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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 17.03.1999
Aktenzeichen: XII ZR 139/97
Rechtsgebiete: BGB, BSHG


Vorschriften:

BGB § 1361
BGB § 1602
BGB § 1603
BGB § 1581
BGB § 242 Cd
BSHG § 91
BSHG § 76
BGB §§ 1361, 1602, 1603, 1581, 242 Cd; BSHG §§ 91, 76

Zur unterhaltsrechtlichen Behandlung der einem Unterhaltsgläubiger gewährten Sozialhilfe in Fällen, in denen der Unterhaltsanspruch auf der Berücksichtigung fiktiver Einkünfte des Unterhaltsschuldners beruht und deshalb nicht auf den Träger der Sozialhilfe übergeht.

BGH, Urteil vom 17. März 1999 - XII ZR 139/97 - OLG München AG München


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XII ZR 139/97

Verkündet am: 17. März 1999

Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Zysk, Dr. Hahne und Gerber

für Recht erkannt:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 12. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 16. Mai 1997 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Trennungs- und Kindesunterhalt in Anspruch.

Die Parteien sind seit September 1984 verheiratet und leben seit September 1993 getrennt. Sie haben zwei Kinder, Aaron, geboren am 2. Oktober 1984, und Shulamith, geboren am 19. Mai 1987. Die Klägerin brach 1984 wegen der Geburt des Sohnes Aaron ihr damaliges Pädagogikstudium ab; seither betreute sie die Kinder und führte den Haushalt. Der Beklagte war Programmierer für Großrechner, seit 1989 in selbständiger Tätigkeit. Nach der Trennung der Parteien begab er sich im Oktober 1993 in ambulante nervenärztliche Behandlung. Da er Großkunden verlor, bewarb er sich von April bis Juni 1994 bei mehreren Arbeitgebern - erfolglos - um ein Anstellungsverhältnis. Später war er einige Monate als Schankkellner und in zwei Zeitarbeitsverhältnissen tätig. Seit 1995 bezog er in unterschiedlicher Höhe Sozialhilfe.

An die Klägerin zahlte er nach der Trennung zunächst unregelmäßig Unterhalt, später stellte er die Zahlungen ein. Die Klägerin erhielt seit Juni 1994 regelmäßig in unterschiedlicher Höhe Sozialhilfe für sich und die Kinder, außerdem für die Kinder ab 1. Januar 1996 Unterhaltsvorschuß, und zwar für Aaron für die Zeit bis einschließlich September 1996 (Vollendung seines 12. Lebensjahres) in Höhe von monatlich 324 DM und für Shulamith in Höhe von zunächst ebenfalls monatlich 324 DM, ab Januar 1997 monatlich 314 DM. Die Klägerin ist, wie auch während des Zusammenlebens mit dem Beklagten, weiterhin mit den Kindern privat krankenversichert.

Im Januar 1996 begann sie eine vom Arbeitsamt als Fördermaßnahme für Mütter mit Kindern bezahlte Ausbildung zur Industriekauffrau, die etwa bis Ende 1998 - mit Ableistung der Prüfung im Frühjahr 1999 - dauern sollte.

Zur Begründung der im Jahre 1994 erhobenen vorliegenden Klage machte sie geltend: Der Beklagte sei stets erwerbsfähig gewesen. Er habe sich nicht ausreichend um neue Kunden oder um eine neue Erwerbstätigkeit bemüht. Deshalb müsse er sich an seinem früheren Einkommen in unterhaltsrechtlich maßgeblicher Höhe von monatlich 5.899 DM festhalten lassen. Die Klägerin beantragte vor dem Familiengericht, den Beklagten zur Zahlung von Unterhaltsrückständen sowie von laufendem Unterhalt einschließlich Krankenvorsorgeunterhalt in näher bezifferter Höhe für die beiden Kinder und von rückständigem Ehegattenunterhalt sowie von laufendem Unterhalt einschließlich Krankenvorsorgeunterhalt in ebenfalls näher bezifferter Höhe zu verurteilen, und zwar teilweise zu zahlen an die Landeshauptstadt M., teilweise an die Klägerin selbst.

Das Familiengericht gab der Klage der Höhe nach nur teilweise statt. Es ging davon aus, daß der Beklagte aus gesundheitlichen Gründen bis einschließlich Februar 1995 nicht leistungsfähig, jedoch, wie die Begutachtung durch den als gerichtlichen Sachverständigen beigezogenen Facharzt für Psychiatrie Dr. E. ergeben habe, ab März 1995 wieder voll einsatzfähig gewesen sei. Mangels ausreichender Bemühungen um eine Tätigkeit sei ihm ein fiktives erzielbares Einkommen von monatlich 3.500 DM netto anzurechnen, aus dem sich die Unterhaltsansprüche der Klägerin und der beiden Kinder errechneten. Hinsichtlich der Unterhaltsbeträge für die Zeit vor dem 1. Juni 1996 seien die Klägerin und die Kinder allerdings wegen des Übergangs der Ansprüche auf die Träger der Sozialhilfe und des Unterhaltsvorschusses nicht mehr Anspruchsinhaber, so daß die Klage insoweit keinen Erfolg habe.

Gegen das Urteil legten der Beklagte Berufung und die Klägerin unselbständige Anschlußberufung ein. Der Beklagte beantragte im wesentlichen Klageabweisung. Die Klägerin wies darauf hin, daß die Landeshauptstadt M. die übergegangenen Ansprüche mit Schreiben vom 20. September 1996 an sie, die Klägerin, zur gerichtlichen Geltendmachung zurückabgetreten habe. Sie änderte im übrigen ihre bisherigen Anträge teilweise ab und beantragte neben der Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Ehegatten- und Kindesunterhalt in gestaffelter Höhe außerdem die Feststellung, daß die Hauptsache wegen des Kindesunterhalts in Höhe von 8.958 DM für Aaron und von 11.226 DM für Shulamith - im Hinblick auf die geleisteten Unterhaltsvorschüsse - erledigt sei, weil das Jugendamt die übergegangenen Ansprüche selbst gegenüber dem Beklagten geltend machen wolle. Der Beklagte stimmte der von der Klägerin insoweit abgegebenen Erledigungserklärung nicht zu.

Das Oberlandesgericht änderte das familiengerichtliche Urteil - unter Abweisung der weitergehenden Klage und Zurückweisung der weitergehenden Berufung und Anschlußberufung - teilweise ab und verurteilte den Beklagten zu folgenden Zahlungen:

1. Laufend ab 1. Juni 1997:

a) Trennungsunterhalt von monatlich 694 DM, davon 347 DM Elementar- und 347 DM Krankenvorsorgeunterhalt für die Klägerin,

b) Kindesunterhalt von monatlich 352 DM einschließlich Krankenversicherung für Shulamith und von monatlich 404 DM einschließlich Krankenversicherung für Aaron;

2. für die Zeit bis 31. Mai 1997 von 16.216 DM, davon 568 DM für Shulamith, 3.526 DM für Aaron und 12.122 DM Trennungsunterhalt für die Klägerin.

Außerdem traf das Gericht die Feststellung, daß die Hauptsache hinsichtlich des Kindesunterhalts für Shulamith in Höhe von 5.458 DM und für Aaron in Höhe von 2.916 DM erledigt sei.

Gegen das Berufungsurteil wendet sich der Beklagte mit der zugelassenen Revision, mit der er sein zweitinstanzliches Begehren weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Sie ist allerdings entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung insgesamt statthaft. Das Berufungsgericht hat die Revision in der Urteilsformel uneingeschränkt zugelassen. Auch aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils läßt sich eine Eingrenzung der Revisionszulassung nicht entnehmen. Mit den Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das Oberlandesgericht ersichtlich nur die Begründung für die Zulassung der Revision dargelegt, ohne das Rechtsmittel aber auf einen Teil der geltend gemachten Unterhaltsansprüche zu beschränken.

II.

1. Das Oberlandesgericht hat der Klägerin im Hinblick auf die von ihr aufgenommene Ausbildung zur Industriekauffrau einen Anspruch auf Trennungsunterhalt nach § 1361 Abs. 1 BGB i.V. mit § 1575 Abs. 1 BGB in entsprechender Anwendung und den minderjährigen Kindern einen Anspruch auf Kindesunterhalt nach Maßgabe der §§ 1601 bis 1603 BGB zugesprochen.

Dagegen sind vom Ansatz her aus Rechtsgründen keine Einwendungen zu erheben (vgl. Senatsurteil vom 24. April 1985 = IVb ZR 9/84 = FamRZ 1985, 782, 784). Auch die Revision erhebt insoweit keine Rügen und stellt die von dem Berufungsgericht angenommene Bedürftigkeit der Klägerin und der Kinder grundsätzlich nicht in Frage.

2. Die Leistungsfähigkeit des Beklagten hat das Berufungsgericht erst für die Zeit ab 1. Januar 1996 bejaht und dazu ausgeführt:

a) Nach dem eingeholten ärztlichen Gutachten habe der Beklagte seit Frühjahr 1994 an einem so schwerwiegenden depressiven Syndrom bei einer narzistischen Störung und Anpassungsstörung mit Suizidneigung gelitten, daß aus diesem Grund Erwerbsunfähigkeit bestanden habe. Das Gericht schließe sich jedoch dem Sachverständigengutachten auch in der Beurteilung an, daß ab März 1995 wieder von einer Erwerbsfähigkeit des Beklagten auszugehen sei. Auch wenn dieser insoweit möglicherweise durch seine behandelnde Ärztin in der Auffassung bestärkt worden sei, noch nicht in vollem Umfang einsatzfähig zu sein, habe er doch unterhaltsbezogen zumindest leichtfertig gehandelt, wenn er sich seit Kenntnis des Gutachtens des Sachverständigen - das seinen Parteivertretern Mitte Mai 1995 übersandt wurde, so daß er noch im Lauf des Monats Mai davon habe Kenntnis erhalten können - nicht um eine neue Arbeitsmöglichkeit bemüht habe. Hinzu komme, daß er sich bei einem Untersuchungstermin am 16. März 1995 bei dem gerichtlichen Sachverständigen selbst bereits zu 80 bis 90 % als gesund eingeschätzt und später im Sommer 1995 auf Geringverdienerbasis in einem Biergarten gearbeitet habe. Die Wiedergewinnung der Erwerbsfähigkeit bedeute zwar nicht, daß der Beklagte in seinem bisherigen Beruf als Programmierer von Großrechnern - in Konkurrenz zu jüngeren und psychisch voll belastbaren Mitbewerbern - eine echte Chance auf einen Arbeitsplatz gehabt habe. Der Beklagte habe aber unterhaltsrechtlich die Obliegenheit gehabt, alles zu unternehmen, um wieder leistungsfähig zu werden. Dazu gehöre in einem Industriezweig wie der EDV-Branche auch, sich den laufend veränderten Marktbedingungen anzupassen und sich entsprechend umzuschulen oder umschulen zu lassen. Insoweit habe er es unterhaltsbezogen leichtfertig unterlassen, sich beim Arbeitsamt nach entsprechenden Möglichkeiten zu erkundigen. Nach gerichtlich eingeholter Auskunft des Arbeitsamts habe in dem maßgeblichen Zeitraum ab Mai 1995 die Möglichkeit der Umschulung auf das Programmieren von Individualrechnern mit entsprechend guten Arbeitsplatzchancen bestanden, wobei auch Selbständige wie der Beklagte an derartigen Förderprogrammen hätten teilnehmen können. Die Umschulung, die dem Beklagten nach seinen persönlichen Fähigkeiten ohne weiteres möglich gewesen wäre, hätte nach der Auskunft sechs bis acht Monate gedauert. Es sei daher davon auszugehen, daß der Beklagte sie bis Ende 1995 hätte durchführen können, zumal er durch eine Umschulung auch nicht sofort wieder beruflich voll belastet worden wäre. Hätte er die Umschulung durchgeführt, dann sei - entsprechend der Auskunft des Arbeitsamts - davon auszugehen, daß er ab Januar 1996 als Programmierer für Individualrechner einen Arbeitsplatz gefunden hätte; denn insoweit hätten ausreichende Arbeitsplatzmöglichkeiten bestanden. Da der Beklagte unterhaltsrechtlich gehalten gewesen sei, die Verringerung seiner Einkünfte infolge der Beendigung der selbständigen Tätigkeit so weit wie möglich abzumindern, um ein zu starkes Absinken des ehelichen Lebensstandards im Verhältnis zur Klägerin zu verhindern und zudem seiner erhöhten Erwerbsobliegenheit im Verhältnis zu den Kindern nachzukommen, sei ihm unter den dargelegten Umständen ab Januar 1996 ein fiktives Einkommen (aus einer angenommenen Tätigkeit als Programmierer für Individualrechner) anzurechnen. Der Höhe nach könne allerdings entgegen der Auffassung des Familiengerichts nach der Auskunft des Arbeitsamts nur ein Nettoeinkommen von monatlich 3.000 DM und nicht von 3.500 DM als für den Beklagten erzielbar angesetzt werden. An sein früheres Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit könne, auch für die Beurteilung nach einer Umschulung, nicht angeknüpft werden, da dem Beklagten die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, sich vor einer erneuten Selbständigkeit zunächst in dem neuen Beruf als Programmierer für Individualrechner als Angestellter einzuarbeiten.

b) Diesen Ausführungen tritt die Revision ohne Erfolg entgegen.

Die Revision rügt zunächst, das Oberlandesgericht habe seine Auffassung über die Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit des Beklagten nicht auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. E. stützen dürfen. Der Gutachter habe laut Beweisbeschluß des Amtsgerichts die Frage nach der vollständigen Erwerbsunfähigkeit des Beklagten beantworten sollen, nicht die Frage nach seiner Berufsfähigkeit. Dem schriftlichen Gutachten und auch der mündlichen Erläuterung durch den Sachverständigen sei kein Hinweis darauf zu entnehmen, ob der Beklagte im Jahre 1995 in der Lage gewesen sei, eine Umschulung zum Programmierer mit den damit verbundenen Lernprozessen durchzustehen und danach in diesem Beruf zu arbeiten.

Mit diesem Angriff gegen die tatrichterliche Würdigung der Beweisaufnahme und ihres Ergebnisses durch das Berufungsgericht kann die Revision nicht durchdringen. Der Sachverständige Dr. E. hat, wie die Revision nicht verkennt, bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Familiengericht erklärt, er gehe davon aus, daß der Beklagte seit dem 15. März 1995 (dem Zeitpunkt des Gutachtergesprächs mit dem Beklagten) wieder habe arbeiten können, wenn sich nicht erneut eine Verschlimmerung einstelle. Wenn das Berufungsgericht diese Äußerungen des Sachverständigen im Zusammenhang mit dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens dahin gewertet hat, daß der Beklagte seit dem genannten Zeitpunkt in der Lage gewesen sei, sich einer Umschulung zum Programmierer für Individualrechner zu unterziehen, wobei er "auch nicht sofort wieder so stark beruflich belastet gewesen" wäre, so ist diese tatrichterliche Beurteilung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die Revision macht hierzu weiter geltend: Der Beklagte habe frühestens in der zweiten Maihälfte 1995 Kenntnis von dem Sachverständigengutachten gehabt. Selbst wenn er sich danach unverzüglich beim Arbeitsamt nach Umschulungsmöglichkeiten erkundigt hätte, hätte er nicht umgehend ab 1. Juni 1995 mit einer Umschulung beginnen können. Diese hätte sich danach weit in das Jahr 1996 hinaus ausgedehnt und wäre frühestens Anfang März 1996 beendet gewesen.

Auch in diesem Punkt ist dem Berufungsurteil indessen kein Rechtsfehler anzulasten. Nachdem der Beklagte vom 15. März 1995 an - nach der von dem Oberlandesgericht gebilligten Beurteilung des Sachverständigen - wieder arbeitsfähig war, gebot es seine unterhaltsrechtliche Verantwortung gegenüber der Klägerin und den minderjährigen Kindern, sich aus eigenem Antrieb um eine neue Beschäftigung und mögliche Maßnahmen zu deren Erlangung zu bemühen. Er konnte daher schon im April 1995 entsprechende Anstrengungen unternehmen. Auch wenn er dann erst im Juni 1995 mit einer Umschulung begonnen hätte, wäre diese bei einer Dauer von sieben Monaten, wie sie das Berufungsgericht angesichts der Vorkenntnisse und Fähigkeiten des Beklagten auf dem Gebiet des Programmierens rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt hat, Ende 1995 beendet gewesen. Da sich der Beklagte bereits während der Dauer der Umschulung um einen neuen Arbeitsplatz hätte bemühen können und hierzu unterhaltsrechtlich auch gehalten war, ist die Auffassung des Berufungsgerichts, daß er mit Wirkung vom 1. Januar 1996 an grundsätzlich als leistungsfähig zu behandeln sei, im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die Revision verweist schließlich darauf, daß der Beklagte seit Beendigung zweier Zeitarbeitsverhältnisse im Juni 1996 fortlaufend Sozialhilfe erhalten habe und erhalte. Nach § 25 Abs. 1 BSHG verliere den Anspruch auf Sozialhilfe, wer die Aufnahme zumutbarer Arbeit verweigere oder aus vorwerfbarer Gleichgültigkeit keine Arbeit suche. Hieraus ergebe sich, daß das Oberlandesgericht dem Beklagten zu Unrecht vorwerfe, sich nicht einer Umschulung unterzogen und hierdurch leichtfertig eine unterhaltsbezogene Obliegenheitsverletzung begangen zu haben. Tatsächlich zeige die Gewährung der Sozialhilfe, daß der Beklagte auch in dem von dem Oberlandesgericht angemessenen Umfang nicht als leistungsfähig angesehen werden könne.

Dem ist nicht zu folgen. Die Gewährung von Sozialhilfe folgt anderen Kriterien als die Beurteilung unterhaltsrechtlicher Zahlungsverpflichtungen (vgl. Lehr- und Praxiskommentar zum BSHG - im folgenden: LPK-BSHG - 4. Aufl. § 91 Rdn. 36). Insbesondere stellt das Bundessozialhilfegesetz zum Teil geringere Anforderungen an den Einsatz von Einkommen, Vermögen und Arbeitskraft des Betroffenen als das Unterhaltsrecht (vgl. LPK-BSHG aaO § 91 Rdn. 31 ff. und 36 ff.; Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG 5. Aufl. § 91 Rdn. 91, 92). Die Regelung des § 25 Abs. 1 BSHG kann deshalb für die Beurteilung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit nicht herangezogen werden (vgl. auch § 2 Abs. 2 Satz 1 BSHG).

3. Auf der Grundlage der einzusetzenden fiktiven Einkünfte des Beklagten von monatlich 3.000 DM hat das Berufungsgericht Unterhaltsbedarfsbeträge für die beiden minderjährigen Kinder einschließlich der notwendigen Kosten für eine private Krankenversicherung (monatlich je 151 DM) in Höhe von monatlich 575 DM für Shulamith und für Aaron in derselben Höhe für die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 1996 sowie in Höhe von monatlich 653 DM ab 1. Oktober 1996 angesetzt. Den Unterhaltsbedarf der Klägerin hat das Gericht - nach Berücksichtigung des Kindesunterhalts und unter Einschluß der Kosten für die private Krankenversicherung - mit monatlich 1.091 DM für die Zeit vom 1. Januar bis 30. September 1996 und monatlich 1.057 DM ab 1. Oktober 1996 zugrunde gelegt.

Dagegen werden rechnerisch keine Einwendungen erhoben.

4. a) Hierzu hat das Berufungsgericht sodann weiter ausgeführt: Der errechnete Bedarf der Klägerin kürze sich nicht um nicht prägendes Eigeneinkommen wegen der von ihr bezogenen Sozialhilfe. Sozialhilfe sei eine subsidiäre Leistung, die vom Grundsatz her nicht als unterhaltsrechtliches Einkommen anzusetzen sei. Eine andere Betrachtungsweise könnte nach Treu und Glauben nur angezeigt und die Sozialhilfe im Einzelfall als nicht subsidiär zu beurteilen sein, wenn wegen der Schuldnerschutzbestimmung des § 91 Abs. 2 BSHG der Unterhaltsanspruch nicht auf den Träger der Sozialhilfe übergehe und dadurch eine doppelte Befriedigung des Unterhaltsgläubigers eintreten könne. Eine solche Situation sei hier gegeben, da im Hinblick auf die im Sozialhilferecht nicht vorgesehene Berücksichtigung fiktiver Einkünfte die Schuldnerschutzbestimmung des § 91 Abs. 2 BSHG eingreife. Ginge man aber in diesem Fall davon aus, daß sich die Klägerin mangels Übergangs des Unterhaltsanspruchs die Sozialhilfe nach Treu und Glauben voll oder auch zum Teil auf ihren Unterhaltsanspruch anrechnen lassen müßte, dann würde damit im Ergebnis das Verhalten des Beklagten privilegiert statt sanktioniert. Sein unterhaltsbezogen leichtfertiges Verhalten und der Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit mit der Folge des Ansatzes eines fiktiven Einkommens hätten unterhaltsrechtlich keine Folgen, wenn der dann notwendige Bezug von Sozialhilfe durch die Klägerin zur Reduzierung oder zum Wegfall ihres Unterhaltsanspruchs führen würde. Aus diesem Grund werde in Fällen dieser Art auch ein fiktiv angesetztes Einkommen des Pflichtigen, obwohl an sich nicht vorhanden, bei der Bedarfsermittlung des Berechtigten berücksichtigt (vgl. BGH FamRZ 1992, 1045). Daß der Bedürftige auf diese Weise im Ergebnis bevorzugt werde, soweit er eine reale Chance habe, den titulierten Rückstand zu vollstrecken, sei hinzunehmen. Es wäre Sache des Gesetzgebers, dieses letztlich verfehlte Ergebnis zu korrigieren und § 91 BSHG so neu zu fassen, daß auch bei Ansatz fiktiver Einkünfte beim Pflichtigen trotz des Schuldnerschutzes der Unterhaltsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe übergehe.

b) Hiergegen wendet sich die Revision letztlich ohne Erfolg.

Sie hält dem Berufungsurteil entgegen: Die Klägerin sei, soweit es um den Anspruch auf Trennungsunterhalt gehe, nicht bedürftig. Während das Oberlandesgericht ihren eheangemessenen Bedarf mit monatlich 1.091 DM von Januar bis September 1996 und monatlich 1.057 DM ab Oktober 1996 angenommen habe, habe sie in den maßgeblichen Zeiträumen ab Januar 1996 monatlich 1.503,97 DM und ab Juli 1996 monatlich 1.512,37 DM Sozialhilfe bezogen; seit dem 1. Februar 1997 erhalte sie monatlich 1.462,94 DM. Die Sozialhilfe sei hier entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedarfsmindernd anzurechnen. Nach allgemeiner Meinung (vgl. Hampel FamRZ 1996, 513 ff., 521 unter 4. m.N.) verliere die Sozialhilfe in Fällen wie dem vorliegenden ihren subsidiären Charakter. Zumindest stehe dem Unterhaltsbegehren der Klägerin nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 25. November 1992 - XII ZR 164/91 = FamRZ 1993, 417 ff.) der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen.

c) Dem ist nicht zu folgen.

In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und im Schrifttum wird zwar - teilweise - die Auffassung vertreten, die Subsidiarität der Sozialhilfe ende, und eine erbrachte Sozialhilfeleistung sei bedarfsdeckend auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen, wenn dieser nicht auf den Träger der Sozialhilfe übergehe. In einem solchen Fall sei der Bedarf des Unterhaltsberechtigten in Höhe der geleisteten Sozialhilfe endgültig gedeckt und der Unterhaltsanspruch damit erfüllt (vgl. Hampel aaO m.N.; auch Empfehlungen des 12. Deutschen Familiengerichtstags A I 1 a dd in FamRZ 1998, 473; OLG Köln FamRZ 1997, 1101, 1102; OLG Nürnberg EZ FamR aktuell 1999 S. 39; BGB-RGRK/Mutschler 12. Aufl. - 1984 - vor § 1601 Rdn. 20 und § 1602 Rdn. 11; Johannsen/Henrich/Büttner Eherecht 3. Aufl. § 1361 Rdn. 106; Griesche in FamGB § 1602 Rdn. 22; wohl auch Göppinger/Strohal Unterhaltsrecht 6. Aufl. Rdn. 493, 494; Göppinger/van Els aaO Rdn. 1646, 1647).

Diese Auffassung kann nicht geteilt werden (dagegen auch etwa Johannsen/Henrich/Graba aaO § 1601 Rdn. 3, 1602 Rdn. 10; Staudinger/Kappe und Engler 13. Bearbeitung § 1602 Rdn. 70 ff., 77; Wendl/Scholz Unterhaltsrecht 4. Aufl. § 6 Rdn. 567 ff.). Sie trägt den unterschiedlichen Voraussetzungen und Zielsetzungen des privaten Unterhaltsrechts einerseits und des öffentlichen Sozialhilferechts andererseits (vgl. Münder in NJW 1990, 2031 ff. und FuR 1997, 281 ff., 330 ff.; Schellhorn/Jirasek/Seipp BSHG 15. Aufl. § 91 Rdn. 35 ff.) nicht in ausreichender Weise Rechnung und widerspricht dem sowohl in § 9 SGB I als auch in § 2 BSHG ohne Einschränkung niedergelegten Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe.

aa) Die Sozialhilfe ist generell dazu bestimmt, dem Hilfeempfänger ein menschenwürdiges Leben und die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, § 9 SGB I. Sie dient der Schaffung sozialer Gerechtigkeit für jedermann und soll zugleich eine gewisse Chancengleichheit für die Bedürftigen garantieren (vgl. § 1 Abs. 2 BSHG; BVerwGE 36, 256, 258; Mrozynski, SGB I 2. Aufl. § 9 Rdn. 18; Kretschmer/von Maydell/Schellhorn Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil, GK-SGB I, 3. Aufl. § 9 Rdn. 4, 14, 26, 29 bis 31).

Da die Sozialhilfe jedoch im Blick auf diese umfassende Aufgabenstellung mit ihren Leistungsverpflichtungen andernfalls überfordert wäre, sieht die gesetzliche Regelung in den §§ 9 SGB I und 2 BSHG als tragenden Grundsatz und unentbehrlichen Wesensbestandteil des Sozialhilferechts das Prinzip des Nachrangs der Sozialhilfe vor (vgl. Kretschmer/von Maydell/Schellhorn aaO Rdn. 17). So erhält nach § 2 Abs. 1 BSHG keine Sozialhilfe, wer sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Hiermit statuiert das Bundessozialhilfegesetz zunächst eine relativ weitgehende Selbsthilfeverpflichtung, insbesondere zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft des Bedürftigen (vgl. Mrozynski aaO § 9 Rdn. 19). Darüber hinaus stellt § 2 Abs. 1 BSHG darauf ab, ob der Bedürftige Hilfe von anderen "erhält" und auf diese Weise über bereite Mittel verfügt. Zu den bereiten Mitteln i.S. dieser Vorschrift gehören nur solche, die der Bedürftige hat oder sich mühelos verschaffen kann, nicht hingegen etwa ein Unterhaltsanspruch, der nicht unmittelbar erfüllt wird und dessen Realisierung dem Hilfesuchenden entweder nicht zuzumuten oder wegen Eilbedürftigkeit der Hilfe nicht möglich ist (vgl. Mrozynski aaO § 9 Rdn. 19; Oestreicher/Schelter/Kunz aaO § 2 Rdn. 6; Kretschmer/von Maydell/Schellhorn aaO Rdn. 17). Nur bereite Mittel in dem genannten Sinn sind geeignet, eine aufgetretene Hilfebedürftigkeit unmittelbar zu beseitigen.

§ 2 Abs. 1 BSHG verfolgt jedoch nicht das Ziel, in Fällen dieser Art - über die unmittelbare Hilfegewährung hinaus - eine endgültige Zahlungspflicht des Trägers der Sozialhilfe festzulegen. Vielmehr bestimmt § 2 Abs. 2 Satz 1 BSHG, daß Verpflichtungen anderer, besonders Unterhaltspflichtiger (oder der Träger anderer Sozialleistungen) durch dieses Gesetz "nicht berührt" werden. Damit ist klargestellt, daß die Träger der Sozialhilfe dem Zweck dieser Sozialleistung entsprechend zwar häufig zur Vorleistung verpflichtet sind, so wenn ein i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 1 BSHG Verpflichteter seiner Leistungspflicht nicht nachkommt (vgl. Oestreicher/Schelter/Kunz aaO § 2 Rdn. 17), daß die an sich vorrangige Verpflichtung des Dritten (besonders eines Unterhaltspflichtigen) hierdurch aber nicht beeinflußt wird, sondern weiter besteht und weiterhin zu erfüllen ist. Zu diesem Zweck sieht § 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG den Übergang des Unterhaltsanspruchs des Hilfeempfängers gegen den Unterhaltspflichtigen - für die Zeit, für die Hilfe gewährt wird, und bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen - auf den Träger der Sozialhilfe vor. Damit wird dieser in die Lage versetzt, mit Hilfe des auf ihn übergegangenen Unterhaltsanspruchs den Unterhaltspflichtigen auf Erstattung der dem Hilfebedürftigen erbrachten Leistungen in Anspruch zu nehmen mit der Folge, daß das gesetzlich gewollte Verhältnis des Nachrangs der Sozialhilfe gegenüber der Unterhaltspflicht - im Umfang des Anspruchsübergangs - verwirklicht wird (vgl. Oestreicher/Schelter/Kunz aaO § 91 Rdn. 6; Schellhorn in FuR 1999 S. 4 unter I 1 und 2; Senatsurteil vom 16. März 1994 - XII ZR 225/92 = FamRZ 1994, 829, 830 zu §§ 90 und 91 BSHG a.F.; BVerwG FamRZ 1993, 183, 184).

bb) Das Bundessozialhilfegesetz verzichtet allerdings im Hinblick auf die von dem privaten Unterhaltsrecht abweichende Zielsetzung der Sozialhilfe darauf, sämtliche privatrechtlich begründeten Unterhaltsansprüche gewissermaßen automatisch und der Höhe nach uneingeschränkt dem Anspruchsübergang nach § 91 BSHG zu unterwerfen. So "verschont" § 91 BSHG (i.V. mit den in Bezug genommenen sonstigen Vorschriften des Gesetzes) einerseits bestimmte Gruppen bürgerlich-rechtlich Unterhaltsverpflichteter, wie beispielsweise die mit dem Hilfeempfänger im zweiten oder einem entfernteren Grad Verwandten; andererseits schränkt die Vorschrift auch den Einsatz der zu berücksichtigenden Mittel ein (vgl. dazu LPK-BSHG aaO § 91 Rdn. 10 ff.; Oestreicher/Schelter/Kunz aaO § 91 Rdn. 73, 77 ff.; Schellhorn FuR 1999, S. 4 ff., auch BT-Drucks. 12/4401 S. 82, 83), ohne dabei jedoch den Grundsatz des § 2 Abs. 2 Satz 1 BSHG für die genannten Fälle außer Kraft zu setzen oder auch nur in entsprechender Weise einzuschränken (vgl. dazu BGHZ 115, 228, 232). Der Gesetzgeber hat danach durchaus gesehen, daß zwischen dem privaten Unterhaltsrecht und dem öffentlichen Sozialhilferecht kein völliger Gleichklang besteht (vgl. Schellhorn FuR 1999, S. 10 sowie allgemein Wendl/Scholz aaO § 6 Rdn. 500 ff. und 568). Er hat aber gleichwohl von einer Angleichung abgesehen. Diese gesetzgeberische Entscheidung ist zu respektieren.

cc) Das hat zur Folge, daß der in § 2 BSHG für den gesamten Bereich des Gesetzes niedergelegte Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe nicht davon berührt wird, ob und in welchem Umfang im Einzelfall ein Unterhaltsanspruch nach Gewährung von Sozialhilfe auf einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltsverpflichteten übergeht. Da das bürgerlich-rechtliche Unterhaltsverhältnis durch das Bundessozialhilfegesetz nicht berührt wird, haben die Leistungen nach diesem Gesetz keinen Einfluß auf den Inhalt und Umfang des Unterhaltsanspruchs und der Unterhaltsverpflichtung. Die Gewährung von Sozialhilfe ist demgemäß im Rechtssinn nicht als unterhaltsrechtlich bedarfsdeckende Leistung zu behandeln. Als solche würde sie den Unterhaltsanspruch - mit dem Wegfall der Bedürftigkeit in Höhe der gewährten Leistung - zum Erlöschen bringen (vgl. §§ 1569, 1602 Abs. 1). Für einen Übergang des Unterhaltsanspruchs, wie er in § 91 BSHG für die dort genannten Fälle vorgesehen ist, wäre damit von vorneherein kein Raum.

dd) Es besteht kein sachlich gerechtfertigter Grund, die dargestellte Rechtslage anders zu beurteilen, soweit nach § 91 BSHG aus sozialhilferechtlichen Gründen ein Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den Träger der Sozialhilfe ausscheidet. So geht nach § 91 Abs. 2 Satz 1 BSHG der Unterhaltsanspruch nur über, "soweit ein Hilfeempfänger sein Einkommen und Vermögen nach den Bestimmungen des Abschnitts 4 mit Ausnahme des § 84 Abs. 2 oder des § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 einzusetzen hat". Durch diese Regelung mit dem Hinweis auf die "Einkommensdefinition" der §§ 76 ff. BSHG (= Abschn. 4, vgl. dazu LPK-BSHG aaO § 91 Rdn. 39) soll gewährleistet werden, daß der Unterhaltspflichtige sozialhilferechtlich den gleichen Schutz hinsichtlich des Einkommens und Vermögens genießt, den er hätte, wenn er selbst Hilfeempfänger der konkreten Hilfe wäre (vgl. LPK-BSHG aaO § 91 Rdn. 14 und 39 ff.; Oestreicher/Schelter/Kunz aaO § 91 Rdn. 92 ff.; Schellhorn/Jirasek/Seipp aaO § 91 Rdn. 71 ff. 73). Hierbei ist von Bedeutung, daß der Einkommensbegriff des Sozialhilferechts in einzelnen Punkten von dem des Unterhaltsrechts abweicht (vgl. Oestreicher/Schelter/Kunz aaO § 91 Rdn. 59; Wendl/Scholz aaO § 6 Rdn. 527 ff.). Eine dieser Abweichungen besteht darin, daß im Sozialhilferecht - anders als im Unterhaltsrecht - keine fiktiven Einkünfte zu berücksichtigen sind (Senatsurteil vom 11. März 1998 - XII ZR 190/96 = FamRZ 1998, 818 ff. m.N.).

Da der Unterhaltsanspruch der Klägerin ebenso wie der der beiden Kinder hier auf der Grundlage eines dem Beklagten unterhaltsrechtlich zugerechneten fiktiven Einkommens ermittelt worden ist, greift im vorliegenden Fall die geschilderte Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 1 BSHG ein. Die Unterhaltsansprüche sind daher trotz Gewährung der Sozialhilfe nicht auf deren Träger übergegangen, sondern der Klägerin und den Kindern als Unterhaltsgläubigern verblieben.

5. Diese sind unter den gegebenen Umständen auch nicht gehindert, die Ansprüche gegenüber dem Beklagten geltend zu machen.

a) Gründe aus dem Bereich des Sozialhilferechts stehen dem, wie dargelegt, nicht entgegen.

Soweit die Vertreter der Gegenmeinung darauf hinweisen, daß das mit den Schuldnerschutzvorschriften in § 91 BSHG verfolgte Ziel nur erreicht werden könne, wenn der Schuldner bei Ausschluß des Anspruchsübergangs auch tatsächlich von seiner Unterhaltslast befreit werde (vgl. Hampel aaO S. 521 m.N. in Fn. 51), verkennen sie die unterschiedliche Zielsetzung und den Mangel inhaltlicher Übereinstimmung von Unterhalts- und Sozialrecht. Das Unterhaltsrecht schützt den Verpflichteten nach Maßgabe seiner bürgerlich-rechtlich definierten Leistungsfähigkeit im Rahmen der §§ 1581, 1603 BGB, wobei leichtfertig herbeigeführte Leistungsunfähigkeit unbeachtlich sein kann (vgl. Senatsurteile vom 26. September 1984 - IVb ZR 17/83 = FamRZ 1985, 158, 160; vom 16. März 1988 - IVb ZR 41/87 = FamRZ 1988, 597, 599; vom 10. November 1993 - XII ZR 113/92 = FamRZ 1994, 240, 241; vom 15. Dezember 1993 - XII ZR 172/92 = FamRZ 1994, 373, 374). Der Schuldnerschutz nach dem BSHG folgt, wie dargelegt, anderen Kriterien. Liegen nach bürgerlichem Recht die Voraussetzungen für die Bejahung einer Unterhaltsverpflichtung des Schuldners vor, so ist für die unterhaltsrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung, ob der Schuldner aus sozialhilferechtlicher Sicht nur in geringerem Umfang als leistungsfähig oder insgesamt als leistungsunfähig behandelt würde.

b) Auch unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten unterliegt das Unterhaltsbegehren der Klägerin und der Kinder bei den hier gegebenen Verhältnissen keinen durchgreifenden Bedenken.

aa) Der erkennende Senat hat allerdings in einem Urteil vom 25. November 1992 (XII ZR 164/91 = FamRZ 1993, 417, 419) ausgeführt, einem nach Gewährung von Sozialhilfe aber ohne Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den Sozialhilfeträger erhobenen Unterhaltsbegehren des Berechtigten dürfte der auch im Unterhaltsrecht geltende Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehen. Diese Äußerung ist indessen nicht dahin zu verstehen, daß in den Fällen, in denen dem Unterhaltsberechtigten Sozialhilfe gewährt wurde, der Unterhaltsanspruch jedoch nach dem Bundessozialhilfegesetz nicht auf den Träger der Sozialhilfe übergeht, die gleichwohl von dem Unterhaltsgläubiger gegen den Unterhaltsschulder erhobenen Unterhaltsansprüche generell an § 242 BGB scheitern würden. Denn das würde bedeuten, daß die gesetzlich gewollte Regelung der Subsidiarität der Sozialhilfe in den genannten Fällen mit Hilfe des § 242 BGB außer Kraft gesetzt würde. Das stünde im Widerspruch zu der oben aufgezeigten Rechtslage.

bb) Dies schließt jedoch nicht aus, gegebenenfalls vor dem Hintergrund des § 1581 BGB den Grundsatz des § 242 BGB heranzuziehen, um auf diese Weise unter Abwägung der Interessen von Unterhaltsschuldner und Unterhaltsgläubiger zu angemessenen, den Grundsätzen von Treu und Glauben entsprechenden Lösungen zu gelangen. Insoweit ist die Rechtslage nach Gewährung von Sozialhilfe an den Unterhaltsberechtigten vergleichbar mit den Fällen, in denen der Berechtigte freiwillige Leistungen von einem Dritten erhält. Geht in diesen Fällen der Wille des Zuwendenden dahin, daß nur der Beschenkte selbst unterstützt, der Unterhaltsschuldner aber nicht von seiner Verpflichtung befreit werden soll, dann ist die Zuwendung grundsätzlich nicht auf den Bedarf des Unterhaltsgläubigers anzurechnen, berührt seine Bedürftigkeit also nicht (st. Rspr., vgl. BGH Urteil vom 26. September 1979 - IV ZR 87/79 = FamRZ 1980, 42; Senatsurteil vom 25. November 1992 aaO jeweils m.w.N.). Zwar ist in diesen Fällen die Zielsetzung des Leistenden im Hinblick auf den Unterhaltsschuldner eine andere als bei der Gewährung von Sozialhilfe, da der Wille des freiwillig Zuwendenden darauf gerichtet ist, den Unterhaltsschuldner nicht zu entlasten, während § 91 Abs. 2 BSHG den Unterhaltsverpflichteten vor einer Inanspruchnahme durch den Unterhaltsberechtigten verschonen will. Aus der Sicht des Unterhaltsgläubigers ist die Lage jedoch bei beiden Fallgestaltungen vergleichbar: Er hat seinen Lebensunterhalt mit Hilfe der ihm von dritter Seite ohne Rückforderungsabsicht zur Verfügung gestellten Mittel bestritten und steht vor der Frage, nunmehr den Unterhaltsschuldner auf Erfüllung seiner Unterhaltspflicht für diesen - in der Vergangenheit liegenden - Zeitraum in Anspruch zu nehmen. Bei freiwilligen Zuwendungen von Dritten wird hierzu erwogen, in Mangelfallsituationen im Hinblick auf § 1581 BGB dennoch aus Billigkeitserwägungen entgegen dem Willen des Zuwendenden eine - jedenfalls teilweise - Anrechnung der Zuwendung auf den Unterhaltsbedarf in Betracht zu ziehen (vgl. etwa Soergel/Häberle BGB 12. Aufl. § 1581 Rdn. 16 sowie Rolland, 1. EheRG 2. Aufl. § 581 Rdn. 4). Ähnliche Überlegungen können sich aus der Beurteilung der Anrechnung von Einkünften aus überobligationsmäßiger Tätigkeit im Sinne von § 1577 Abs. 2 BGB ergeben (vgl. Palandt/Diederichsen BGB 58. Aufl. § 1577 Rdn. 25).

Der Senat hält es etwa für möglich, in entsprechender Weise auch in der Situation des § 91 Abs. 2 BSHG in Mangelfällen unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB eine (Teil-)Anrechnung der dem Unterhaltsberechtigten gewährten Sozialhilfe auf seinen Unterhaltsanspruch vorzunehmen, wenn andernfalls die Gefahr für den Unterhaltsschuldner bestünde, mit derartig hohen Forderungen aus der Vergangenheit belastet zu werden, daß es ihm voraussichtlich auf Dauer unmöglich gemacht würde, diese Schulden zu tilgen und daneben noch seinen laufenden Verpflichtungen nachzukommen.

Eine Korrektur der gesetzlichen Regelung in dem genannten Sinn - mit Hilfe des § 242 BGB - kommt allerdings, wie bereits angedeutet, grundsätzlich nur für Unterhaltsrückstände aus der Vergangenheit in Betracht. Für die Zukunft setzt sich hingegen der gesetzliche Nachrang der Sozialhilfe uneingeschränkt durch (vgl. Wendl/Scholz aaO § 6 Rdn. 572), zumal die rechtliche Betrachtungsweise darauf abzustellen hat, daß der Schuldner in der Zukunft seiner Unterhaltsverpflichtung nachkommen und die Gewährung von Sozialhilfe an den Berechtigten damit insoweit entbehrlich machen werde.

Als maßgeblicher Anknüpfungspunkt, bis zu dem die bereits entstandenen Ansprüche als vergangene in dem oben dargelegten Sinn, und von dem an die demnächst entstehenden Ansprüche als zukünftige zu beurteilen sind, ist nach Auffassung des Senats in den hier zu beurteilenden Fällen der Zurechnung fiktiver Einkünfte bei dem Unterhaltsschuldner - nicht zuletzt aus Gründen der Rechtsklarheit und Praktikabilität - der Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift in dem Unterhaltsprozeß anzusetzen. Mit der Zustellung der Klageschrift wird der Unterhaltsschuldner, der bislang keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, eindringlich darauf hingewiesen, daß er ungeachtet seiner bisherigen Einkommenslosigkeit auf Erfüllung seiner Unterhaltspflicht in Anspruch genommen wird. Damit ist es ihm von diesem Zeitpunkt an verwehrt, sich etwa darauf zu verlassen, daß seine Gläubiger ihren Unterhaltsbedarf mit Mitteln der Sozialhilfe befriedigen und deshalb nicht auf seine Unterhaltsleistungen angewiesen seien. Jedenfalls erscheint es mit Wirkung ab Zustellung der Klageschrift nicht mehr gerechtfertigt, dem Unterhaltsschuldner aus Billigkeitsgründen entgegen der unterhaltsrechtlichen Gesetzeslage den geschilderten Schutz zuzubilligen und dem Unterhaltsbegehren des Gläubigers insoweit den Einwand des § 242 BGB entgegenzuhalten. Soweit demgegenüber die Auffassung vertreten wird, der Schuldner könne (erst) "seit der letzten mündlichen Verhandlung" als leistungsfähig behandelt und zu Unterhaltsleistungen nach Maßgabe seines fiktiven Einkommens verurteilt werden (Wendl/Scholz aaO), könnte eine solche Lösung zu unvertretbaren Vorteilen (wenn nicht sogar Anreizen) für den Unterhaltsschuldner führen, wenn dieser das Verfahren in die Länge zieht. Davon abgesehen läßt sich der Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen mündlichen Verhandlung (ggfs. nach Zurückverweisung aus der Rechtsmittelinstanz) im Vorhinein nicht verläßlich ermitteln. Die etwa gebotene Billigkeitsabwägung müßte unter Umständen mehrfach, jeweils unter Berücksichtigung neu eingetretener tatsächlicher Entwicklungen, neu angestellt werden. Mit der Anknüpfung an die Zustellung der Klageschrift lassen sich diese Unsicherheiten weitgehend vermeiden.

cc) Da die Klageschrift im vorliegenden Verfahren im August 1994 zugestellt, der Beklagte aber durch das angefochtene Urteil zu Unterhaltszahlungen erst mit Wirkung vom 1. Januar 1996 an verurteilt worden ist, kommt hier aus den dargelegten Gründen eine (Teil-) Anrechnung der an die Klägerin und die beiden Kinder gewährten Sozialhilfe auf deren Unterhaltsansprüche aus Billigkeitsgründen nicht in Betracht. Der Hinweis der Revision auf § 242 BGB bleibt damit im Ergebnis ohne Erfolg.

6. Das Berufungsgericht hat die im einzelnen ermittelten Unterhaltsbedarfsbeträge (vgl. oben Abschnitt 3) aus Gründen der Mangelfallberechnung unter Einsatz eines eheangemessenen Selbstbehalts für den Beklagten in Höhe von monatlich 1.500 DM auf die im Tatbestand genannten endgültig geschuldeten Unterhaltsbeträge ermäßigt.

Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Auch die Revision erhebt insoweit keine Einwände.

7. a) Hinsichtlich der für die Kinder geleisteten Unterhaltsvorschüsse nach dem Unterhaltsvorschußgesetz - für die Zeit bis zum 31. Mai 1997 - hat das Berufungsgericht - unangegriffen - die Erledigung der Hauptsache festgestellt.

b) Für die nachfolgende Zeit vertritt die Revision die Auffassung, die bedarfsdeckende Wirkung der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz trete auch in Bezug auf den für Shulamith ab 1. Juni 1997 geltend gemachten Unterhaltsanspruch ein.

Diese Auffassung der Revision unterliegt indessen nicht der Nachprüfung durch den Senat. Denn ihr liegt keine entsprechende tatsächliche Feststellung des Berufungsgerichts zugrunde, § 561 ZPO. Dieses hat vielmehr insoweit ausgeführt: Ab 1. Juni 1997 betrage, da insoweit bei Shulamith "noch kein Unterhaltsvorschuß geleistet und damit auch noch kein Unterhaltsanspruch übergegangen" sei, der monatliche Unterhalt 352 DM einschließlich Krankenversicherung. Das Berufungsurteil trifft hiernach keine Feststellung dahin, daß Shulamith nach dem 1. Juni 1997 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz erhalten habe. Ebensowenig ist dem angefochtenen Urteil etwa eine Feststellung zu entnehmen, daß bereits vor dem 1. Juni 1997 ein bindender Leistungsbescheid für die Zeit ab Juni 1997 ergangen sei. Für eine Prüfung der Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz als bedarfsdeckend zu behandeln seien, bietet das angefochtene Urteil danach keine rechtliche Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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