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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.12.2002
Aktenzeichen: XII ZB 66/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2
ZPO § 574 Abs. 2
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 66/02

vom 4. Dezember 2002

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Dezember 2002 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Fuchs und Dr. Ahlt

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 26. Zivilsenats - zugleich Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 27. März 2002 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: 8.126 €.

Gründe:

I.

Mit Urteil des Amtsgerichts München - Familiengericht - vom 19. Dezember 2001 wurde die Ehe der Parteien geschieden. Das Urteil wurde der Beklagten zu Händen ihrer Prozeßbevollmächtigten Dr. R., einer in Österreich niedergelassenen Rechtsanwältin, am 23. Januar 2002 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 6. Februar 2002, dort eingegangen am 13. Februar 2002, legte diese für die Beklagte Berufung zum Landgericht München I ein und begründete sie mit Schriftsatz vom 26. Februar 2002. Das Landgericht leitete die Schriftsätze an das Oberlandesgericht München weiter. Die Berufung ging dort am 19. Februar 2002 ein, was der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom 19. Februar mitgeteilt wurde. Mit Verfügung vom 22. Februar 2002, an die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten abgesandt mit Schreiben vom 25. Februar 2002, dem letzten Tag der Berufungsfrist, wies das Oberlandesgericht die Prozeßbevollmächtigte auf Bedenken gegen ihre Postulationsfähigkeit hin und forderte sie auf, sich zu ihrer Zulassung beim Oberlandesgericht zu äußern.

Mit Schriftsatz ihrer neuen Prozeßbevollmächtigten vom 5. März 2002 hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung zugleich begründet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ihre Prozeßbevollmächtigte erster Instanz sei beim Oberlandesgericht nicht zugelassen. Unabhängig von deren Verschulden sei wegen eines mitursächlichen Fehlverhaltens der Gerichte Wiedereinsetzung zu gewähren. Bereits das Landgericht habe Anfang Februar 2002 die offensichtlich falsche Adressierung der Berufung erkennen können, habe aber keinen rechtzeitigen Hinweis erteilt. Entsprechendes gelte für das Oberlandesgericht mit Blick auf die fehlende Postulationsfähigkeit der Anwältin Dr. R..

Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Es hat darauf hingewiesen, daß kein für die Versäumung der Berufungsfrist mitursächliches Fehlverhalten des Gerichts vorliege. Entscheidend sei, daß die Berufung von einem nicht postulationsfähigen Anwalt eingelegt worden sei. Der Senat sei nicht gehalten gewesen, einer drohenden Fristversäumung entgegenzuwirken. Ein offensichtlich sich aufdrängendes Versehen der Kanzlei Dr. R. liege nicht vor. Rechtsanwältin Dr. R. sei ausweislich ihres Briefkopfes auch zur Vertretung in Deutschland zugelassen.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde, deren Zulässigkeit sie wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für gegeben erachtet. Sie macht geltend, der mit der Sache befaßte Richter habe am Freitag, den 22. Februar 2002 verfügt, ihre Prozeßbevollmächtigte auf die möglicherweise fehlende Postulationsfähigkeit hinzuweisen. Das Schreiben sei am Montag, den 25. Februar 2002, an die Prozeßbevollmächtigte abgesandt worden. Das Gericht hätte den Fristablauf vermeiden können, wenn es den Hinweis durch Telefax übermittelt hätte. Wegen des Rechts auf ein faires Verfahren sei es geboten gewesen, noch am Freitag telefonisch vorab zu informieren. Die Entscheidung des Berufungsgerichts weiche von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft (vgl. BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02 - NJW 2002, 3029 f.). Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.

1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 aaO). Das ist hier nicht der Fall. Die Frage, ob das Berufungsgericht verpflichtet ist, durch Maßnahmen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes die Versäumnis einer Partei auszugleichen, ist nicht entscheidungserheblich; eine Pflicht des Gerichts, die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten auf die fehlende Postulationsfähigkeit hinzuweisen, bestand nämlich im vorliegenden Fall nicht. Der Beklagten wurde mit Schreiben vom 19. Februar 2002 noch vor Ablauf der Berufungsfrist mitgeteilt, daß das Landgericht die Berufung dem Oberlandesgericht vorgelegt habe. Das folgt aus dem Wiedereinsetzungsgesuch, mit dem die Beklagte gerügt hat, daß im Schreiben vom 19. Februar 2002 an die Kanzlei Dr. R. kein Hinweis auf den offensichtlichen Irrtum enthalten gewesen sei, sondern erst im Schreiben vom 25. Februar 2002, das nach Ablauf der Berufungsfrist eingegangen sei. Hat die Beklagte aber das Schreiben vom 19. Februar während laufender Berufungsfrist erhalten, dann war es ihre Pflicht zu überprüfen, ob sie am Oberlandesgericht postulationsfähig war. Es ist Grundvoraussetzung für eine ordnungsgemäße anwaltliche Tätigkeit, daß sich der Bevollmächtigte jederzeit sichere Gewißheit darüber verschafft, ob er für seinen Mandanten bei dem angerufenen Gericht anwaltlich tätig sein darf (BGH, Urteil vom 6. Oktober 1992 - VI ZB 20/92 - VersR 1993, 124, 125). Das Übersehen der mangelnden Postulationsfähigkeit begründet regelmäßig ein Anwaltsverschulden (BGH, Beschluß vom 18. Mai 1982 - VI ZB 1/82 - VersR 1982, 848, 849). Für den dienstleistenden Rechtsanwalt ergeben sich insoweit keine Abweichungen.

2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO) erforderlich. Bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde nur dann zulässig, wenn nach den Darlegungen des Beschwerdeführers ein Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zu tage tritt, also offenkundig ist (BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 aaO) und die Entscheidung hierauf beruht. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Art und Gewicht eines Rechtsfehlers nämlich nur dann Bedeutung erlangen, wenn sie geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung im Ganzen zu beschädigen (BGH aaO unter Hinweis auf BT-Drucks. 14/4722 S. 104). Die Rechtsbeschwerde zeigt jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine offenkundige Verletzung von Verfahrensgrundrechten auf.



Ende der Entscheidung

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