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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 27.06.2001
Aktenzeichen: XII ZR 135/99
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1572 Nr. 1 | |
BGB § 1572 Nr. 4 |
b) Zum Unterhaltsanspruch nach § 1572 Nr. 4 BGB.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 27. Juni 2001
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Gerber, Sprick, Weber-Monecke und Fuchs
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 19. März 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt.
Die 1975 geschlossene Ehe der Parteien, die beide 1956 geboren sind, ist seit dem 28. November 1991 rechtskräftig geschieden. Die elterliche Sorge für die aus der Ehe hervorgegangenen Söhne Manuel, geboren am 2. November 1975, und Benjamin, geboren am 29. Oktober 1977, wurde dem Beklagten übertragen. Dieser ist wieder verheiratet. Aus der neuen Ehe hat er drei Kinder. Außerdem versorgte er ein schwerbehindertes Pflegekind.
Die Klägerin war bis zu der Trennung der Parteien im Dezember 1990 nicht oder nur vorübergehend erwerbstätig. Ab Februar 1991 war sie im Umfang von 20 Wochenstunden und ab November 1991 von 30 Wochenstunden als Krankenpflegehelferin tätig. Eine im April 1992 begonnene Ausbildung zur Kinderkrankenschwester brach sie im Oktober 1993 wegen gesundheitlicher Beschwerden ab. In der Folgezeit bezog sie nacheinander Krankengeld, Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe. Seit dem 1. Juli 1997 erhielt die Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die bis zum 30. Juni 1999 befristet war.
Der Beklagte ist Krankenpfleger. Neben der Tätigkeit in seinem erlernten Beruf geht er, wie bereits vor der Scheidung, einer geringfügigen Zusatzbeschäftigung (Auslieferung von Medikamenten) nach. Außerdem erhielt er für das schon während der Ehe mit der Klägerin betreute Pflegekind Pflegegeld sowie Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz.
Die Klägerin nimmt den Beklagten mit der Behauptung, arbeitsunfähig erkrankt zu sein, für die Zeit ab Dezember 1994 auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Anspruch. Sie verlangt bis einschließlich Juli 1995 - unter Berücksichtigung vom Beklagten geleisteter Unterhaltszahlungen - insgesamt 6.821,70 DM sowie ab August 1995 monatlich 1.393,82 DM, jeweils zuzüglich Zinsen. Der Beklagte hat die Erkrankung der Klägerin bestritten und geltend gemacht, sie lebe mit einem neuen Partner in einer eheähnlichen Verbindung.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Unterhaltsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in FamRZ 2000, 233 veröffentlicht ist, hat einen vertraglichen Anspruch der Klägerin auf Unterhalt mit der Begründung verneint, daß sie das Zustandekommen einer Unterhaltsvereinbarung nicht substantiiert dargelegt habe. Dagegen bestehen aus Rechtsgründen keine Bedenken. Auch die Revision erhebt insoweit keine Einwendungen.
2. a) Die Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs nach § 1572 Nr. 1 BGB hat das Berufungsgericht - in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht - nicht als erfüllt angesehen, weil nicht davon ausgegangen werden könne, daß von der Klägerin vom Zeitpunkt der Scheidung am 28. November 1991 an wegen Krankheit eine Erwerbstätigkeit nicht mehr habe erwartet werden können. Hierzu hat es im wesentlichen ausgeführt: Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, daß eine krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem Jahre 1994, als die Erkrankung der Klägerin als sogenanntes Sjoegren-Syndrom diagnostiziert worden sei, vorgelegen habe. Vor Oktober 1993, als sie die Ausbildung zur Kinderkrankenschwester abgebrochen habe, könne eine Erwerbsunfähigkeit aber jedenfalls nicht festgestellt werden. Die Klägerin habe selbst nicht geltend gemacht, ihre damals schon bestehende Krankheit habe sie bis dahin an einer Erwerbstätigkeit gehindert. Das werde durch ihre berufliche Entwicklung bestätigt. Die seit Februar 1991 ausgeübte Halbtagsbeschäftigung habe die Klägerin im November 1991 auf 30 Wochenstunden ausgeweitet. Im April 1992 habe sie ihre - nicht durch Krankheit veranlaßte - Umschulung begonnen. Es sei zwar anerkannt, daß der erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen dem Einsatzzeitpunkt und der Krankheit auch dann noch bestehen könne, wenn diese erst nach jenem Zeitpunkt ausgebrochen sei. Das gelte aber nur bei enger zeitlicher Abfolge, an der es bei einem zeitlichen Abstand von etwa 23 Monaten (vom 28. November 1991 bis Oktober 1993) fehle.
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung und den Angriffen der Revision stand.
b) Die Revision beanstandet die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe nicht geltend gemacht, schon vor Oktober 1993 sei eine Erwerbstätigkeit von ihr nicht zu erwarten gewesen. Die Klägerin habe durch Antrag auf Einholung eines fachärztlichen Gutachtens den Beweis dafür angetreten, daß wegen ihrer rheumatischen Erkrankung, die 1994 als Sjoegren-Syndrom diagnostiziert worden sei, schon im Zeitpunkt der Scheidung, jedenfalls in nahem Zusammenhang mit ihr, eine Erwerbstätigkeit von ihr nicht habe erwartet werden können. Den Beweisantrag, der in Verbindung mit dem weiteren Vorbringen des betreffenden Schriftsatzes nicht anders verstanden werden könne, habe das Berufungsgericht übergangen.
Diese Rüge bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht brauchte dem Beweisantrag nicht nachzugehen, da das Vorbringen der Klägerin nicht hinreichend substantiiert ist.
Ein geschiedener Ehegatte kann nach § 1572 BGB Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm von dem jeweiligen Einsatzzeitpunkt an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Der Unterhalt begehrende Ehegatte muß, um die Voraussetzungen der genannten Vorschrift darzutun, im einzelnen die Krankheiten, an denen er leidet, angeben und vortragen, inwiefern sich diese auf seine Erwerbsfähigkeit auswirken. Er darf sich nicht generell auf eine Erwerbsunfähigkeit i.S. des § 1572 BGB berufen, sondern von ihm ist, insbesondere im Hinblick darauf, daß nur eine teilweise Erwerbsunfähigkeit vorliegen kann, zu verlangen, daß er Art und Umfang der gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Leiden darlegt. Darüber hinaus bezieht sich die Darlegungslast auf das Bestehen des Anspruchs zu dem maßgebenden Einsatzzeitpunkt (Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 4. Aufl. Kap. IV Rdn. 214; Griesche in FamGb § 1572 Rdn. 6; vgl. auch Senatsurteil vom 16. Dezember 1987 - IVb ZR 102/86 - FamRZ 1988, 265, 266 unter I 3).
Den vorgenannten Anforderungen genügt das Vorbringen der Klägerin nicht, soweit sie einen Unterhaltsanspruch nach § 1572 Nr. 1 BGB (Einsatzzeitpunkt der Scheidung) geltend macht. Die Klägerin hat in dem von der Revision in Bezug genommenen Schriftsatz ausgeführt, zur Zeit der Trennung im Dezember 1990 sei es ihr gesundheitlich sehr schlecht gegangen, eine Kur im Herbst 1990 habe nichts geändert; bereits damals habe sie an der rheumatischen Krankheit gelitten, die Gelenkerkrankung habe sich schon etwa 20 Jahre zuvor gezeigt; Anfang 1997 habe sie sich zur stationären Behandlung in einer Klinik für Rheumakranke befunden. Sie sei deshalb nicht nur wegen einer Allergie, sondern auch wegen ihrer rheumatischen Erkrankung nicht mehr arbeitsfähig gewesen; dies gelte auch weiterhin.
Der bloße Hinweis auf eine seit längerem vorliegende rheumatische Erkrankung läßt indessen weder erkennen, welche konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestanden noch inwieweit sich diese auf die Erwerbsfähigkeit der Klägerin ausgewirkt haben. Entsprechende Ausführungen wären im vorliegenden Fall auch mit Rücksicht darauf, daß die Klägerin im Februar 1991 eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und diese ab November 1991, also etwa zur Zeit der Scheidung, erweitert hat, erforderlich gewesen. Abgesehen davon läßt das Vorbringen der Klägerin aber auch nicht eindeutig erkennen, auf welchen Zeitpunkt sich ihre Behauptung, nicht mehr erwerbsfähig gewesen zu sein, bezieht. Es bleibt unklar, ob dies bereits durchgehend für die Zeit nach der Trennung oder erst für einen späteren, längere Zeit nach der Scheidung liegenden Zeitpunkt geltend gemacht wird. Letzteres kommt vor allem auch deshalb in Betracht, weil die Klägerin in dem betreffenden Schriftsatz ebenfalls vorgetragen hat, sie leide seit Juni 1993 an einer allergischen Lungenerkrankung, deretwegen sie nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten dürfe. Deshalb läßt sich ihr Vorbringen auch nicht hinreichend dem Einsatzzeitpunkt der Scheidung zuordnen.
c) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Unterhaltstatbestand des § 1572 Nr. 1 BGB liege nicht vor, ist nach den somit verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen auch rechtlich nicht zu beanstanden.
Von einer krankheitsbedingten - vollen oder teilweisen - Erwerbsunfähigkeit unmittelbar vom Zeitpunkt der Scheidung an kann schon nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht ausgegangen werden. Damit scheidet auch die Möglichkeit aus, den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit deshalb noch dem Zeitpunkt der Scheidung zuzurechnen, weil sich ein zu dieser Zeit bereits vorhandenes, die Erwerbsfähigkeit minderndes Leiden verschlimmert und schließlich zur vollständigen Erwerbsunfähigkeit geführt hätte (vgl. Senatsurteil vom 25. März 1987 - IVb ZR 32/86 - FamRZ 1987, 684, 685). Für die Entstehung eines Unterhaltsanspruchs nach § 1572 BGB wird es zwar ferner als ausreichend erachtet, wenn eine Krankheit zu einem der Einsatzzeitpunkte nur latent vorhanden war und in nahem zeitlichen Zusammenhang damit ausgebrochen ist und zur Erwerbsunfähigkeit geführt hat (MünchKomm/Maurer BGB 4. Aufl. § 1572 Rdn. 11; Griesche aaO § 1572 Rdn. 12; OLG Stuttgart FamRZ 1983, 501, 503; OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 104, 106; das bloße Vorliegen einer latenten Erkrankung erachten demgegenüber als ausreichend: Erman/ Dieckmann BGB 10. Aufl. § 1572 Rdn. 6; Soergel/Häberle BGB 12. Aufl. § 1572 Rdn. 6; Rolland 1. EheRG 2. Aufl. § 1572 Rdn. 5; Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 4. Aufl. § 30 IV 2, Fußn. 9; a.A. für den Fall, daß im Einsatzzeitpunkt selbst noch keine Erwerbsunfähigkeit vorlag: Staudinger/Verschraegen BGB 12. Aufl. § 1572 Rdn. 22). Ob dieser Auffassung zu folgen ist oder ob damit die Anforderungen an die Einsatzzeitpunkte untergraben werden, bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner Entscheidung. Denn es fehlt an dem nach Auffassung des Senats jedenfalls erforderlichen nahen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Scheidung und dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit. Letztere kann im Hinblick auf fehlenden substantiierten Sachvortrag der Klägerin nicht vor dem aus gesundheitlichen Gründen erfolgten Abbruch der Ausbildung zur Kinderkrankenschwester im Oktober 1993 angesetzt werden, so daß seit der Scheidung ca. 23 Monate verstrichen waren. Unter diesen Umständen kann der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nicht mehr dem Zeitpunkt der Scheidung zugerechnet werden. Eine großzügigere Betrachtungsweise würde der gesetzgeberischen Intention zuwiderlaufen, schicksalsbedingte Ereignisse, die sich nach der Scheidung im Leben eines der geschiedenen Ehegatten einstellen, grundsätzlich nicht zu Lasten des anderen Ehegatten gehen zu lassen, weshalb Erkrankungen, die nach der Scheidung auftreten und ohne unmittelbaren Zusammenhang mit der Ehe stehen, nicht zu einem Unterhaltsanspruch nach § 1572 BGB führen sollten (BT-Drucks. 7/650 S. 124).
3. a) Das Berufungsgericht hat auch einen Unterhaltsanspruch nach § 1572 Nr. 4 BGB verneint und insofern zur Begründung ausgeführt: Der Wegfall der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 1573 BGB als Einsatzzeitpunkt für einen Unterhaltsanspruch nach § 1572 BGB komme der Klägerin nicht zugute, weil ein Anspruch nach § 1573 BGB im Oktober 1993, als ihre Erwerbsfähigkeit erstmals durch Krankheit beeinträchtigt gewesen sei, nicht bestanden habe. Die Klägerin habe nämlich im Zeitpunkt der Scheidung und noch danach aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit Einkünfte erzielt, die ihren vollen Unterhalt im Sinne des § 1578 BGB gedeckt hätten. Zum Zeitpunkt der Scheidung habe sie als Krankenpflegehelferin monatlich rund 1.700 DM netto verdient; nach Abzug des sogenannten Erwerbstätigenbonus, der mit 10 % bemessen werde, seien monatlich 1.530 DM verblieben. Hinzuzurechnen seien Zinseinkünfte von monatlich mindestens 275 DM, die die Klägerin aus der Anlage eines Teils des ihr am 20. November 1991, also kurz vor der Scheidung, zugeflossenen Zugewinnausgleichs von 150.000 DM habe erzielen können. Damit habe ihr mehr zur Verfügung gestanden, als den ehelichen Lebensverhältnissen entsprochen habe. Diese seien allein durch die Einkünfte des Beklagten aus Erwerbstätigkeit und beider Parteien aus Vermögen bestimmt gewesen. Das Einkommen der Klägerin habe die ehelichen Lebensverhältnisse dagegen nicht geprägt, weil sie eine Erwerbstätigkeit erst nach der Trennung in Erfüllung der Obliegenheit aufgenommen habe, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Daß die Tätigkeit schon in der Ehe angelegt gewesen sei und deshalb auch ohne die Trennung erfolgt wäre, habe die Klägerin selbst nicht geltend gemacht. Der Beklagte habe nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts monatlich 2.556 DM verdient. Hinzuzurechnen seien die Einkünfte aus seiner Nebentätigkeit von monatlich 470 DM sowie der durch die Kosten der Pflege nicht verbrauchte Teil des für das Pflegekind gezahlten Pflegegeldes mit monatlich 785 DM. Von dem Gesamteinkommen von 3.811 DM verblieben nach Abzug des Erwerbstätigenbonus (381 DM) monatlich 3.430 DM. Unter Einbeziehung des (nach Abzug des Finanzierungsaufwandes verbleibenden) Mietwertes des ehemals gemeinsamen Hauses, den das Amtsgericht auf 600 DM monatlich geschätzt habe, ergäben sich Gesamteinkünfte von monatlich 4.030 DM. Der Unterhalt für die zur Zeit der Scheidung 13 und 15 Jahre alten Kinder sei nach der Düsseldorfer Tabelle mit insgesamt 1.210 DM abzusetzen, so daß für beide Parteien 2.820 DM zur Verfügung gestanden hätten. Hiervon seien auf die Klägerin 1.410 DM entfallen.
b) Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit sie die Ausgestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien sowie die davon abhängige Frage betreffen, ob die Klägerin ihren hieran ausgerichteten Unterhaltsbedarf durch eigene Einkünfte decken konnte.
Der Senat hat nach Erlaß des angefochtenen Urteils entschieden, daß jedenfalls in den Fällen, in denen der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Scheidung Einkommen erzielt oder erzielen könnte, welches gleichsam als Surrogat des wirtschaftlichen Wertes seiner bisherigen Haushaltstätigkeit angesehen werden kann, dieses Einkommen nach der sogenannten Differenzmethode in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen ist. Dabei ist an die Überlegung angeknüpft worden, daß die während der Ehe erbrachte Familienarbeit den ehelichen Lebensstandard geprägt und auch wirtschaftlich verbessert hat und als eine der Erwerbstätigkeit gleichwertige Leistung anzusehen ist. Der in dieser Weise von beiden Ehegatten erreichte Lebensstandard soll ihnen nach Auffassung des Senats auch nach der Scheidung zu gleichen Teilen zustehen. Nimmt der haushaltsführende Ehegatte nach der Scheidung eine Erwerbstätigkeit auf oder erweitert sie über den bisherigen Umfang hinaus, so kann sie als Surrogat für seine bisherige Familienarbeit angesehen werden. Der Wert seiner Haushaltsleistungen spiegelt sich dann in dem erzielten oder erzielbaren Einkommen wider, von Ausnahmen einer ungewöhnlichen, vom Normalverlauf erheblich abweichenden Karriereentwicklung abgesehen. Aus dieser Sicht hat der Senat es für gerechtfertigt gehalten, das Ersatzeinkommen in die Bedarfsbemessung einzubeziehen und in die Differenzrechnung einzustellen. Damit wird gewährleistet, daß - ebenso wie früher die Familienarbeit beiden Ehegatten zu gleichen Teilen zugute kam - nunmehr das beiderseitige Einkommen zwischen ihnen nach dem Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe aufgeteilt wird (Senatsurteil vom 13. Juni 2001 - XII ZR 343/99 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Ausgehend hiervon erweist sich die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe aus ihrer Erwerbstätigkeit Einkünfte erzielt, die ihren vollen Unterhalt nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse gedeckt hätten, nicht als zutreffend. Das von der Klägerin erzielte Einkommen ist als Surrogat für ihre bisherige Familienarbeit anzusehen und bei der Bedarfsermittlung nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse ebenfalls zu berücksichtigen. Diese waren deshalb, ausgehend von der vom Berufungsgericht angestellten Berechnung, durch ein Gesamteinkommen von 4.350 DM (2.820 DM + 1.530 DM) geprägt. Der Bedarf der Klägerin würde sich danach auf monatlich 2.175 DM belaufen. Nach Abzug ihres vom Berufungsgericht mit insgesamt 1.805 DM (1.530 DM + 275 DM) angesetzten Einkommens würde ein offener Bedarf von monatlich 370 DM verbleiben. Da nach den bisherigen Feststellungen somit nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Klägerin die Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs nach § 1573 BGB erfüllte, als sie krankheitsbedingt erwerbsunfähig wurde, kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu befinden, da die hierfür erforderlichen Feststellungen, insbesondere zu der weiteren Entwicklung der ehelichen Lebensverhältnisse nach der Scheidung, zur Leistungsfähigkeit des Beklagten sowie zu dem von ihm geltend gemachten Ausschluß eines Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 7 BGB, aus der Sicht des Berufungsgerichts folgerichtig, bisher nicht getroffen worden sind. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
a) Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, daß es der Klägerin nach der Scheidung oblegen hätte, ihre Teilzeitbeschäftigung auf eine Ganztagstätigkeit auszudehnen, und hat ihr deshalb neben dem tatsächlich erzielten Einkommen monatlich weitere 425 DM fiktiv zugerechnet. Falls das Berufungsgericht in dem weiteren Verfahren zu dem Ergebnis gelangen sollte, daß dieser Beurteilung zu folgen ist, kommt ein Unterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 1 BGB nicht in Betracht. Vorliegen können jedoch die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB, denn auch tatsächlich nicht erzielte, aber erzielbare Einkünfte sind nach der geänderten Rechtsprechung des Senats grundsätzlich als die ehelichen Lebensverhältnisse prägend anzusehen und bestimmen mithin den Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten.
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, daß es der Klägerin im Umfang ihres Erwerbseinkommens gelungen sei, ihren Unterhalt im Sinne des § 1573 Abs. 4 BGB nachhaltig zu sichern. Diese in tatrichterlicher Verantwortung erfolgte Beurteilung, der die nach der Rechtsprechung des Senats maßgebenden Kriterien zugrunde gelegt worden sind (vgl. Senatsurteil vom 9. Oktober 1985 - IVb ZR 56/84 - FamRZ 1985, 1234, 1235), ist rechtlich nicht zu beanstanden.
c) Bestand bei Beginn des Anschlußunterhalts nach § 1572 Nr. 4 BGB aufgrund eines weggefallenen früheren Anspruchsgrundes (§ 1573 Abs. 1, 2 BGB) aber nur ein Anspruch auf einen Teil des vollen Bedarfs, so entsteht auch der Anspruch auf Anschlußunterhalt nur als solcher auf Teilunterhalt. Eine andere Auslegung des Wortlauts des § 1572 BGB, insbesondere des Wortes "soweit", stünde im Widerspruch zu dem Zweck der Einsatzzeitpunkte, die zu den Schutzvorschriften zugunsten des Unterhaltspflichtigen gehören (Erman/Dieckmann aaO § 1572 Rdn. 8; Gerhardt Handbuch des Fachanwalts Familienrecht 3. Aufl. 6. Kap. Rdn. 350; Göppinger/Bäumel Unterhaltsrecht 7. Aufl. Rdn. 1013; Johannsen/Henrich/Büttner Eherecht 3. Aufl. § 1572 Rdn. 4; MünchKomm/Maurer aaO § 1572 Rdn. 16; Palandt/Brudermüller BGB 60. Aufl. § 1572 Rdn. 11; Rolland aaO § 1571 Rdn. 15; Wendl/Pauling Unterhaltsrecht 5. Aufl. § 4 Rdn. 50, jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte). Maßgebend für die Bemessung des Teilanschlußunterhalts ist die Quote des nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse ungedeckten Bedarfs des Unterhaltsberechtigten in dem Zeitpunkt, in dem sein Unterhalt im übrigen nachhaltig gesichert war. Der hier in Betracht kommende Anspruch auf Anschlußunterhalt nach § 1572 Nr. 4 BGB setzt weiterhin voraus, daß der Tatbestand eines Unterhaltsanspruches nach § 1573 BGB bis zum Einsatzzeitpunkt durchgehend erfüllt war (Johannsen/Henrich/Büttner aaO; Gerhardt aaO; Wendl/Pauling aaO; Palandt/Brudermüller aaO). Auch letzteres läßt sich bisher nicht beurteilen, da zu der Einkommensentwicklung der Klägerin nach Aufnahme der Ausbildung sowie zu dem hierfür erforderlichen zeitlichen Einsatz keine Feststellungen getroffen worden sind.
Ende der Entscheidung
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