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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.08.2002
Aktenzeichen: XII ZR 139/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB a.F. § 565 Abs. 1 a
ZPO § 712
ZPO § 719 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZR 139/02

vom

14. August 2002

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. August 2002 durch die Richter Gerber, Sprick, Prof. Dr. Wagenitz, Dr. Vézina und Neskovic

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 25. Januar 2002 gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat der Beklagten mit Mietverträgen vom 18. Oktober 2000 in der Stuttgarter Markthalle einen 33 m² großen Standplatz sowie zwei Lagerräume im Untergeschoß vermietet. Mit Schreiben vom 27. August 2001 hat sie die ordentliche Kündigung des Mietvertrages erklärt. Die Beklagte will die Kündigung nicht akzeptieren und wendet u.a. ein, die Kündigung verstoße gegen Vorschriften der Gewerbeordnung und der Gemeindeordnung, sie sei rechtsmißbräuchlich und diskriminierend und verletze außerdem die Grundrechte auf Gleichbehandlung und auf freie Religionsausübung.

Die Klägerin hat Räumungsklage erhoben. Das Landgericht hat die Beklagte zur Räumung zum 31. März 2002 verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei berechtigt gewesen, das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist des § 565 Abs. 1 a BGB a.F. zu kündigen. Aufgrund der von der Klägerin Ende August 2001 erklärten ordentlichen Kündigung ende das Mietverhältnis dementsprechend am 31. März 2002. Die Klägerin sei nicht aus besonderen Gründen gehindert, von dieser Kündigungsmöglichkeit Gebrauch zu machen.

Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat das Berufungsurteil für vorläufig vollstreckbar erklärt und angeordnet, daß die Beklagte die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 25.000 € abwenden könne, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leiste. Einen Antrag der Beklagten, ihr Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO zu gewähren, hat das Oberlandesgericht abgelehnt. Die Revision gegen dieses Urteil hat es nicht zugelassen.

Die Beklagte hat Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Klägerin hat angekündigt, aus dem für vorläufig vollstreckbar erklärten Räumungsurteil die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Die Beklagte beantragt, die Zwangsvollstreckung bis zur Entscheidung des Senats in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen.

II.

Dem Antrag konnte nicht stattgegeben werden. Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zulässig und begründet ist und ob, wenn der Senat ihr stattgeben würde, die Revision der Beklagten Aussicht auf Erfolg hätte. Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die besonderen Voraussetzungen für eine solche Einstellung (§ 719 Abs. 2 ZPO) nicht gegeben sind.

Für den Fall, daß gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Revision eingelegt ist, sieht das Gesetz in § 719 Abs. 2 ZPO eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nur vor, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Beklagte hat nicht dargelegt und schon gar nicht glaubhaft gemacht (§ 719 Abs. 2 Satz 2 ZPO), daß ihr durch die Vollstreckung aus dem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil unersetzliche Nachteile im Sinne dieser Vorschrift entstehen würden. Die Beklagte macht lediglich geltend, daß durch die Räumung vollendete Tatsachen geschaffen würden, daß sie den Umsatz und den Gewinn, den sie mit dem Stand erzielt habe, verlieren würde und daß die von ihr getätigten Investitionen verloren wären. Abgesehen davon, daß die Beklagte den tatsächlichen Inhalt dieses Vortrages in keiner Weise glaubhaft gemacht hat, reicht der Vortrag nicht aus, um das Drohen eines unersetzlichen Nachteils im Sinne des § 719 Abs. 2 ZPO zu begründen. Es handelt sich um Nachteile, die regelmäßig mit der Vollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Berufungsurteil verbunden sind. Solche Nachteile rechtfertigen aber eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gerade nicht, und zwar selbst dann nicht, wenn sie nach einem Erfolg der Revision nicht uneingeschränkt rückgängig gemacht werden könnten (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Beschluß vom 20. Juni 2000 - X ZR 88/00 - NJW 2000, 3008; Zöller/Herget, ZPO 23. Aufl., § 719 Rdn. 6, jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).

Sollte eine Revision der Beklagten Erfolg haben, könnte die Beklagte nach § 717 Abs. 2 ZPO wegen des ihr entgangenen Gewinns und wegen nutzlos gewordener Investitionen Schadensersatz von der Klägerin verlangen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin finanziell nicht in der Lage wäre, einen der Beklagten zustehenden Schadensersatzanspruch in voller Höhe zu erfüllen.

Daß die Beklagte im Falle ihres Obsiegens in der Revisionsinstanz auf einen Schadensersatzanspruch angewiesen wäre, ergibt sich aus der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers, dem Interesse eines in zweiter Instanz erfolgreichen Klägers an einer vorläufigen Vollstreckung Vorrang einzuräumen vor dem Interesse des Beklagten, erst leisten zu müssen, wenn er auch in der Revisionsinstanz unterlegen ist.



Ende der Entscheidung

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