seinem Arbeitgeber gegenüber haft- oder schadensersatzpflichtig machen könnte, bei der Bemessung der Beschwer nicht zu berücksichtigen. Denn Drittbeziehungen führen nicht zu einem unmittelbar aus der Verurteilung zur Auskunft fließenden rechtlichen Nachteil und haben deshalb als reine Fernwirkung nicht nur für den Streitgegenstand und die daran zu orientierende Bemessung des Streitwerts, sondern gleichermaßen für die Beschwer außer Betracht zu bleiben. Aus einem Haftungsrisiko gegenüber einem am Auskunftsverfahren nicht beteiligten Dritten kann ein schützenswertes wirtschaftliches Interesse an einer Geheimhaltung gegenüber dem die Auskunft Begehrenden nämlich nicht hergeleitet werden (vgl. BGH Urteil vom 4. Juli 1997 - V ZR 208/96 - NJW 1997, 3246).

Ende der Entscheidung

Zurück