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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.04.2006
Aktenzeichen: XII ZR 154/05
Rechtsgebiete: EGZPO, ZPO, BGB


Vorschriften:

EGZPO § 26 Nr. 8
ZPO § 4 Abs. 1.
ZPO § 8
ZPO § 26 Nr. 8
BGB § 546
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZR 154/05

vom 26. April 2006

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. April 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die Richterin Dr. Vézina

beschlossen:

Tenor:

Der Beklagte wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Nichtzulassungsbeschwerde am 24. Mai 2006 als unzulässig zu verwerfen.

Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 16. Mai 2006.

Gründe:

Die nach § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Beschwer von über 20.000 € ist entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht erreicht.

1. Im Ansatz zutreffend geht die Nichtzulassungsbeschwerde davon aus, dass sich der Rechtsmittelwert für die vorliegende Räumungsklage nach § 8 ZPO bemisst. Denn die Klägerin verlangt vom Beklagten Räumung und Herausgabe nach Kündigung des Mietvertrages, den sie mit der aus dem Beklagten und Rechtsanwalt D. bestehenden und inzwischen aufgelösten Sozietät geschlossen hatte, und stützt ihr Räumungsbegehren somit zumindest auch auf § 546 BGB.

Demgegenüber beruft sich der Beklagte auf ein Recht zum Besitz aus einem (neuen) Mietvertrag, den er am 30. April 2003 als Geschäftsführer der Klägerin mit sich selbst abgeschlossen haben will, und zwar - mangels Ausübung einer Verlängerungsoption - mit fester Laufzeit bis zum 30. April 2004 und zu einem monatlichen Mietzins von 1.000 € einschließlich gesetzlicher Mehrwertsteuer. Die Klägerin hält diesen Mietvertrag für unwirksam.

§ 8 ZPO gilt nicht nur beim Streit über die Dauer, sondern auch bei einem solchen über das Bestehen eines Pacht- oder Mietverhältnisses. Ein Streit über das Bestehen liegt aber nicht nur dann vor, wenn die Parteien darüber uneins sind, ob ein unstreitig entstandenes Pacht- oder Mietverhältnis über einen bestimmten Zeitpunkt hinaus wirksam geblieben ist, sondern auch, wenn sich - wie hier - der Streit der Parteien schon an der Frage entzündet, ob ein solches Verhältnis überhaupt jemals rechtsgültig begründet worden ist (BGH, Beschluss vom 30. Januar 1997 - III ZR 206/96 - BGHR ZPO § 8 Räumungsklage 8).

Nach § 8 ZPO beläuft sich die Beschwer des zur Räumung verurteilten Beklagten auf den Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Miete, höchstens jedoch bis zum Fünfundzwanzigfachen des Jahresbetrages.

Die streitige Zeit beginnt mit der Klageerhebung (hier: 24. Juli 2003) und endet mit Ablauf des dem Räumungsbegehren entgegengehaltenen Mietvertrages am 30. April 2004. Sie umfasst mithin weniger als 10 Monate.

Der auf diese Zeit entfallende Bruttomietzins betrug nach dem Mietvertrag, dessen Bestehen zwischen den Parteien hier streitig ist, monatlich 1.000 € und liegt somit insgesamt unter der Wertgrenze des § 26 Nr. 8 ZPO.

Zwar mag bei abweichenden Angaben der Parteien zur Miethöhe grundsätzlich auf die Angaben in der Klageschrift abzustellen sein. Dies bedeutet aber nicht, dass hier der ursprünglich zwischen der Klägerin einerseits und der aus dem Beklagten und Rechtsanwalt D. bestehenden Sozietät andererseits vereinbarte Mietzins von 6.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer zugrunde zu legen wäre. Denn die Parteien sind sich einig, dass dieser Mietvertrag schon bei Klageerhebung nicht mehr bestand, so dass er den auf die streitige Zeit entfallenden Mietzins nicht mehr bestimmen kann. Leugnet die Klägerin den Bestand eines (neuen) Mietvertrages, kann der nach § 8 ZPO maßgebliche Mietzins daher nur dem Vortrag des Beklagten entnommen werden. Dieser kann nicht geltend machen, seine Beschwer richte sich nach einem höheren Mietzins, der für die streitige Zeit weder nach dem Vortrag der Klägerin noch nach seinem eigenen Vortrag vereinbart war.

Jedenfalls ist § 8 ZPO auch dann anzuwenden, wenn sich das Vorliegen eines Streits über das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses erstmals (und nur) aus dem Vorbringen des auf Räumung in Anspruch genommenen Beklagten ergibt (vgl. Musielak/Heinrich ZPO 4. Aufl. § 3 Rdn. 29 "Mietstreitigkeiten" und § 8 Rdn. 3 m.N.; noch offen gelassen in BGH, Beschluss vom 30. Januar 1997 aaO). Denn diese Vorschrift stellt nicht auf das Klagevorbringen ab, bei dem es im Belieben des Klägers steht, auf Einwendungen des Beklagten vorab einzugehen oder sie zu verschweigen, sondern auf den Streit der Parteien über das Bestehen oder die Dauer eines (hier für den Streitgegenstand - Räumung - präjudiziellen) miet- oder pachtvertraglichen Rechtes zum Besitz.

2. Ohne Einfluss auf die Beschwer ist der Vortrag des Beklagten, er habe die Mieträume zum 15. Januar 2004 an die Hausverwalterin der Klägerin zurückgegeben, und diese habe die Räume namens der Klägerin mit weiterem Mietvertrag vom 15. Januar 2004 nunmehr für monatlich 1.080 € zuzüglich Mehrwertsteuer bis zum 1. Februar 2007 an Rechtsanwalt L. vermietet, der ihm die Räume aus Gefälligkeit und jederzeit widerruflich überlasse.

Soweit der Beklagte damit geltend macht, er habe den Räumungsanspruch bereits erfüllt und könne als bloßer Besitzdiener des neuen Mieters L. selbst nicht (erneut) auf Räumung in Anspruch genommen werden, wäre dies allenfalls eine Frage der Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde, betrifft aber nicht die Beschwer. Ob zwischen der Klägerin und Rechtsanwalt L. ein Mietverhältnis besteht, ist weder Streitgegenstand noch Vorfrage des vorliegenden Räumungsprozesses und daher für die Beschwer nach § 8 ZPO ohne Belang. § 8 ZPO stellt allein darauf ab, für welchen Zeitraum die auf Räumung in Anspruch genommene Partei dem Klagebegehren ein eigenes (originäres oder abgeleitetes) mietvertragliches Besitzrecht entgegenhält. Der Beklagte beruft sich aber für die Zeit nach dem 30. April 2004 ausdrücklich nicht auf ein eigenes oder vom Mieter L. abgeleitetes Besitzrecht gegenüber der Klägerin, sondern macht im Gegenteil geltend, nur dessen Besitzdiener zu sein. Der Besitzdiener hat aber selbst weder Besitz noch ein Recht zum Besitz.

3. Entgegen der hilfsweise vorgetragenen Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Beschwerdewert hier auch nicht etwa deshalb nach § 6 ZPO zu bemessen, weil die Klägerin auch nach dem 30. April 2004 weiterhin Räumung begehrt hat, zu diesem Zeitpunkt jedoch ein eventuell bestehendes Mietverhältnis auch nach dem eigenen Vortrag des Beklagten bereits erloschen war.

Richtig ist zwar, dass § 8 ZPO auf eine Räumungsklage nur dann anwendbar ist, wenn Streit darüber besteht, ob das streitige Mietverhältnis über den Zeitpunkt der verlangten Räumung hinaus bestanden hat oder noch besteht; andernfalls fehlt es an dem Erfordernis der "streitigen Zeit" (Senatsbeschluss vom 8. März 1995 - XII ZR 240/94 - MDR 1995, 530). Diese Entscheidung betraf indes einen Fall, in dem die Räumungsklage erst nach unstreitiger Beendigung des Mietverhältnisses erhoben worden war. Das ist hier nicht der Fall, da die Räumungsklage noch während der Laufzeit des angeblichen Mietvertrages vom 30. April 2003 erhoben wurde. Der zuvor zitierte Senatsbeschluss ist dahin zu verstehen, dass der Streit über das Bestehen eines Mietverhältnisses sich nicht schon vor Erhebung der Räumungsklage durch Zeitablauf erledigt haben darf, wenn die pacht- und mietrechtliche Sondervorschrift des § 8 ZPO Anwendung finden soll.

Darauf, dass der angebliche Mietvertrag vom 30. April 2003 noch während des Berufungsverfahrens endete, kommt es nicht an. Da § 8 ZPO auf die "gesamte streitige Zeit" abstellt, und zwar unabhängig davon, ob sie den Rechtsstreit überdauert oder nicht, verdrängt diese Vorschrift § 4 Abs. 1 ZPO (vgl. Zöller/Herget ZPO 25. Aufl. § 8 Rdn. 5 m.N.), so dass § 8 ZPO selbst dann unverändert anwendbar bliebe, wenn das streitige Mietverhältnis bei Einlegung der Berufung (hier: 2. Januar 2004) auch nach dem Vortrag der Partei, die sich auf dieses Mietverhältnis beruft, bereits erloschen wäre. Dies stellt auch die Nichtzulassungsbeschwerde nicht in Abrede.

Ende der Entscheidung

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