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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.01.1999
Aktenzeichen: XII ZB 79/98
Rechtsgebiete: ZPO, FGG


Vorschriften:

ZPO § 621 e Abs. 2 Satz 2
FGG § 53 d Satz 2
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 79/98

vom

27. Januar 1999

in der Familiensache

ZPO § 621 e Abs. 2 Satz 2 FGG § 53 d Satz 2

Zur Anfechtbarkeit einer - isolierten - familiengerichtlichen Entscheidung, durch die die Genehmigung einer Vereinbarung über die Zahlung eines Abfindungsbetrages zum Ausgleich privater betrieblicher Versorgungsanrechte versagt wurde.

BGH, Beschluß vom 27. Januar 1999 - XII ZB 79/98 - KG Berlin AG Pankow-Weißensee


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Zysk, Dr. Hahne und Gerber

beschlossen:

Auf die weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des 16. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen vom 29. Mai 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde, an das Kammergericht zurückverwiesen. Wert: 11.095 DM.

Gründe:

I.

Die Parteien haben am 14. Februar 1986 die Ehe geschlossen, aus der zwei in den Jahren 1987 und 1988 geborene Kinder hervorgegangen sind. Seit 1992 lebten die Eheleute getrennt. Am 30. November 1995 wurde dem Ehemann (Antragsgegner) der Scheidungsantrag der Ehefrau (Antragstellerin) zugestellt.

Beide Ehegatten haben in der Ehezeit (1. Februar 1986 bis 31. Oktober 1995, § 1587 Abs. 2 BGB) Versorgungsanwartschaften erworben. Die Ehefrau übte neben der Betreuung der Kinder eine Halbtagstätigkeit aus und erlangte daraus Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) in Höhe von monatlich ehezeitlich 150,16 DM sowie eine weitere ausgleichsdynamische Anwartschaft, der Entgeltpunkte (Ost) zugrundeliegen, in Höhe von monatlich 37,74 DM. Der Ehemann machte sich im April 1986 selbständig und arbeitete seither als freier Versicherungsvertreter (Generalvertreter) für die Allianz Versicherungs-Gesellschaften. Er erwarb aus dieser Tätigkeit jeweils bei Ehezeitende unverfallbare Anwartschaften auf eine Betriebsrente einerseits - aufgrund Einzelvertrages - gegenüber der Allianz Versicherungs AG und andererseits - auf der Grundlage der entsprechenden Satzung - gegenüber der Allianz-Versorgungskasse VVaG. Aus der ausgelaufenen abhängigen Tätigkeit des Ehemannes entfiel auf die Ehezeit eine Rentenanwartschaft bei der BfA in Höhe von monatlich 14,14 DM.

Mit dem Scheidungsantrag reichte die Ehefrau einen notariellen Vergleich vom 14. Juni 1995 zu den Akten, in dem die Parteien die Scheidungsfolgen geregelt und dabei unter Nr. 6 vereinbart hatten:

Hinsichtlich des Versorgungsausgleiches verzichten wir wechselseitig auf die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleiches.

Der Erschienene zu 2 hat innerhalb der Ehe nur für zwei Monate Anwartschaften bei einem öffentlichen Versorgungsträger erworben, da er seit 1. April 1986 (sechs Wochen nach Eheschließung) selbständig ist und Beiträge an ein Versorgungswerk der Allianz-Versicherung entrichtet werden. Die Erschienene zu 1 hat neben ihrer Hausfrauentätigkeit gearbeitet; es erschiene daher unbillig, wenn dem Erschienenen zu 2 deswegen Ausgleichsansprüche zustünden.

Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich betreffend die Anwartschaften des Ehemannes aus dem Versorgungswerk soll jedoch durchgeführt werden, und zwar dergestalt, daß der Erschienenen zu 1 ein Anspruch auf eine mit Rechtskraft der Ehescheidung fällige Abfindungszahlung zustehen soll, die dem Betrag entspricht, den die Erschienene zu 1 benötigt, um Rentenanwartschaften für sich zu begründen, die der Höhe nach 50 % der Anwartschaften entsprechen, die der Ehemann im Rahmen des Versorgungswerkes während der Ehezeit erworben hat. Alternativ soll der Erschienene zu 2 berechtigt sein - sofern rechtlich möglich - die Hälfte seiner in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften bei dem Versorgungswerk an die Ehefrau abzutreten.

Den Parteien ist bekannt, daß diese Vereinbarung der Genehmigung des Gerichts bedarf und diese vom Gericht voraussichtlich erst erteilt wird, wenn die Auskünfte sämtlicher Versorgungsträger vorliegen und eine Einigung über den angemessenen Ausgleichsbetrag bzw. die angemessene sonstige Absicherung der Erschienenen zu 1 erzielt worden ist.

Die Vertragsparteien vereinbaren, daß noch eine notarielle Nachbeurkundung oder eine gerichtliche Protokollierung erfolgen soll, sobald der gegenwärtige Wert der Anwartschaft des Erschienenen zu 2 aus dem Versorgungswerk feststeht.

Die Ehefrau bat in dem Scheidungsantrag, "die Regelung in Ziffer 6 der Vereinbarung (vom 14. Juni 1995) gerichtlich zu genehmigen".

Nachdem die Versicherungs- und Versorgungsträger die Auskünfte zum Versorgungsausgleich erteilt hatten, errechnete das Familiengericht den in Betracht kommenden Versorgungsausgleich. Dabei ermittelte es aus dem Anrecht des Ehemannes bei der Allianz Versicherungs AG - aufgrund der mitgeteilten zu erwartenden Jahresrente von 28.737,89 DM - dynamische Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 69,36 DM und aus dem Anrecht bei der Allianz-Versorgungskasse VVaG - aufgrund der mitgeteilten Jahresrente von 9.734,16 DM - dynamische Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 23,49 DM.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht vom 11. Februar 1998 stellte die Ehefrau im Rahmen der Erörterung der Folgesache Versorgungsausgleich den Antrag, "die Vereinbarung der Parteien über den Versorgungsausgleich in der notariellen Urkunde vom 14. Juni 1995 des Notars G. zu genehmigen". Der Ehemann erklärte sich allenfalls bereit, einen zur Begründung einer Rentenanwartschaft von monatlich ca. 35 DM erforderlichen Betrag von ca. 1.200 DM zu zahlen. Andernfalls sei er bereit, im Rentenalter einen schuldrechtlichen Ausgleich der Rente, bezogen auf die Ehezeit, vorzunehmen. Er sei auf jeden Fall weiterhin damit einverstanden, daß der Verzicht auf den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich genehmigt werde.

Das Familiengericht genehmigte sodann den in der notariellen Urkunde vereinbarten Verzicht auf die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs. Im übrigen erließ es den folgenden Beschluß:

Die Genehmigung des vereinbarten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs wird abgelehnt, weil ihr die derzeitige Bewertung der beiderseits erzielten Versorgungsanwartschaften entgegensteht und derzeit nicht beurteilt werden kann, welche Werte der beiderseits erzielten Rentenanwartschaften zur Zeit des Eintritts des Rentenalters sich gegenüberstehen werden.

In dem Scheidungsverbundurteil sprach das Familiengericht aus, daß ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich nicht stattfinde.

Gegen das Urteil legte die Ehefrau "Berufung/Beschwerde" ein unter Vorbehalt der Anträge und der Begründung. Später begründete sie das eingelegte Rechtsmittel als Beschwerde "in der Folgesache Versorgungsausgleich". Sie beantragte, den Ehemann zu verpflichten, an sie "zur Abfindung des vereinbarten Ausgleichsanspruches einen Betrag in Höhe von 11.095 DM (gemeint: 11.059 DM) auf eine private Rentenversicherung ... zur Begründung von Rentenanwartschaften in Höhe von 4.319,80 DM einzuzahlen". Zur Begründung des Rechtsmittels machte die Ehefrau geltend, das Familiengericht habe die Vereinbarung der Parteien über eine ihr - als Ausgleich für die aus der freiberuflichen Tätigkeit des Ehemannes erworbenen Anwartschaften - zu zahlende Abfindung zu Unrecht nicht genehmigt. Sie sei dem Ehemann insbesondere bei der Vereinbarung über den nachehelichen Unterhalt entgegengekommen und habe sich damit einverstanden erklärt, daß die Einkünfte aus ihrer an sich neben der Betreuung der Kinder unzumutbaren Erwerbstätigkeit berücksichtigt würden; dieses Entgegenkommen habe zumindest teilweise durch die Regelung des Versorgungsausgleichs kompensiert werden sollen.

Das Kammergericht verwarf die Beschwerde als unzulässig mangels Beschwer der Ehefrau. Diese stelle mit der Beschwerde erstmals den Antrag, den Ehemann zur Zahlung eines Abfindungsbetrages von 11.059 DM zu verpflichten, und meine, dieser Anspruch ergebe sich aus der notariellen Vereinbarung vom 14. Juni 1995. Ziel der Beschwerde sei es danach allein, eine neue Folgesache in das Scheidungsverbundverfahren einzuführen. Das sei nach § 623 Abs. 2 Satz 1 ZPO unzulässig. Im übrigen könnten neue Anträge in der Rechtsmittelinstanz nicht die für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderliche Beschwer durch die angefochtene Entscheidung ersetzen. Dem stehe auch nicht § 623 Abs. 3 Satz 1 ZPO (gemeint ersichtlich: § 623 Abs. 1 Satz 3 ZPO) entgegen. Denn nach dieser Vorschrift bedürfe nur die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs keines Antrags. Über die hier von der Ehefrau begehrte Verpflichtung des Ehemannes, eine Abfindungszahlung zu leisten, habe hingegen nicht ohne Antrag entschieden werden dürfen. Die von dem Amtsgericht danach ohne eine prozeßrechtliche Veranlassung mit dem Beschluß vom 11. Februar 1998 getroffene Entscheidung über die Verweigerung der Genehmigung für den von ihm sogenannten "schuldrechtlichen Versorgungsausgleich" sei nach § 53 d Satz 2 FGG nicht selbständig anfechtbar.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Ehefrau mit der weiteren Beschwerde.

II.

Die nach § 621 e Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 621 e Abs. 3 Satz 1, 78 Abs. 2 Nr. 1, 621 e Abs. 3 Satz 2, 516, 519 ZPO) und damit insgesamt zulässige weitere Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Das Kammergericht hat die Erstbeschwerde der Ehefrau zu Unrecht als unzulässig verworfen. Das Rechtsmittel war zulässig und hätte das Kammergericht veranlassen müssen, sachlich über die Angriffe der Ehefrau gegen die Abweisung ihres Antrags auf Genehmigung der Vereinbarung unter Nr. 6 des notariellen Vergleichs vom 14. Juni 1995 durch den Beschluß des Familiengerichts vom 11. Februar 1998 zu entscheiden.

1. Entgegen der Auffassung des Kammergerichts fehlte es nicht an einer Beschwer der Ehefrau durch die familiengerichtliche Entscheidung. Da das Familiengericht durch den Beschluß vom 11. Februar 1998 die "Genehmigung des vereinbarten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs" abgelehnt hatte, hatte es zugleich inhaltlich den Antrag der Ehefrau zurückgewiesen, durch Genehmigung der notariell getroffenen Vereinbarung dem ihr (der Ehefrau) in dieser Vereinbarung zugesprochenen Abfindungs- bzw. Ausgleichsanspruch die erforderliche rechtliche Wirksamkeit zu verleihen. In dieser Ablehnung des gestellten Antrags lag die prozessuale Beschwer der Ehefrau.

Die Beseitigung dieser Beschwer hat sie mit ihrem Rechtsmittel erstrebt; (vgl. Senatsurteil BGHZ 85, 140, 142); denn sie hat ausdrücklich gerügt, daß die Genehmigung, die das Familiengericht ihr zu Unrecht versagt habe, aus den von ihr näher dargelegten Gründen hätte erteilt werden müssen. Damit war die Beschwerde zulässig.

Bedenken gegen die rechtzeitige Einlegung des Rechtsmittels bestanden nicht (§§ 621 e Abs. 3 Satz 2, 621 Abs. 1 Nr. 6, 516 ZPO, 16 Abs. 2 Satz 1 FGG; vgl. auch Keidel/Kuntze FGG 13. Aufl. § 53 d Rdn. 19 a sowie § 22 Rdn. 63 - 65; Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht 3. Aufl. § 1587 f Rdn. 19), da der Beschluß des Familiengerichts vom 11. Februar 1998 der Ehefrau nicht zugestellt, die Beschwerdefrist mithin nicht in Lauf gesetzt worden war.

2. Der Umstand, daß die Ehefrau mit der Beschwerde zusätzlich - insoweit unzulässigerweise (vgl. Keidel/Kuntze aaO § 23 Rdn. 3) - einen Zahlungs- (Abfindungs-) Antrag als neuen Antrag in das Verfahren einführen wollte, berührte die Zulässigkeit des Rechtsmittels als Beschwerde gegen die Versagung der begehrten Genehmigung aus den oben dargelegten Gründen nicht.

3. § 53 d Satz 2 FGG stand der Zulässigkeit der Beschwerde ebenfalls nicht entgegen. Durch diese gesetzliche Regelung sollen selbständige verfahrenshemmende Zwischenstreitigkeiten zur Genehmigung von Vereinbarungen über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nach § 1587 o BGB vermieden werden (vgl. Johannsen/Henrich/Brudermüller aaO § 53 d Rdn. 15). Ein Fall einer solchen Zwischenstreitigkeit lag hier indessen nicht vor. Das Verfahren zur "Hauptsache", nämlich zum öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, war zugunsten der Ehefrau entschieden und das amtsgerichtliche Urteil demgemäß von ihr auch nicht angegriffen worden. Ihr Rechtsmittelangriff betraf allein die Versagung der Genehmigung des "vereinbarten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs". Insoweit kam § 53 d Satz 2 FGG nicht zum Zuge.



Ende der Entscheidung

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