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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.12.1997
Aktenzeichen: XII ZR 119/96
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 185 Abs. 1
BGB § 571 Abs. 1
BGB §§ 185 Abs. 1, 571 Abs. 1

Der Verkäufer eines Grundstücks kann den Käufer (jedenfalls) ermächtigen, einen bestehenden Mietvertrag im eigenen Namen zu kündigen, schon bevor der Käufer mit der Eintragung im Grundbuch in den Mietvertrag eintritt.

BGH, Urteil vom 10. Dezember 1997 - XII ZR 119/96 OLG Koblenz LG Mainz


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XII ZR 119/96

Verkündet am: 10. Dezember 1997

Riegel, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 1997 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Zysk, Dr. Hahne und Gerber

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 19. April 1996 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die W. GmbH war Eigentümerin eines gewerblichen Grundstücks, zu dem eine Halle gehört. Durch Mietvertrag vom 8. Januar/1. März 1990 vermietete sie die Halle mit dem dazugehörigen Hofgelände an den Beklagten zum Betriebe einer Kfz-Reparaturwerkstatt. Durch notariellen Vertrag vom 6. Oktober 1994 verkaufte sie das Grundstück an die Klägerin. Die Klägerin ist aber bisher nicht als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Mit Schreiben vom 29. November 1994 trat die W. GmbH der Klägerin auf deren Wunsch hin das Recht ab, die Mietverträge "gegenüber den Mietern von Gewerbeobjekten" zu kündigen. Mit Schreiben ihres erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten vom 6. Dezember 1994 kündigte die Klägerin daraufhin das Mietverhältnis mit dem Beklagten unter Einhaltung der in dem Mietvertrag vereinbarten Frist zum 31. März 1995 und forderte ihn auf, das Mietobjekt zu diesem Termin zu räumen. Dem Kündigungsschreiben beigefügt war eine Fotokopie des Schreibens an die Klägerin vom 29. November 1994. Da der Beklagte auf das Kündigungsschreiben nicht reagierte und das Anwesen nicht räumte, erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 8. Juni 1995 Räumungsklage. Der Beklagte ist der Meinung, die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung sei unwirksam, weil das Recht, die Kündigung zu erklären, vom Vermieter nicht isoliert abgetreten werden könne.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Räumung und zur Herausgabe an die Klägerin verurteilt. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Mit seiner zugelassenen Revision will er die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Der Beklagte ist zu Recht verurteilt worden, nach Beendigung des Mietverhältnisses das Mietobjekt zu räumen und herauszugeben (§ 556 Abs. 1 BGB). Das Mietverhältnis ist durch die mit Schreiben vom 6. Dezember 1994 ausgesprochene Kündigung zum 31. März 1995 beendet worden. Das Berufungsgericht geht jedenfalls im Ergebnis zu Recht davon aus, daß diese Kündigung wirksam war.

1. Hierzu führt das Berufungsgericht aus, die Klägerin sei zwar noch nicht nach § 571 BGB als Vermieterin in den bestehenden Mietvertrag eingetreten, weil sie noch nicht in Abwicklung des abgeschlossenen Kaufvertrages als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen worden sei. Vermieterin sei vielmehr noch die W. GmbH. Das Recht, den Mietvertrag zu kündigen, stehe deshalb an sich ebenfalls noch der W. GmbH zu. Diese habe das Kündigungsrecht aber mit dem Schreiben vom 29. November 1994 wirksam an die Klägerin abgetreten. Ob das Recht, einen Mietvertrag zu kündigen, isoliert abgetreten werden könne, sei in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Jedenfalls wenn es sich um einen gewerblichen Mietvertrag handele, sei eine solche Abtretung aber zuzulassen, weil gewerbliche Mietverträge in geringerem Maße als Wohnungsmietverträge ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Mietparteien erforderten. Dem entspreche es, daß das Gesetz für Wohnraummietverträge einen wesentlich umfangreicheren Kündigungsschutz zur Verfügung stelle als für gewerbliche Mietverträge.

Die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung sei aber selbst dann wirksam, wenn das Kündigungsrecht nicht wirksam an die Klägerin abgetreten worden sei. In diesem Fall sei nämlich die unwirksame Kündigung nach § 140 BGB in eine wirksame Ermächtigung der Klägerin umzudeuten, das Kündigungsrecht im eigenen Namen geltend zu machen.

Zumindest diese Hilfsbegründung des Berufungsgerichts hält einer rechtlichen Überprüfung stand und trägt für sich allein das Berufungsurteil.

2. Das Recht, einen Vertrag zu kündigen, ist ein Gestaltungsrecht. Nach § 413 BGB finden die Vorschriften über die Abtretung von Forderungen (§§ 398 f. BGB) auf die Übertragung anderer Rechte, soweit nicht das Gesetz ein anderes bestimmt, entsprechende Anwendung. Daraus ergibt sich, daß auch Gestaltungsrechte jedenfalls im Grundsatz abgetreten werden können. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang jedoch häufig differenziert zwischen selbständigen Gestaltungsrechten, die ohne Einschränkung übertragbar sein sollen, und unselbständigen Gestaltungsrechten, deren Übertragung nur zusammen mit dem Hauptrecht möglich sein soll (vgl. z.B. Staudinger/Kaduk, BGB 12. Aufl. § 413 Rdn. 35; Soergel/Zeiss, BGB 12. Aufl. § 413 Rdn. 4; Larenz, Schuldrecht I, 13. Aufl. § 35 VI = S. 545; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht 15. Bearbeitung § 83 Nr. 3; Esser/Schmidt, Schuldrecht Allgemeiner Teil Bd. 1 37 I = S. 251, jeweils m.N.). Zum Teil wird die Meinung vertreten, auch unselbständige Gestaltungsrechte - auch das Recht, einen Vertrag zu kündigen - könnten zusammen mit einem Teil der Forderungen aus einem Vertrag abgetreten werden, ohne daß auf den Abtretungsempfänger sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Vertrag übergehen müßten (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 56. Aufl. § 413 Rdn. 7 m.N.). Der Bundesgerichtshof hat bisher offengelassen, ob unselbständige Gestaltungsrechte "im Hinblick auf ihre Verbindung mit dem Schuldverhältnis" isoliert abtretbar sind (vgl. z.B. BGHZ 95, 250, 254).

In der Literatur wird das Recht, einen Mietvertrag zu kündigen, überwiegend für ein unselbständiges Gestaltungsrecht gehalten, dessen isolierte Abtretung unwirksam sei (so Staudinger/Kaduk aaO; Soergel/Zeiss aaO § 399 Rdn. 3; MünchKomm/Roth 3. Aufl. § 399 Rdn. 18; Bub/Treier/Grapentin, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 2. Aufl. IV Rdn. 3 und Bub/Treier/Heile aaO II Rdn. 865; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl. IV Rdn. 2, jeweils m.w.N.; a.A. Mayer, ZMR 1990, 121, 123; jedenfalls für bestimmte Fälle auch Palandt/Heinrichs aaO § 413 Rdn. 7).

Das Berufungsgericht will der herrschenden Meinung nicht folgen und hält eine isolierte Abtretung des Kündigungsrechts jedenfalls dann für wirksam, wenn das Kündigungsrecht einen gewerblichen Mietvertrag betrifft. Folgt man dieser Ansicht, so ist die Klägerin durch die Abtretung Inhaberin des Kündigungsrechts geworden und konnte es wirksam ausüben.

Die Streitfrage kann jedoch, wie das Berufungsgericht in seiner Hilfsbegründung zutreffend ausführt, offen bleiben. Auch wenn man nämlich der herrschenden Meinung folgt und die Abtretung für unwirksam hält, konnte die Klägerin wirksam im eigenen Namen kündigen. Die unwirksame Abtretung ist dann nämlich nach § 140 BGB umzudeuten in eine wirksame Ermächtigung zur Kündigung nach § 185 Abs. 1 BGB.

3. Der Bundesgerichtshof hatte sich bereits mit der ähnlich gelagerten Frage zu befassen, ob die Befugnis, wegen eines Sachmangels die Wandlung eines Vertrages zu verlangen, isoliert abtretbar ist. Gegen die Abtretbarkeit des Wandlungsrechts bestehen in der Literatur ebenfalls Bedenken, weil auch das Geltendmachen dieses Rechts das gesamte Rechtsverhältnis im weiteren Sinne - den Vertrag - umgestaltet und weil die Entscheidung über den Fortbestand des Vertrages den Vertragsparteien überlassen werden soll (vgl. die Nachweise BGHZ 68, 118, 124 f.). Der Bundesgerichtshof hat auch diese umstrittene Frage offengelassen mit der Begründung, eine etwa unwirksame Abtretung des Wandlungsrechts sei zumindest gemäß § 140 BGB in eine - rechtswirksame - Ermächtigung umzudeuten, die Wandlungsbefugnis im eigenen Namen geltend zu machen (BGHZ aaO S. 125).

Im vorliegenden Fall gilt nichts anderes. Sinn und Zweck des § 140 BGB ist es, die Absicht der handelnden Personen, einen bestimmten wirtschaftlichen Erfolg zu erreichen, auch dann zu verwirklichen, wenn das von ihnen gewählte rechtliche Mittel unzulässig ist, ein anderes zulässiges Mittel jedoch, das ihrem hypothetischen Willen entspricht, den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg herbeizuführen vermag (so zutreffend Soergel/Hefermehl aaO § 140 Rdn. 1; RGRK-BGB/Krüger-Nieland/Zöller, 12. Aufl. § 140 Rdn. 1 m.N.). Durch die Abtretung sollte die Klägerin - auch nach der Vorstellung der Verkäuferin - erkennbar in die Lage versetzt werden, das Mietverhältnis (u.a.) mit dem Beklagten im eigenen Namen zu kündigen, schon bevor sie nach § 571 BGB mit der Eintragung als Eigentümerin im Grundbuch auf Vermieterseite in den bestehenden Mietvertrag mit dem Beklagten eintreten würde. Genau derselbe Erfolg war durch eine Ermächtigung nach § 185 Abs. 1 BGB, die Kündigung des Mietvertrages im eigenen Namen zu erklären, zu erreichen. Die Annahme des Berufungsgerichts, nach dem hypothetischen Willen der Beteiligten hätten sie bei Kenntnis der Nichtigkeit der Abtretung diesen Weg gewählt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einem allgemeinen Erfahrungssatz und bedurfte keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen.

Die Gründe, die der Wirksamkeit einer Abtretung des Kündigungsrechts entgegenstehen könnten, beeinträchtigen nicht die Wirksamkeit einer Ermächtigung, das Kündigungsrecht im eigenen Namen auszuüben (vgl. hierzu MünchKommBGB/Mayer-Maly, § 140 Rdn. 10 m.N.; RGRK-BGB aaO § 140 Rdn. 17). Eine Ermächtigung zur Abgabe einer Kündigungserklärung im eigenen Namen ist systematisch und funktionell der Vollmacht verwandt (so zutreffend MünchKomm-BGB/Schramm aaO § 185 Rdn. 1 m.N.). Stellvertretung ist auch bei der Ausübung unselbständiger Gestaltungsrechte unbestritten zulässig. Die Stellvertretung unterscheidet sich von einer Ermächtigung nach § 185 Abs. 1 BGB im wesentlichen dadurch, daß der Stellvertreter die Erklärung im fremden Namen abgibt, der Ermächtigte im eigenen Namen. Von diesem eher formalen Unterschied hängt es nicht ab, in welchem Umfang der eigentlich berechtigte Vertragspartner das Kündigungsrecht aus der Hand gibt. Während nach einer wirksamen Abtretung des Kündigungsrechts der Zessionar anstelle des Zedenten frei entscheiden könnte, ob er die Kündigung erklärt oder nicht, führt sowohl der von einem Vertragspartner Bevollmächtigte als auch der von diesem Ermächtigte seine Befugnis auf eine Erlaubnis des eigentlich Berechtigten zurück, die auch im Falle der Ermächtigung regelmäßig bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts widerruflich ist (§ 183 BGB). Der durch eine entsprechende Ermächtigung herbeigeführte Erfolg hätte genauso erreicht werden können, wenn die W. GmbH die Klägerin bevollmächtigt hätte, in ihrem - der W. GmbH - Namen die Kündigung zu erklären (im Ergebnis wie hier: Staudinger/Kaduk aaO § 399 Rdn. 76; Bub/Treier/Heile aaO II Rdn. 865).

4. Die Klägerin hat offengelegt, daß sie die Kündigung zwar im eigenen Namen, aber aus einem von der Vermieterin abgeleiteten Recht erklärt. Ob der Beklagte berechtigt gewesen wäre, die von der Klägerin erklärte Kündigung zurückzuweisen, z.B. weil ihm das die Ermächtigung der Klägerin enthaltende Schreiben der W. GmbH vom 29. November 1994 lediglich in Form einer Fotokopie überlassen worden ist (vgl. §§ 182 Abs. 3, 111 BGB), kann dahingestellt bleiben. Die Zurückweisung hätte unverzüglich erfolgen müssen (§ 111 BGB). Es ist aber unstreitig, daß der Beklagte auf das Kündigungsschreiben der Klägerin vom 6. Dezember 1994 vor der Klageerhebung; die erst ein halbes Jahr später erfolgt ist, nicht reagiert hat.

5. Die Klägerin kann nach der wirksamen Kündigung im eigenen Namen Räumung des Mietobjekts und Herausgabe an sich verlangen. Das Berufungsgericht führt hierzu aus, "das dafür von der Rechtsprechung für die gerichtliche Geltendmachung geforderte eigene schutzwürdige Interesse der Klägerin" sei "offensichtlich". Diese Ausführungen sind dahin zu verstehen, daß die W. GmbH die Klägerin auch ermächtigt habe, im Wege einer gewillkürten Prozeßstandschaft den Anspruch aus § 556 BGB im eigenen Namen geltend zu machen und daß die Klägerin daran ein eigenes schutzwürdiges Interesse habe. Diese Annahme wäre zwar an sich nicht zu beanstanden, es kommt darauf aber nicht an. Die W. GmbH hat an die Klägerin in dem notariellen Kaufvertrag - wie die Revisionserwiderung zutreffend ausführt - alle ihr aus dem Mietvertrag mit dem Beklagten zustehenden Ansprüche abgetreten. Dazu gehört auch der Anspruch aus § 556 BGB. Daraus ergibt sich, daß die Klägerin Inhaberin dieses Anspruchs und damit ohne weiteres klagebefugt ist.

Blumenröhr Krohn Zysk Hahne Gerber

Ende der Entscheidung

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