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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 30.01.2008
Aktenzeichen: XII ZR 176/05
Rechtsgebiete: ZPO, SchuldRAnpG, NutzEV, EGBGB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 128 Abs. 2
SchuldRAnpG § 20
SchuldRAnpG § 20 Abs. 1
SchuldRAnpG § 20 Abs. 3
SchuldRAnpG § 23
NutzEV § 2 Abs. 2
NutzEV § 3
NutzEV § 6
EGBGB Art. 232 § 4 a
BGB § 558
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XII ZR 176/05

Verkündet am: 30. Januar 2008

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis 20. Dezember 2007 am 30. Januar 2008 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die Richterin Dr. Vézina

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 20. September 2005 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt eine Erhöhung des Pachtzinses nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz.

Mit Vertrag vom 1. Januar 1988 überließ der Deutsche Anglerverband der ehemaligen DDR dem Beklagten in der Wochenendsiedlung "B. S. " die Parzelle B weg 84 zu Erholungszwecken.

Am 26. März 1999 trafen die Landeshauptstadt Magdeburg als Verpächterin und der Beklagte als Pächter folgende Vereinbarung:

"Der bestehende Vertrag vom 1.1.1984 für ... wird fortgesetzt unter Berücksichtigung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes (SchuldRÄndG) vom 21.9.1994.

Der Pachtzins beträgt rückwirkend ab 1.1.1996 lt. eines erstellten Gutachtens über den ortsüblichen Pachtzins 1,20 DM/m².

Nach den vorliegenden und bestätigten Vermessungsunterlagen beträgt der Zins für Parzelle 84 für 268 m² x 1,20 DM und somit 321,60 DM/Jahr."

Am 17. Februar 2000 folgte nach einer Neuvermessung die Einigung auf ein jährliches Nutzungsentgelt von 362,40 DM.

Mit Zuordnungsbescheid vom 13. Dezember 2000 wurde festgestellt, dass die Klägerin Eigentümerin des Grundstücks geworden ist.

Der Gutachterausschuss für Grundstückswerte für den Bereich des Katasteramtes Magdeburg ermittelte zum Wertermittlungsstichtag 19. Juni 2002 ein ortsübliches Nutzungsentgelt von 1,20 €/m². Am 16. Oktober 2002 schrieb das Bundesvermögensamt Magdeburg an den Beklagten:

"...

Mit Wirkung vom 1. Januar 2003 erhöhe ich das Nutzungsentgelt für die von Ihnen am B. S. benutzte Parzelle 84 auf 1,20 €/m²/Jahr. Bei einer Parzellengröße von 302 m² ergibt sich ein jährliches Nutzungsentgelt von 1,20 €/m²/Jahr x 302 m² = 362,40 €/Jahr.

Mit der Erhöhung wird das ortsübliche Entgelt nicht überschritten.

Mir liegt ein entsprechendes Gutachten des Gutachterausschusses des Katasteramtes Magdeburg vom 17.9.2002 vor (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Nutzungsentgeltverordnung).

Der Gutachterausschuss ist bei der Ermittlung des ortsüblichen Entgeltes von einer Verzinsung des Bodenwertes ausgegangen, da ortsübliche Entgelte in vergleichbaren Gemeinden für Grundstücke vergleichbarer Art, Größe, Beschaffenheit und Lage nicht ermittelt werden konnten (§ 3 Abs. 3 Nutzungsentgeltverordnung). Dabei hat der Gutachterausschuss einen Pachtzins von 3,5 % p.a. angesetzt. Das Gutachten des Gutachterausschusses kann im Bedarfsfall hier im Hause eingesehen werden.

Ab 1. Januar 2003 ist von ihnen daher ein Nutzungsentgelt in Höhe von 362,40 €/Jahr zu zahlen."

Der Beklagte zahlte für das Jahr 2003 weiterhin den bisher geschuldeten Betrag.

Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 177,11 € gerichtete Klage abgewiesen. Die zugelassene Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat, soweit für die Revision noch von Bedeutung, ausgeführt: Rechtsgrundlage für die Erhöhung der Pacht sei nicht die Nutzungsentgeltverordnung (NutzEV), sondern § 20 SchuldRAnpG. Die Nutzungsentgeltverordnung solle gemäß § 20 Abs. 1 SchuldRAnpG eine schrittweise Entgelterhöhung bis zur Höhe der ortsüblichen Entgelte ermöglichen. Sie lasse gemäß § 2 Abs. 2 NutzEV jedoch nach dem 2. Oktober 1990 getroffene Vereinbarungen über Nutzungsentgelte ausdrücklich zu. Nach Erreichen des ortsüblichen Entgeltes seien unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 3 SchuldRAnpG weitere Erhöhungen möglich. Der Beklagte und die seinerzeitige Verpächterin, die Landeshauptstadt Magdeburg, hätten am 26. März 1999 den Pachtzins mit 1,20 DM/m² gemäß § 2 Abs. 2 NutzEV vereinbart. Es sei unstreitig, dass mit dem rückwirkend ab 1. Januar 1996 vereinbarten Pachtzins von 1,20 DM/m² das ortsübliche Nutzungsentgelt vereinbart worden sei. Deshalb sei die von der Klägerin erklärte Erhöhung nach § 20 Abs. 3 SchuldRAnpG zu beurteilen.

Zwar enthalte diese Vorschrift anders als § 6 NutzEV nur den Hinweis darauf, dass das Anpassungsverlangen schriftlich geltend zu machen sei. Die Kammer schließe sich jedoch der mit Urteil vom 2. Dezember 2004 geäußerten Auffassung der 12. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg an, wonach auch ein Anpassungsverlangen nach § 20 Abs. 3 SchuldRAnpG als Mindestvoraussetzung der Angabe der Rechtsgrundlage, der Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen und der Nennung des neu verlangten Entgeltes oder des Anpassungsbetrages bedürfe. Diese Angaben seien insbesondere deshalb zu verlangen, weil das Anpassungsverlangen keiner Zustimmung bedürfe, sondern vielmehr einseitig rechtsgestaltend sei. Es unterliege mithin - grundsätzlich - lediglich der Kontrolle durch den Pächter. Angesichts der Kompliziertheit der Materie, die in dem Streit über die Rechtsgrundlage der Erhöhung des Nutzungsentgeltes ihren Ausdruck finde, seien die genannten Mindestangaben erforderlich, um dem Pächter die Möglichkeit zu geben, das Verlangen nachzuvollziehen und zu prüfen. Überdies sei kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich, weshalb die Erhöhungen nach § 3 NutzEV bis zum ortsüblichen Entgelt gemäß § 6 der Verordnung detaillierter Angaben und Begründungen bedürften, folgende Erhöhungen auf ein höheres ortsübliches Entgelt jedoch nicht.

2. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Der Senat hat - nach Erlass des Berufungsurteils - entschieden (Urteil vom 19. September 2007 - XII ZR 3/05 - WuM 2007, 631 f. mit zustimmender Anmerkung Toussaint juris PR-BGHZivilR 44/2007 Anm. 4), dass das Erhöhungsverlangen nach § 20 Abs. 3 SchuldRAnpG im Gegensatz zum Verlangen nach § 20 Abs. 1 SchuldRAnpG i.V.m. § 6 NutzEV keine besondere Begründung voraussetzt. § 20 Abs. 1 SchuldRAnpG regelt i.V.m. § 6 NutzEV die Anpassung des in der DDR üblich gewesenen niedrigen Nutzungsentgelts bis zum Erreichen der ortsüblichen Miete. Demgegenüber regelt § 20 Abs. 3 SchuldRAnpG die Erhöhung des Nutzungsentgelts für den Fall, dass das Entgelt die ortsübliche Höhe bereits erreicht hatte und in der Folge eine weitere Anpassung erforderlich wird.

Für das Anpassungsverlangen nach § 20 Abs. 1 SchuldRAnpG wurde mit zwei Änderungen der Nutzungsentgeltverordnung eine Erläuterungs- und später sogar eine Begründungspflicht eingeführt, für Anpassungsverlangen nach Erreichen der Ortsüblichkeit sieht das Gesetz eine Erläuterungs- und Begründungspflicht aber nicht vor. Deshalb liegt die Annahme nahe, dass der Gesetzgeber eine solche Begründung für das Anpassungsverlangen nach § 20 Abs. 3 SchuldRAnpG nicht einführen wollte. Denn für Veränderungen nach § 20 Abs. 3 SchuldRAnpG ist eine Begründungspflicht nicht so dringend wie bei dem Anpassungsverlangen nach § 20 Abs. 1 SchuldRAnpG i.V.m. § 6 NutzEV. Die Anpassung nach der Nutzungsentgeltverordnung soll den Vermieter in die Lage versetzen, die vor dem Beitritt in der DDR üblichen niedrigen Nutzungsgebühren an die ortsüblichen Mietzinsen anzupassen, um dem Eigentümer, der aufgrund der Schutzvorschriften nach Art. 232 § 4 a EGBGB und § 23 SchuldRAnpG die Verträge nicht kündigen konnte, eine angemessene Bodenverzinsung zu ermöglichen. Mit der Verteilung der Erhöhung auf einen längeren Zeitraum war beabsichtigt, einen sprunghaften Anstieg des Nutzungsentgelts zu verhindern, der viele Nutzer gezwungen hätte, ihre Erholungsgrundstücke aufzugeben (Kiethe/Schilling Schuldrechtsanpassungsgesetz § 3 NutzEV Rdn. 24 unter Hinweis auf die amtliche Begründung BR-Drucks. 344/99 zu § 3). Insgesamt soll der Nutzer nicht mehr zahlen müssen, als andere Bürger aus freien Stücken für eine vergleichbare Nutzung auszugeben bereit sind (Kiethe/Schilling aaO Rdn. 5, 6). Deshalb ist Obergrenze für die Anhebung stets die ortsübliche Miete. Durch die Pflicht zur Begründung wird der Eigentümer angehalten, die erlaubten Anpassungsschritte zu beachten und insgesamt das ortsübliche Entgelt nicht zu überschreiten. Dieser Warnfunktion bedarf es bei der Erhöhung nach § 20 Abs. 3 SchuldRAnpG nicht in gleichem Umfang, weil nach Erreichen der ortsüblichen Miete nur noch Anpassungen entsprechend der ortsüblichen Entwicklung der Mieten möglich sind.

Aspekte der Rechtssicherheit und der Vertragsgerechtigkeit verlangen eine Begründung des Anpassungsverlangens nicht. Zwar trifft es zu, dass das Anpassungsverlangen nach § 20 Abs. 3 SchuldRAnpG automatisch zu einer Erhöhung des Mietzinses führt, ohne dass es der Zustimmung nach § 558 BGB (= § 2 MHG) bedarf (Kiethe/Matthiessen § 20 SchuldRAnpG Rdn. 25; Thiele/Winterstein Schuldrechtsänderungsgesetz § 20 SchuldRAnpG Rdn. 17). Das ist eine Folge der gesetzlichen Regelung (vgl. § 20 Abs. 3 Satz 4 SchuldRAnpG). Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass bei Mietverträgen, Pachtverträgen oder sonstigen Nutzungsverträgen jeweils die gesetzliche Grundlage anzugeben sei, wenn der Eigentümer von einem ihm nach dem Gesetz zustehenden Recht Gebrauch macht, gibt es nicht. Zwar wirken Gestaltungsrechte auf die Rechtsstellung des Erklärungsempfängers ohne dessen Zutun ein, so dass sich die Rechtsänderung klar und eindeutig aus der Erklärung ergeben muss (Palandt/Heinrichs BGB 67. Aufl. Überblick vor § 104 Rdn. 17). Ob ein eindeutiges Änderungsverlangen zu einer Erhöhung geführt hat, kann aber in einem gerichtlichen Verfahren geklärt werden, in dem die Voraussetzungen für die begehrte Erhöhung vom Eigentümer dargelegt und gegebenenfalls bewiesen werden muss.

b) Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Der Beklagte hat die Ortsüblichkeit des von der Klägerin nunmehr geltend gemachten Entgelts bestritten. Das Berufungsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen, was nachzuholen sein wird.

Ende der Entscheidung

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