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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.09.2004
Aktenzeichen: XII ZR 148/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 571 a.F.
Auch im gewerblichen Mietrecht verbleiben bei einem Eigentumswechsel für die bis zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs abgelaufenen Abrechnungsperioden die Pflicht zur Abrechnung der Nebenkosten und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten beim früheren Eigentümer und Vermieter (im Anschluß an BGH, Urteil vom 3. Dezember 2003 - VIII ZR 168/03 - NJW 2004, 851).
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZR 148/02

vom 29. September 2004

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. September 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs und Dr. Ahlt

beschlossen:

Tenor:

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Gründe:

I.

Der Kläger macht rückständige Miete aus einem gewerblichen Mietverhältnis geltend.

Mit schriftlichem Vertrag vom 14. Juli 1997 mietete die Beklagte von der damaligen Eigentümerin Gewerberäume in Bernau. Vereinbarungsgemäß leistete sie für die Nebenkosten monatliche Vorauszahlungen.

Die Vermieterin veräußerte das Grundstück an den Kläger, der aufgrund der Auflassung vom 2. November 1999 am 5. Mai 2000 als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde.

Mit Schreiben vom 31. August 2000 rechnete die Hausverwalterin der Vermieterin die Nebenkosten für die Jahre 1997 und 1998 ab, wobei sich zugunsten der Beklagten ein Guthaben in Höhe von 3.098,62 DM ergab. Mit dem Anspruch auf Rückzahlung dieses Betrages rechnete die Beklagte gegen rückständige Mieten für die Monate August 2000 bis April 2001 auf.

Der Kläger hat zunächst 6.444,47 DM an rückständigen Mieten geltend gemacht. Nach übereinstimmender Erledigterklärung des Rechtsstreits in Höhe von 1.903,68 DM hat das Amtsgericht der Klage in Höhe von 1.340,16 DM stattgegeben. Es hat die Aufrechnung der Beklagten mit dem Anspruch auf Auszahlung des Guthabens in Höhe von 3.058,62 DM als wirksam angesehen und einen Betrag von 142,01 DM als unbegründet erachtet. Die Berufung, mit der der Kläger die Unwirksamkeit der Aufrechnung geltend gemacht hat, ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendete sich der Kläger mit der vom Landgericht zugelassenen Revision, mit der er die Verurteilung der Beklagten in der zuletzt beantragten Höhe von 4.398,78 DM samt Zinsen erstrebte.

Im Revisionsverfahren haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte die Klageforderung bezahlt hat.

II.

Nach übereinstimmender Erledigungserklärung ist gemäß § 91 a ZPO über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach sind die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, weil sie ohne Erledigung im Rechtsstreit unterlegen wäre.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, in Höhe von 3.058,62 DM sei der Klageanspruch erloschen, weil die Beklagte mit dem der Höhe nach unstreitigen Nebenkostensaldo der Jahre 1997 bis 1998 wirksam aufgerechnet habe. Die im Wege der Aufrechnung geltend gemachten Rückzahlungsansprüche seien zum 1. Januar 1999 entstanden, aber erst mit der Abrechnung vom 31. August 2000, somit nach Eintragung des Klägers im Grundbuch (5. Mai 2000) fällig geworden. Deshalb sei der Kläger als Erwerber gemäß § 571 BGB a.F., § 566 Abs. 1 BGB zum Ausgleich des Nebenkostensaldos verpflichtet. Zwar sei die Frage, ob der Mieter Nebenkostensalden aus Abrechnungsperioden vor der Eintragung des Erwerbers als Eigentümer, die erst nach dessen Eintragung abgerechnet worden seien, dem neuen Eigentümer gegenüber geltend machen könne, sehr umstritten. Allein die hier vertretene Lösung sei aber interessengerecht. Sinn und Zweck des § 571 BGB a.F. (§ 566 Abs. 1 BGB) sei es nämlich ausschließlich, den Mieter vor Rechtsnachteilen durch den Eigentumsübergang zu schützen. Dieser Schutz sei nur gewährleistet, wenn eine Verpflichtung des Erwerbers auf Auszahlung von Nebenkostensalden bestehe. Nur dann habe der Mieter die Möglichkeit, seinen Anspruch auf Auszahlung des Nebenkostensaldos im Wege der Aufrechnung oder eines Zurückbehaltungsrechts seinem jetzigen Vermieter entgegenzusetzen. Daß nach vorherrschender Auffassung ausschließlich der Voreigentümer zur Abrechnung von bei Eigentumsübergang bereits abgeschlossenen Abrechnungsperioden berechtigt bzw. verpflichtet sei, führe bei wertender Betrachtungsweise zu keiner anderen Rechtsauffassung. Dem Erwerber entstehe kein unzumutbarer Nachteil, da er aufgrund vertraglicher Nebenpflichten vom Veräußerer die Überlassung der Abrechnungsunterlagen oder aber die Durchführung der Abrechnung verlangen könne. Damit sei der Erwerber ausreichend davor geschützt, daß der Voreigentümer die Abrechnung nicht vornehme oder ihm die Unterlagen zur Überprüfung bereits erstellter Nebenkostenabrechnungen nicht zur Verfügung stelle.

Die Entscheidung des BGH (ViZ 2000, 734) könne keine Anwendung finden. Grundlage dieser Entscheidung sei nämlich nicht ein rechtsgeschäftlicher Eigentumsübergang im Sinne von § 566 Abs. 1 BGB, sondern eine Eigentumsübertragung gemäß § 17 VermG. In diesem Fall sei der Mieter jedoch, worauf der Bundesgerichtshof ausdrücklich hinweise, bereits in hinreichendem Maße durch die Schutzvorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 1 VermG geschützt.

2. Dem ist nicht zu folgen.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß sich die Frage, welche mietvertraglichen Rechte und Pflichten infolge eines Eigentumsübergangs nach § 571 BGB a.F. (§ 566 Abs. 1 BGB) dem Veräußerer und welche dem Erwerber zuzurechnen sind, grundsätzlich nach dem Zeitpunkt des Entstehens bzw. der Fälligkeit des Anspruchs beantwortet. Vor dem Eigentumswechsel entstandene und fällig gewordene Ansprüche verbleiben dem bisherigen Vermieter, danach fällig gewordene Forderungen stehen dem (nunmehrigen) Grundstückseigentümer zu. Ebenso richten sich vertragliche Ansprüche des Mieters dann gegen den Erwerber, wenn sie erst nach dem Eigentumswechsel entstehen und fällig werden (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1988 - VIII ZR 22/88 - NJW 1989, 451, 452). Zu Recht geht das Berufungsgericht auch davon aus, daß der Anspruch des Mieters auf Auszahlung des Nebenkostenguthabens für die Jahre 1997 und 1998 erst mit Erteilung der Nebenkostenabrechnung vom 31. August 2000 fällig geworden ist (vgl. BGHZ 113, 188, 194).

b) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht aber, das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. September 2000 (- III ZR 211/99 - ViZ 2000, 734 = WM 2000, 2509) sei für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Der III. Zivilsenat hat dort entschieden, daß im Falle eines Eigentumswechsels nach § 17 VermG der frühere Eigentümer gegenüber dem Mieter bezüglich der zum Zeitpunkt des Wechsels im Grundstückseigentum bereits abgelaufenen Abrechnungsperiode zur Abrechnung der Nebenkosten verpflichtet und zur Erhebung etwaiger Nachzahlungen berechtigt bzw. zur Erstattung von Überzahlungen verpflichtet ist. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Entscheidung beruhe auf Besonderheiten des Vermögensgesetzes und könne deshalb auf einen rechtsgeschäftlichen Erwerb gemäß § 571 BGB a.F. (§ 566 Abs. 1 BGB) keine Anwendung finden, ist unzutreffend.

Mit Urteil vom 3. Dezember 2003 (- VIII ZR 168/03 - NJW 2004, 851) ist nämlich der VIII. Zivilsenat der Auffassung des III. Zivilsenats gefolgt. Danach ist im Bereich des Wohnraummietrechts bei einem Eigentumswechsel nicht der Erwerber, sondern der Veräußerer gegenüber dem Mieter bezüglich der zum Zeitpunkt des Wechsels im Grundstückseigentum abgelaufenen Abrechnungsperioden zur Abrechnung der Nebenkosten und zur Auszahlung eines etwaigen Guthabens verpflichtet. Nach Auffassung des VIII. Zivilsenats kommt es nicht darauf an, wann der Zahlungsanspruch fällig geworden ist. Das strikte Festhalten am sogenannten Fälligkeitsprinzip würde die Abrechnung der Nebenkosten im Regelfall erschweren, da sich der Erwerber die nötigen Unterlagen vom Veräußerer unter Umständen erst beschaffen müßte und sich erhebliche Hindernisse ergeben könnten, wenn er für bereits vor seinem Eigentumswechsel abgeschlossene Abrechnungsperioden abrechnen solle. Zum anderen sei zu berücksichtigen, daß der Erwerber für die nun abzurechnende Periode die Vorauszahlungen nicht erhalten habe. Er müßte sich dann an den Veräußerer wenden und eventuelle Ansprüche möglicherweise gerichtlich durchsetzen. Auch stünde im Falle geschuldeter Nachzahlungen ein hierauf gerichteter Anspruch dem Erwerber selbst nicht zu, nachdem der Veräußerer die Aufwendungen für die abgelaufenen Abrechnungsperioden getragen und deshalb Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen habe. Soweit den Mietern danach Nachteile entstehen könnten, weil es ihnen verwehrt sei, mit ihnen zustehenden Rückzahlungsforderungen gegenüber Mietzinsforderungen des Erwerbers aufzurechnen, sei dies die Folge des Erwerbs ihres Vertragsgegners und von ihnen hinzunehmen.

Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des VIII. Zivilsenats für den Bereich des gewerblichen Mietrechts an. Diese Lösung sorgt für Rechtsklarheit und vermeidet insbesondere das ungerechte Ergebnis, daß eine vor dem Eigentumswechsel fällig gewordene Abrechnungspflicht beim bisherigen Vermieter verbleibt, während Nachzahlungen und Erstattungen, deren Vorbereitung und Berechnung die Abrechnung dient, dem Erwerber zustehen bzw. von ihm zu erbringen sind (BGH, Urteil vom 14. September 2000 aaO).

Ende der Entscheidung

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