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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 30.07.2008
Aktenzeichen: XII ZR 18/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1600 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 1600 b Abs. 1 Satz 1
BGB § 1600 e Abs. 1 Satz 1
ZPO § 640 h Abs. 2
Die nach § 1600 e Abs. 1 Nr. 3 BGB sowohl gegen den rechtlichen Vater als auch gegen das Kind zu erhebende Anfechtungsklage des leiblichen Vaters im Sinne des § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann nur Erfolg haben, wenn die Anfechtungsfrist des § 1600 b Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber beiden Beklagten gewahrt ist. Diese sind notwendige Streitgenossen im Sinne des § 62 ZPO; die Wahrung der Frist im Verhältnis zu einem von ihnen entfaltet aber nicht auch Wirkung gegenüber dem anderen (BGHZ 131, 376, 380 f.).
BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

XII ZR 18/07

Verkündet am: 30. Juli 2008

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juli 2008 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter Sprick, die Richterin Dr. Vézina und die Richter Dose und Dr. Klinkhammer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 3. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. Januar 2007 wird auf Kosten des Klägers, der auch die Kosten der Streithelferin zu tragen hat, zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger macht geltend, der leibliche Vater des am 5. Februar 1997 geborenen Beklagten zu 2 zu sein. Er hat an Eides Statt versichert, der Mutter des Beklagten zu 2 (Streithelferin der Beklagten), die zum Zeitpunkt der Geburt des Beklagten zu 2 mit dem Beklagten zu 1 verheiratet war, im Mai 1996 und damit innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt zu haben.

Der Kläger ficht die Vaterschaft des Beklagten zu 1 an und begehrt die Feststellung, dass er selbst der Vater des Beklagten zu 2 sei.

Eine am 29. März 2005 bei Gericht eingegangene Klageschrift bezeichnete in ihrem Rubrum das Kind als (einzigen) Beklagten und führte den rechtlichen Vater, den späteren Beklagten zu 1, als Beteiligten auf. In der Begründung heißt es einleitend, der Kläger fechte die Vaterschaft des Beteiligten an und betreibe die Feststellung, dass er der Vater des Beklagten sei. Zugleich wurden die Anträge angekündigt, erstens festzustellen, dass der Kläger Vater des Beklagten sei, und zweitens festzustellen, dass der Beteiligte nicht der Vater des Beklagten sei.

Daraufhin teilte das Familiengericht dem Kläger mit Verfügung vom 18. Mai 2005 mit, die beabsichtigte Kombination von Anfechtungs- und Feststellungsverfahren sei unzulässig; deshalb müsse zunächst Anfechtungsklage gegen den Beteiligten erhoben werden. Erst nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens sei dann Feststellungsklage (gegen das Kind) zu erheben. Zugleich fragte das Familiengericht an, ob die Klageschrift dennoch zugestellt werden solle.

Eine Zustellung dieser Klageschrift unterblieb, nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers mitteilte: "Aufgrund eines bedauerlichen Versehens wurden beide Verfahrensarten zusammengefasst. Selbstverständlich soll derzeit nur Anfechtungsklage erhoben sein. Somit entfällt der Feststellungsantrag."

Unter dem Datum 23. Juni 2005 reichte der Kläger eine neue Klageschrift ein, die allein den späteren Beklagten zu 1 als Beklagten bezeichnet, das Kind nicht als Partei oder weiter Beteiligten aufführt und nur den Antrag enthält, festzustellen, dass der Beklagte nicht der Vater des Kindes sei. Auch dort heißt es in der Begründung einleitend, der Kläger fechte die Vaterschaft des Beteiligten an und betreibe die Feststellung, dass er der Vater des Beklagten sei. Diese Klageschrift wurde dem Beklagten am 1. Juli 2005 zugestellt. Mit der Ladung der Kindesmutter als Zeugin zu dem anberaumten Verhandlungstermin wurde auch ihr als Vertreterin des Kindes diese Klageschrift am 15. Juli 2005 zugestellt. Die Kindesmutter trat dem Rechtsstreit daraufhin auf Seiten des Beklagten bei.

Im Verhandlungstermin am 5. September 2005 wies das Gericht die Parteien darauf hin, dass bislang lediglich die Mutter gemäß § 640 e ZPO beigeladen worden sei, nicht jedoch auch das Kind, das selbst nicht Partei des vorliegenden Verfahrens sei; dies könne jedoch noch nachgeholt werden. Insoweit sei die Einsetzung eines Ergänzungspflegers für das Kind erforderlich.

Nach Bestellung einer Ergänzungspflegerin für das Kind am 13. Oktober 2005 mit dem Wirkungskreis "Vertretung im Vaterschaftsfeststellungsverfahren" wurde dieser die Akte mit der Bitte um Mitteilung übersandt, ob das Kind einer der Parteien zur Unterstützung beitrete. Ein solcher Beitritt erfolgte nicht.

Mit Urteil vom 17. März 2006, dem Kläger zugestellt am 21. März 2006, wies das Familiengericht die gegen den rechtlichen Vater und späteren Beklagten zu 1 gerichtete Vaterschaftsanfechtungsklage ab.

Dagegen legte der Kläger Berufung ein. Die Berufungsschrift führt allein den rechtlichen Vater als Beklagten und Berufungsbeklagten auf. Die Berufungsbegründung enthält die Anträge, das angefochtene Urteil aufzuheben und festzustellen, dass der Beklagte nicht der Vater des Kindes sei.

Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 22. August 2006, dem Kläger zugestellt am 25. August 2006, wies das Berufungsgericht den Kläger darauf hin, dass die Klage nach § 1600e Abs. 1 Satz 1 BGB auch gegen das Kind gerichtet werden müsse, was auch durch Klageerweiterung in der Berufungsinstanz nachgeholt werden könne.

Mit am 31. August 2006 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ließ der Kläger erklären, die Klage werde erweitert und richte sich nun auch gegen das Kind. Dieser Schriftsatz wurde der Ergänzungspflegerin des Kindes am 25. Oktober 2006 zugestellt. In der mündlichen Verhandlung wurden sowohl der ursprüngliche Klageantrag als auch der "Antrag" aus der Klageerweiterung gestellt.

Das Berufungsgericht wies die Berufung des Klägers zurück. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers, mit der er seine zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

1. Die Parteien streiten allein darüber, ob zwischen den Beklagten eine sozial-familiäre Bindung besteht, die es dem nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich anfechtungsberechtigten Kläger hier nach § 1600 Abs. 2 BGB verwehrt, die nach § 1592 Nr. 1 BGB bestehende rechtliche Vaterschaft des Beklagten zu 1 anzufechten.

Beide Vorinstanzen haben dies bejaht und die Neuregelung des § 1600 Abs. 2 und 3 BGB entgegen der Ansicht des Klägers für verfassungsgemäß gehalten; wegen dieser Frage hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.

2. Darauf kommt es indes nicht an.

Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die im Wege der Klageerweiterung in zweiter Instanz gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Klage als unbegründet abgewiesen, wie den Entscheidungsgründen zu entnehmen ist.

Die Klage kann nämlich schon deshalb insgesamt keinen Erfolg haben, weil der Kläger die Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 BGB gegenüber dem Beklagten zu 2 nicht gewahrt hat.

a) Diese Frist ist im Falle der Vaterschaftsanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht nur gegenüber dem rechtlichen Vater zu wahren, dessen Vaterschaft angefochten wird, sondern auch gegenüber dem nach § 1600 e Abs. 1 Nr. 3 BGB ebenfalls zu verklagenden Kind. Zwar ist die (isolierte) Klage auf Feststellung der Vaterschaft in den Fällen des § 1600 d Abs. 1 BGB an keine Frist gebunden (vgl. Erman/Hammermann BGB 12. Aufl. § 1600 d Rdn. 8). Die (auch) gegen das Kind gerichtete Klage des leiblichen Vaters beschränkt sich aber nicht auf dessen Begehren, seine eigene Vaterschaft zu diesem Kind festzustellen. Sie ist zugleich - und logisch zunächst - auch eine Anfechtungsklage gegen das Kind (vgl. BR-Drucks. 15/2253 S. 11).

Dies zeigt auch die Neuregelung des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB, bei der sich die Anfechtungsklage der zuständigen Behörde gegen den Anerkennenden und das Kind als reine Anfechtungsklage erweist (vgl. BT-Drucks. 16/3291 S. 15 a.E.). Die Klage gegen das Kind ist nämlich sowohl in den Fällen des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB als auch des § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB darauf gerichtet, das Verwandtschaftsverhältnis von rechtlichem Vater und Kind zu beseitigen (vgl. BT-Drucks. 15/2253 S. 13). Im zuletzt genannten Fall ist sie nur deshalb zugleich auf Feststellung der Vaterschaft des Klägers gerichtet, § 640 h Abs. 2 ZPO, weil das Kind im Fall erfolgreicher Anfechtung nicht vaterlos werden soll (vgl. Thomas/Hüßtege ZPO 28. Aufl. § 640 h Rdn. 11). Als Anfechtungsklage, ohne deren Erfolg die Feststellung der Vaterschaft des Klägers nach § 640 h Abs. 2 ZPO nicht in Betracht kommt, unterliegt sie jedoch ebenfalls der Anfechtungsfrist des § 1600 b Abs. 1 BGB.

b) Die Frist des § 1600 b Abs. 1 BGB ist eine von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist. Sie beginnt für einen Anfechtungsberechtigten nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB regelmäßig mit der Kenntnis von der Geburt des Kindes, § 1600 b Abs. 2 Satz 1 BGB (vgl. Erman/Hammermann aaO § 1600 b Rdn. 17), hier wegen der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 10 EGBGB jedoch erst am 30. April 2004. Sie ist am Dienstag, 2. Mai 2006, abgelaufen.

c) Da die Frist nach § 1600 b Abs. 1 Satz 1 BGB durch "gerichtliche" Anfechtung zu wahren ist, setzt dies die Rechtshängigkeit der Anfechtungsklage durch Zustellung voraus; allerdings wirkt eine "demnächst" erfolgende Zustellung nach § 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage zurück (vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 1994 ­ XII ZR 136/93 ­ FamRZ 1994, 1313, 1314 zu § 270 Abs. 3 ZPO a.F.; Erman/Hammermann aaO § 1600 b Rdn. 5).

d) Durch Einreichung der ursprünglichen Klageschrift vom 23. März 2005 wurde die Frist nicht gewahrt, da diese Klageschrift niemals zugestellt wurde.

e) Auch die Einreichung der modifizierten Klageschrift vom 23. Juni 2005 konnte die Frist nicht wahren. Insoweit kann dahinstehen, ob sie dem Kind überhaupt ordnungsgemäß zugestellt worden ist, sei es durch Zustellung an die Kindesmutter am 15. Juli 2005, sei es durch die im Oktober 2005 der Ergänzungspflegerin des Kindes gewährte Akteneinsicht. Die Revision hat zwar auf Hinweis des Senats geltend gemacht, aus der einleitenden Begründung ergebe sich, dass sich die Klage auch gegen das Kind gerichtet habe. Dem vermag der Senat jedoch wegen des eindeutigen, nur den späteren Beklagten zu 1 als Beklagten bezeichnenden Rubrums und der entsprechenden Antragstellung nicht zu folgen.

Auch darauf kommt es aber letztlich nicht an. Selbst wenn der Auffassung der Revision zu folgen wäre, hätte das Familiengericht den Rechtsstreit dann nur teilweise entschieden, denn Rubrum, Tenor, Tatbestand und Entscheidungsgründe lassen keinen Zweifel daran zu, dass das Familiengericht lediglich über die gegen den späteren Beklagten zu 1 gerichtete Anfechtungsklage entscheiden wollte und entschieden hat.

Der Kläger hat insoweit keine Urteilsergänzung beantragt. Die Rechtshängigkeit eines vom Gericht übergangenen Streitgegenstandes erlischt aber mit Ablauf der Frist des § 321 Abs. 2 ZPO, mithin zwei Wochen nach Zustellung des Urteils (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1990 ­ I ZR 45/89 ­ NJW 1991, 1683, 1684 unter I 2 a; Zöller/Greger ZPO 26. Aufl. § 261 Rdn. 7).

Im Berufungsrechtszug konnte über diesen Streitgegenstand daher erst entschieden werden, nachdem ihn der Kläger durch den am 31. August 2006 bei Gericht eingegangenen klageerweiternden Schriftsatz - nach seiner Auffassung: wieder - in den Prozess eingeführt hatte, denn Streitgegenstände, über die das angefochtene Urteil nicht entschieden hat, fallen der Berufungsinstanz nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1990 ­ I ZR 45/89 ­ NJW 1991, 1683, 1684 unter I 2 a). Die Rechtshängigkeit der Klage gegen den Beklagten zu 2 trat daher gemäß § 261 Abs. 2 2. Alt. ZPO erst mit Zustellung dieses Schriftsatzes an das Kind am 25. Oktober 2006 ein. Selbst wenn diese Zustellung gemäß § 167 BGB auf den Tag der Einreichung (31. August 2006) zurückwirkt, war die Frist des § 1600 b Abs. 1 Satz 1 BGB auch an diesem Tage bereits abgelaufen, und zwar unabhängig davon, ob eine sozial-familiäre Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 2 BGB bestand, da diese die Anfechtungsfrist nicht hemmt (Senatsurteil BGHZ 170, 161, 174 = FamRZ 2007, 538, 541 f.).

f) Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn man der Auffassung der Revision folgt, schon in erster Instanz habe sich die Klage auch gegen das Kind gerichtet. Ein dann gegebenenfalls anzunehmende zwischenzeitliche Rechtshängigkeit konnte die Frist des § 1600 b Abs. 1 Satz 1 BGB schon deshalb nicht gemäß §§ 204 Abs. 1 Nr. 1, 209 BGB hemmen, weil § 1600 b Abs. 5 Satz 3 BGB nur die §§ 206, 210 BGB für entsprechend anwendbar erklärt, nicht aber § 204 Abs. 1 BGB.

g) Auch eine Hemmung nach § 206 BGB kommt hier nicht in Betracht.

Zwar kann als höhere Gewalt im Sinne dieser Vorschrift, die den Kläger in den letzten sechs Monaten vor Fristablauf an der Rechtsverfolgung hindert, unter Umständen auch ein falscher Hinweis des Gerichts verstanden werden (vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 1994 ­ XII ZR 136/93 ­ FamRZ 1994, 1313; MünchKomm-BGB/Wellenhofer 5. Aufl. § 1600 b Rdn. 36; Staudinger/Rauscher BGB [2000] § 1600 b Rdn. 56).

Hier war zwar der Hinweis des Familiengerichts vom 18. Mai 2005 ersichtlich unzutreffend, weil er die frühere Rechtslage wiedergab (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 1999 ­ XII ZR 117/97 ­ FamRZ 1999, 716) und die ab 30. April 2004 bis 31. Mai 2008 geltende Neufassung des § 1600 e Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes, zur Registrierung von Vorsorgeverfügungen und zur Einführung von Vordrucken für die Vergütung von Berufsbetreuern (VatAnfVuaÄndG) vom 23. April 2004 (BGBl. 2004 I 598) ignorierte, derzufolge im Fall der Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Klage sowohl gegen das Kind als auch gegen den Vater im Sinne von § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu richten ist. Dieser Hinweis hat den Rechtsirrtum des Prozessbevollmächtigten des Klägers, den dieser sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss (BGHZ 81, 353, 356), ersichtlich bestärkt oder gar erst hervorgerufen.

Als höhere Gewalt ist ein derart bestärkter oder hervorgerufener Rechtsirrtum aber nur dann anzusehen, wenn er unter den gegebenen Umständen auch durch äußerste, nach der Sachlage vom Betroffenen vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte (BGHZ 129, 282, 289; 24, 134, 136).

Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Schon das geringste (Anwalts-) Verschulden schließt höhere Gewalt aus (BGHZ 81, 353, 355). Von einem Rechtsanwalt, der in seiner Klageschrift auf die zum 30. April 2004 in Kraft getretene Gesetzesänderung hinweist und seine Klage auf die hierdurch erstmals geschaffene Anfechtungsmöglichkeit des biologischen Vaters stützt, muss erwartet werden, dass er die Änderungen der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen insgesamt zur Kenntnis nimmt, also neben § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch die nachfolgenden Bestimmungen beachtet, insbesondere die eindeutige und in Rechtsprechung und Literatur nicht umstrittene Regelung des § 1600 e Abs. 1 Satz 1 BGB, der bereits in seiner alten Fassung (§ 1600 e Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB) auf die zuvor genannte Vorschrift ausdrücklich Bezug nahm (vgl. im Übrigen jetzt § 1600 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB).

Jedenfalls musste der Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2005, dass das Kind nicht Partei des Rechtsstreits sei, dessen Beiladung nach § 640 e ZPO aber nachgeholt werden könne, den Prozessbevollmächtigten des Klägers erneut veranlassen, sich über die Notwendigkeit und die Art der Einbeziehung des Kindes in das vorliegende Verfahren zu vergewissern, zumal dieser Hinweis auch dahin verstanden werden konnte, die bislang fehlende Parteistellung des Kindes solle nachträglich herbeigeführt werden. Spätestens seit diesem Hinweis - und damit vor Beginn der letzten sechs Monate der Frist, § 206 BGB - war sein Rechtsirrtum durch die gebotene Beachtung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften vermeidbar und nicht mehr unverschuldet.

3. Die Beklagten zu 1 und 2 sind notwendige Streitgenossen im Sinne des § 62 ZPO (vgl. Erman/Hammermann aaO § 1600 e Rdn. 5; Wieser FamRZ 2004, 1773). Über die Frage, ob der Beklagte zu 1 der Vater des Beklagten zu 2 ist, und über die Frage, ob der Beklagte zu 2 das Kind des Klägers ist, kann nur einheitlich entschieden werden, vgl. auch § 640 h Abs. 1 Satz 1 ZPO. Da die frühere Rechtshängigkeit der Klage gegen den Beklagten zu 1 und die Wahrung der Frist des § 1600 b Abs. 1 BGB ihm gegenüber nicht auch Wirkung gegenüber dem Beklagten zu 2 entfaltet (vgl. BGHZ 131, 376, 380 f.), konnte dessen Status als eheliches Kind des Beklagten zu 1 nach Ablauf der Anfechtungsfrist nicht mehr beseitigt werden. Da sich eine entgegengesetzte Statusentscheidung im Verhältnis zum Beklagten zu 1 verbietet, muss der Klage der Erfolg insgesamt verwehrt bleiben.



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