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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 06.12.2006
Aktenzeichen: XII ZR 190/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 145 Abs. 1
ZPO § 260
ZPO § 640 c Abs. 1 Satz 1
a) Zur Unzulässigkeit einer bedingten Klage (Hilfsantrag) nach Prozesstrennung in der Revisionsinstanz, wenn Haupt- und Hilfsantrag wegen eines gesetzlichen Verbindungsverbots nicht hätten verbunden werden dürfen.

b) Auch dann, wenn das Berufungsgericht über den Hilfsantrag in der Sache entschieden hat, kann dieser in der Revisionsinstanz nicht mehr zum Hauptantrag erhoben werden (Fortführung von BGHZ 28, 136, 137).


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XII ZR 190/06

Verkündet am: 6. Dezember 2006

in der Kindschaftssache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln vom 6. Mai 2004 wird, soweit sie Gegenstand dieses Revisionsverfahrens ist (Hilfsantrag), auf Kosten des Klägers mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage insoweit unzulässig ist.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger hatte mit Jugendamtsurkunde vom 16. Januar 1984 anerkannt, Vater des am 12. September 1983 geborenen Beklagten (vormals: Beklagter zu 2) zu sein. Mit dessen Mutter (vormals: Beklagte zu 1), war er zu keinem Zeitpunkt verheiratet.

Inzwischen bezweifelt der Kläger seine biologische Vaterschaft und begehrte mit seiner am 28. August 2003 zugestellten Klage in erster Linie, den Beklagten und seine Mutter entsprechend einer von ihnen widerrufenen Einverständniserklärung vom 29. November 2001 zu verurteilen, "einen Vaterschaftstest nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst durchzuführen, welcher darstellt, ob der Kläger der Vater des Beklagten ist oder nicht". Hilfsweise begehrt er mit seiner insoweit nur gegen den Beklagten erhobenen Klage, festzustellen, dass er nicht dessen Vater sei.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2004, 1987 veröffentlicht ist, hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Der Senat hat das vorliegende Revisionsverfahren von dem Verfahren über den Hauptantrag (XII ZR 97/04) gemäß § 145 Abs. 1 ZPO abgetrennt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision, deren Gegenstand nach Prozesstrennung hier nur noch der Hilfsantrag ist, hat keinen Erfolg.

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Insbesondere konnte der Kläger sie zum Oberlandesgericht einlegen. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob für die Entscheidung über den Hauptantrag die allgemeine Zivilabteilung des Amtsgerichts zuständig gewesen wäre, gegen dessen Entscheidung dann Berufung zum Landgericht hätte eingelegt werden müssen (vgl. LG Berlin FamRZ 1978, 835, 836). Denn weil hier im ersten Rechtszug das Familiengericht entschieden hat, ergibt sich die Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts aus § 119 Abs. 1 Nr. 1 a GVG (formelle Anknüpfung). Zur Entscheidung über das Rechtsmittel war folglich auch der Familiensenat des Oberlandesgerichts berufen (vgl. Musielak/Wittschier aaO § 119 GVG Rdn. 9 f.).

II.

Der Hauptantrag des Klägers ist erfolglos geblieben. Der Senat hat die Revision insoweit mit Urteil vom heutigen Tage (XII ZR 97/04) zurückgewiesen.

Die hilfsweise erhobene Klage ist unzulässig.

Die Klage ist als verfahrenseinleitender Akt streng bedingungsfeindlich, weil die Existenz eines Prozessrechtsverhältnisses zwischen den Parteien nicht ungewiss sein darf (vgl. Stein/Jonas/Schumann ZPO 21. Aufl. § 253 Rdn. 3). Deshalb ist es unzulässig, eine Klage unter einer Bedingung zu erheben, insbesondere der, dass ein anderes selbständiges Verfahren auf eine bestimmte Weise entschieden wird (MünchKomm/Lüke ZPO 2. Aufl. § 260 Rdn. 13). Sie wird auch nicht dadurch zulässig, dass diese Bedingung später eintritt.

Dies gilt auch dann, wenn die Bedingung zunächst nur als innerprozessuale Bedingung gewollt war, die im allgemeinen als zulässig anzusehen ist und erst durch eine erforderliche Prozesstrennung zu einer außerhalb des Verfahrens liegenden Bedingung wird. Ein Kläger, der eine Klage unzulässigerweise davon abhängig machen will, dass ein anderes Begehren erfolglos bleibt, kann die Zulässigkeit dieser Klage nicht dadurch erzwingen, dass er ein weiteres unzulässiges Ansinnen stellt, nämlich diese Bedingung dadurch zu einer innerprozessualen werden zu lassen, dass beide Begehren entgegen einem gesetzlichen Verbindungsverbot zu einem und demselben Verfahren verbunden werden. Hier besteht ein solches Verbindungsverbot nach § 640 c Abs. 1 Satz 1 ZPO. Zur näheren Begründung wird auf den Trennungsbeschluss des Senats vom 6. Dezember 2006 (- XII ZR 97/04 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) verwiesen.

1. Der Hilfsantrag des Klägers kann hier nicht schon für das Berufungsverfahren in eine unbedingte Prozesshandlung und damit in einen Hauptantrag umgedeutet werden, wie die Revision zu erwägen gibt. Der anwaltlich vertretene Kläger hat seinen Antrag im Schriftsatz vom 30. Juli 2003, "hilfsweise" festzustellen, dass er nicht der Vater des Beklagten sei, in einem weiteren Schriftsatz vom selben Tage als Hilfsantrag bezeichnet und in der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht zunächst den "Hauptantrag" und sodann "hilfsweise" den Antrag aus seinem Schriftsatz vom 30. Juli 2003 gestellt. Das Familiengericht hat darüber als Haupt- und Hilfsantrag entschieden. In seiner Berufungsbegründung hat er diese Anträge unverändert im Verhältnis von Haupt- und Hilfsantrag wiederholt. Schon deshalb liegt eine dem Wortlaut zuwiderlaufende Auslegung fern.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Argument der Revision, für die Auslegung des Hilfsantrages als (weiteren) Hauptantrag spreche, dass der Kläger ja ohnehin Vaterschaftsanfechtungsklage habe erheben müssen, weil dies unabdingbare Voraussetzung für sein Anliegen sei, keine Unterhaltsleistungen für den Beklagten mehr erbringen zu müssen.

Dieses Argument überzeugt nicht. Weil der Kläger seine Vaterschaft 1983 anerkannt hatte und seine jetzigen Zweifel nur auf anonyme Anrufe aus dem Jahre 2000 und das ihm daraufhin 2003 bewusst gewordene Fehlen einer äußerlichen Ähnlichkeit gründet, musste er auch mit der Möglichkeit rechnen, die von ihm in erster Linie gewünschte außergerichtliche Abstammungsbegutachtung könne seine Vaterschaft bestätigen. Dann liegt es aber nahe, dass er sich nur hilfsweise in einem gerichtlichen Kindschaftsverfahren Gewissheit verschaffen wollte, vorrangig aber diese Gewissheit durch ein außergerichtliches Abstammungsgutachten zu erlangen erstrebte. Wenn dieses seine Vaterschaft zweifelsfrei erwiesen hätte, hätte er vermutlich davon Abstand genommen, anschließend doch noch eine kaum erfolgversprechende Anfechtungsklage anzustrengen, und sich mit seiner Unterhaltspflicht abgefunden. Hingegen hätte er bei einem Ausschluss seiner Vaterschaft oder bei durch das Gutachten belegten erheblichen Zweifeln daran eine solche Klage immer noch innerhalb der Anfechtungsfrist des § 1600 b Abs. 1 BGB erheben können. Denn anonyme Anrufe, deren Inhalt nach seinem eigenen Vortrag in der Mitteilung bestand, dass er nicht der Vater des Beklagten sei, sind nach der Rechtsprechung des Senats ersichtlich keine Umstände, die bei sachlicher Beurteilung geeignet waren, Zweifel an seiner Vaterschaft zu erwecken und die nicht ganz fern liegende Möglichkeit seiner Nichtvaterschaft zu begründen (vgl. BGHZ 61, 195, 197). Die Frist des § 1600 b Abs. 1 BGB konnte somit nicht schon im Jahre 2000 zu laufen begonnen haben.

2. Die Klage ist auch nicht dadurch zulässig geworden, dass der Kläger seinen bisherigen Hilfsantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nunmehr ausdrücklich als Hauptantrag gestellt hat.

Die von Stein/Jonas/Schumann (ZPO 21. Aufl. § 260 Rdn. 53) aufgezeigte Möglichkeit, einer Abweisung als unzulässig durch Fallenlassen der Bedingung zu entgehen, besteht in der Revisionsinstanz nicht mehr. Dort kann ein Hilfsantrag nicht mehr zum Hauptantrag erhoben werden, weil darin eine Klageänderung liegt, die in der Revision nicht mehr statthaft ist (BGHZ 28, 136, 137 m. zust. Anm. Fischer LM § 561 ZPO Nr. 20 in einem Fall, in dem das Berufungsgericht über den Hilfsantrag sachlich nicht entschieden hatte; BFHE 137, 478 in einem Fall, in dem das Berufungsgericht - wie hier - auch den Hilfsantrag als unbegründet abgewiesen hatte; Wieczorek/Schütze/Prütting ZPO 3. Aufl. § 559 Rdn. 34; Gottwald, Die Revisionsinstanz als Tatsacheninstanz S. 371; a.A. Schiller, Die Klageänderung in der Revisionsinstanz in Zivilsachen S. 60, 180 f.). Insoweit handelt es sich nämlich um eine Klageänderung im Sinne einer Klageerweiterung, weil die zuvor nur alternativ geltend gemachten Klagebegehren nunmehr kumulativ verfolgt werden. Das übersieht Schiller (aaO. S. 180) bei seiner Argumentation, der Beklagte habe sich bereits in den Tatsacheninstanzen gegen den Hilfsantrag verteidigen können und mit einem rechtskräftigen Urteil darüber rechnen müssen. Mit einer Verurteilung sowohl auf den Haupt- als auch auf den Hilfsantrag hin brauchte er nicht zu rechnen.

Das Revisionsgericht kann einer Partei nicht mehr zusprechen, als sie in der Berufungsinstanz zuletzt beantragt hatte. Das begehrt der Kläger aber hier, wenn er seinen bisherigen Hilfsantrag zum (weiteren) Hauptantrag erhebt. Die Zulässigkeit eines solchen Begehrens kann auch nicht davon abhängen, in welchem Umfang es begründet wäre. Daraus folgt zugleich, dass das Revisionsgericht bei seiner Entscheidung über die nach § 145 Abs. 1 ZPO getrennten Ansprüche keine bestimmte Reihenfolge zu beachten hat.

Ende der Entscheidung

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