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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 31.01.2001
Aktenzeichen: XII ZR 221/98
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, EGBGB, GmbHG


Vorschriften:

ZPO § 286 Abs. 1
ZPO § 287
BGB § 117 Abs. 1
BGB § 557 Abs. 1 Satz 1
BGB § 987
BGB § 990
BGB § 990 Abs. 1 Satz 2
BGB § 987 Abs. 1
BGB § 284 Abs. 1
EGBGB § 2 Abs. 5
EGBGB § 2 Abs. 1
GmbHG § 35 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XII ZR 221/98

Verkündet am: 31. Januar 2001

Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Hahne, Gerber und Prof. Dr. Wagenitz

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 14. Juli 1998 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen verspäteter Räumung und Herausgabe (unter-)gemieteter Vereinsräume in Anspruch.

Die Klägerin ist seit dem 15. Oktober 1991 Eigentümerin des Grundbesitzes in E., K.platz, den sie von der früheren Eigentümerin Petra G. aufgrund des Kaufvertrages vom 22. November 1990/7. Januar 1991 erworben hat. Bereits vor dem Abschluß des Kaufvertrages hatte die Voreigentümerin die Klägerin zu Verhandlungen, insbesondere über die Mietverhältnisse in dem Kaufobjekt, bevollmächtigt. In dem Grundstückskaufvertrag trat die Voreigentümerin "sämtliche etwa bestehenden Ansprüche und Forderungen aus früheren Mietverhältnissen gegen Mieter, Untermieter oder sonstige Dritte" an die Klägerin ab.

Durch Vertrag vom 27. Februar 1960 hatte die Voreigentümerin G. das aus fünf Zimmern, Bad und WC bestehende Obergeschoß des Anwesens an die Handelsorganisation Kreis E. (im folgenden: HO) vermietet, die später die Bezeichnung EHG (E. Hotel- und Gaststätten) GmbH führte. Die HO hatte am 6. Juli 1973 einen Untermietvertrag über die Räume der ersten Etage mit dem D. F. Deutschlands (DFD) - Kreisvorstand E. - zu einem Mietzins von monatlich 153 Mark geschlossen. Die Arbeit des früheren d. F. wird inzwischen von dem Beklagten fortgesetzt, der nach dem Wirksamwerden des Beitritts der neuen Länder die Bezeichnung D. F. e.V. führt.

Mit Schreiben vom 1. März 1990 kündigte die HO den Untermietvertrag mit dem D. F. zum 30. Juni 1990 und wiederholte die Aufforderung zur Räumung und Schlüsselübergabe bis 30. Juni 1990 mit einem weiteren Schreiben vom 12. Juni 1990 (Beiakten O 17/92 S. 34). Der D. F. leistete der Aufforderung keine Folge. Daraufhin reichte die Voreigentümerin G. im Januar 1991 Räumungsklage gegen den Beklagten ein, welcher durch Urteil vom 8. Mai 1991 stattgegeben wurde. Am 19. August 1991 erfolgte die Räumung.

Inzwischen hatten die Voreigentümerin und der Hauptmieter EHG GmbH aufgrund einer Abmachung vom 28. September 1990 das Hauptmietverhältnis durch Vertrag vom 19. Oktober 1990 einvernehmlich aufgehoben. Hiervon wurde der D. F. in Kenntnis gesetzt. Mit Schreiben vom 23. November 1990 wies die Klägerin als Vertreterin der Voreigentümerin den D. F. erneut auf die Beendigung des Hauptmietverhältnisses und die erfolgte Kündigung des Untermietvertrages sowie darauf hin, daß der D. F. die streitigen Räume inzwischen rechtswidrig besetzt halte und sich mit diesem Verhalten schadensersatzpflichtig mache.

Die Voreigentümerin hatte am 15. Oktober 1990 einen Mietvertrag über das gesamte Anwesen mit der Firma C. E. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer M., geschlossen, nach welchem das Mietverhältnis am 1. November 1990 beginnen und auf die Dauer von zehn Jahren - mit Verlängerungsklausel - fest abgeschlossen sein sollte. Der Mietzins wurde auf monatlich 9.400 DM festgesetzt. Außerdem verpflichtete sich die Firma C. E. GmbH zur Instandsetzung und Renovierung der Räume mit der Maßgabe, daß die Vermieterin 50 % der Renovierungskosten tragen sollte. Da die Räume nicht, wie vereinbart, ab 20. Oktober 1990 für den Beginn der Instandsetzungsarbeiten zur Verfügung standen und der Beklagte auch in der Folgezeit die von ihm innegehaltenen Räume nicht aufgab, erklärte der Geschäftsführer M. der Fa. C. E. GmbH am 13. Februar 1991 den Rücktritt von dem geschlossenen Mietvertrag.

Die Voreigentümerin fand erst zum Oktober 1991 einen neuen Mieter für das Anwesen. Sie vermietete es - nach Durchführung der erforderlichen Renovierungen - an die R.bank Es. eG für einen Mietzins von monatlich 3.235 DM für das erste Obergeschoß und monatlich weiteren 6.400 DM für die übrigen Räume, wobei die Beträge jeweils erst seit Fertigstellung der entsprechenden Räume im Februar 1992 bzw. im Juli 1992 gezahlt wurden.

Nachdem die Klägerin vor dem Kreisgericht E. ein - rechtskräftiges - Urteil über den Ersatz des ihr für Dezember 1990 entgangenen Mietzinses gegen den Beklagten erwirkt hat, macht sie im vorliegenden Rechtsstreit als Schadensersatz den Mietzinsausfall für die Zeit von Januar 1991 bis Januar 1992 in Höhe von 122.200 DM und von Februar 1992 bis Juni 1992 in Höhe von 30.825 DM sowie die anteiligen Renovierungskosten in Höhe von 148.376,48 DM geltend. Sie stützt den erhobenen Anspruch darauf, daß sie bei fristgerechter Räumung des ersten Obergeschosses durch den Beklagten den mit der Firma C. E. GmbH vereinbarten monatlichen Mietzins von 9.400 DM für 13 Monate (Januar 1991 bis Januar 1992) in Höhe von 122.200 DM, und in der Zeit von Februar 1992 bis Juni 1992 - als die Nachfolgemieterin nur monatlich 3.235 DM für das Obergeschoß entrichtete - für fünf Monate jeweils (9.400 DM - 3.235 DM) 6.165 DM, zusammen also weitere 30.825 DM, erhalten haben würde. Neben dem sich hieraus ergebenden Mietzinsausfall in Höhe von insgesamt 153.025 DM schulde ihr der Beklagte auch die Hälfte der mit insgesamt 296.752,96 DM angefallenen Renovierungskosten, da die R.bank Es. e.G. als neuer Mieter im Gegensatz zu der Firma C. E. GmbH nicht bereit gewesen sei, Kosten für die Instandsetzungs- und Umbauarbeiten an der Bausubstanz zu übernehmen.

Als Mietausfallschaden begehrt die Klägerin hilfsweise den ortsüblichen Mietzins, den sie für das erste Obergeschoß einschließlich Nebenkosten mit monatlich 3.235 DM (117,4 qm zu je 25 DM zuzüglich 300 DM Nebenkosten) angegeben hat.

Das Landgericht hat durch Teil- und Grundurteil den Beklagten zur Zahlung des Mietzinsausfalls in der begehrten Höhe von 153.025 DM verurteilt und im übrigen den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der diese die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Es sei nach Aktenlage aufgrund mehrerer Indizien gemäß § 286 Abs. 1 ZPO zu der Überzeugung gelangt, daß der Klägerin der geltend gemachte Schaden nicht entstanden sei. Denn der Mietvertrag vom 15. Oktober 1990 sei nur zum Schein geschlossen worden und deshalb gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtig. Dies hat das Berufungsgericht aus einer Wertung der Zeugenaussage des Geschäftsführers der Firma C. E. GmbH M. in Verbindung mit dem Sachvortrag der Klägerin geschlossen, den das Gericht in mehrfacher Hinsicht für nicht nachvollziehbar, nach allgemeiner Lebenserfahrung lebensfremd und jeder wirtschaftlichen und vernünftigen Betrachtungsweise widersprechend beurteilt hat. Das Berufungsgericht hat es auch abgelehnt, den hilfsweise geltend gemachten ortsüblichen Mietzins zuzuerkennen, da nicht ersichtlich sei, daß die Klägerin bis zum Auszug des Beklagten einen anderen Mieter gefunden haben würde. Außer dem Scheinmieter habe sie niemanden gesucht.

Schließlich hat das Berufungsgericht ausgeführt: Aus § 557 Abs. 1 Satz 1 BGB könne die Klägerin den erhobenen Anspruch ohnehin nicht herleiten; hierzu wäre allenfalls die Firma EHG GmbH berechtigt. Der Klägerin könnte insoweit allenfalls ein Anspruch aus §§ 987, 990 BGB zustehen, der indessen einer abweichenden Darlegungslast unterliege. Hierbei wäre insbesondere zu berücksichtigen, daß die Renovierungsarbeiten teilweise bereits in Gang gewesen seien, als der Beklagte die Räume noch genutzt habe. Seine Nutzungen wären daher gemindert gewesen. Zu einem Anspruch aus § 987, 990 BGB habe die Klägerin aber keinen ausreichenden Sachvortrag gehalten, den Anspruch selbst habe sie nicht einmal erwähnt. Einer weiteren Beweisaufnahme habe es unter diesen Umständen nicht bedurft.

2. Diese Ausführungen halten, wie die Revision zu Recht rügt, der revisionsrechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

a) Rechtlich zutreffend hat das Oberlandesgericht allerdings eine Anwendung des § 557 Abs. 1 und Abs. 2 BGB abgelehnt. Die Vorschrift gilt nicht im Verhältnis zwischen Vermieter und Untermieter (vgl. BGB RGRK/Gelhaar 12. Aufl. § 557 Rdn. 24; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet- Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl. Rdn. 1362, 1344; Scheuer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. V A Rdn. 53 und 235; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 7. Aufl. § 557 Rdn. 3; MünchKomm/Voelskow BGB 3. Aufl. § 557 Rdn. 8), zwischen denen keine vertraglichen und dementsprechend auch keine nachvertraglichen Rechtsbeziehungen bestehen.

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts greifen jedoch die Vorschriften der §§ 990, 987 BGB ein. Der Sachvortrag der Klägerin rechtfertigt grundsätzlich eine Anwendung der Regeln des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses (vgl. Wolf/Eckert/Ball aaO Rdn. 1362; BGB RGRK Gelhaar aaO; Emmerich/Sonnenschein aaO; BGH, Urteil vom 6. November 1968 - V ZR 85/65 = WM 1968, 1370, 1371 = LM § 987 BGB Nr. 10). Dabei ist die Subsumtion des Klagevorbringens unter einzelne gesetzliche Vorschriften Aufgabe des Gerichts, ohne daß die klagende Partei gehalten ist, eine bestimmte Anspruchsgrundlage zu nennen, auf die sie ihr Klagebegehren stützt.

aa) Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin auf Nutzungsentschädigung nach §§ 987, 990 BGB sind erfüllt.

Die Klägerin ist - seit dem 15. Oktober 1991 - Eigentümerin des streitigen Anwesens. Soweit die Klageforderung Ansprüche aus der Zeit vor ihrem Eigentumserwerb umfaßt, hat die Klägerin diese durch Abtretung von der Voreigentümerin erworben.

Der Beklagte war im streitigen Zeitraum Besitzer der von dem D. F. (DFD) im Jahre 1973 gemieteten und nach dem 3. Oktober 1990 von seinem (des Beklagten) Kreis/Ortsverband E. bis zur Räumung im August 1991 weiter genutzten Räume. Der Beklagte, der sich selbst als gemeinnützige Vereinigung bezeichnet hat, seit dem 26. Februar 1990 registriert war (vgl. den notariellen Antrag an das Vereinsregister vom 18. März 1991) und nach eigenen Angaben seit der Wiedervereinigung ein eingetragener Verein ist (vgl. Art. 231 § 2 Abs. 3 EGBGB und Schriftsatz vom 12. Dezember 1990 in dem Verfahren O 17/92 Kreisgericht E.), hat nach der Regelung des Art. 231 § 2 Abs. 1 EGBGB in Verbindung mit §§ 4, 21 des Vereinigungsgesetzes vom 21. Februar 1990 (GBl. DDR I 75 in der Fassung des Gesetzes vom 22. Juni 1990 aaO 470, berichtigt aaO S. 546; § 8 Abs. 2 Parteiengesetz vom 21. Februar 1990 GBl. DDR I 66) nach dem 3. Oktober 1990 "fortbestanden".

Ein Recht zum Besitz stand dem Beklagten gegenüber der Voreigentümerin seit dem 19. Oktober 1990 nicht mehr zu. Mit der Aufhebung des Hauptmietverhältnisses zwischen der Voreigentümerin G. und der EHG GmbH endete nicht nur das Besitzrecht der Hauptmieterin, sondern zugleich das von dieser abgeleitete Besitzrecht des Untermieters (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1968 aaO S. 1371 unter 2. a)).

Da dieser in der Person der Vorsitzenden des Ortsverbandes E., Frau H. W., die sich selbst als Vertreterin des D. F. e.V. bzw. als Geschäftsführerin (vgl. Schreiben an die Voreigentümerin vom 15. November 1990 und Vollmacht für Rechtsanwalt N. vom 7. Dezember 1990) bezeichnet hat, (vgl. dazu §§ 26 Abs. 2, 30, 166 Abs. 1 BGB) sowohl von der Voreigentümerin als auch von der Klägerin - unter anderem durch das Schreiben vom 23. November 1990 - auf die Beendigung des Hauptmietverhältnisses hingewiesen worden war und damit erfahren hatte, daß er nicht mehr zum Besitz der Räume berechtigt war, war er von diesem Zeitpunkt an bösgläubig im Sinne von § 990 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Seit der Rechtshängigkeit der von der Voreigentümerin am 16. Januar 1991 bei Gericht eingereichten, dem Beklagten am 5. März 1991 zugestellten Eigentumsherausgabeklage (vgl. §§ 261, 253 ZPO), die später zur Verurteilung des Beklagten führte, war dieser gemäß § 987 Abs. 1 BGB zur Herausgabe der gezogenen Nutzungen (Gebrauchsvorteile im Sinne von § 100 BGB) - das heißt des Mietwertes der innegehabten Räume (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1968 aaO S. 1371 unter 2. c)) - verpflichtet. Der Wert dieser zu ersetzenden Nutzungen bemißt sich nach dem objektiven Mietwert der Räume (vgl. Wolf/Eckert/Ball aaO Rdn. 1364; Scheuer aaO V A Rdn. 128, 129), für dessen Bestimmung als Bemessungsgrundlage der ortsübliche Mietzins herangezogen werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 14. Juli 1995 - V ZR 45/94 = NJW 1995, 2627, 2628; vom 7. November 1997 - LwZR 6/97 = NJW 1998, 1707; vom 12. November 1992 - V ZR 230/91 = NJW 1993, 389, 392 unter 2. b); Palandt/Heinrichs BGB 59. Aufl. § 100 Rdn. 2).

Zur Höhe des ortsüblichen Mietzinses hat die Klägerin zunächst in der Klageschrift - unter Bezugnahme auf den später mit der R.bank Es. e.G. abgeschlossenen Mietvertrag - vorgetragen, der Mietzins habe für das erste Obergeschoß des streitigen Anwesens mindestens 25 DM/qm (zuzüglich 300 DM Nebenkosten) betragen. Im Berufungsrechtszug hat sie sodann geltend gemacht, bei Marktöffnung im Oktober 1990 seien Mietpreise von 40 DM bzw. 45 DM/qm für gute Ladenflächen durchaus üblich gewesen, und sie hat sich zum Beweis für ihre Behauptungen auf Einholung eines Sachverständigengutachtens bezogen. Diesem - inhaltlich ausreichenden - Beweisangebot hätte das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht geltend macht, bei zutreffender Beurteilung der Rechtslage nachgehen müssen.

Da das Berufungsgericht jedoch einen Anspruch der Klägerin auf Nutzungsentschädigung für die von dem Beklagten zu Unrecht innegehaltenen Räume nach §§ 987, 990 BGB insgesamt abgelehnt hat, kann das angefochtene Urteil schon aus diesem Grund nicht bestehenbleiben.

bb) Da der Beklagte wußte, daß er nicht (mehr) zum Besitz berechtigt war, kommt darüber hinaus auch ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nach §§ 990 Abs. 2, 286 BGB in Betracht (vgl. BGB RGRK/Pikart aaO § 990 Rdn. 40; Wolf/Eckert/Ball aaO Rdn. 1363; Scheuer aaO Rdn. 236, 238, 239; Sternel, Mietrecht 3. Aufl. IV Rdn. 585 a.E.). Nach diesen Vorschriften haftet der unredliche Besitzer, wenn er trotz Mahnung mit der Herausgabepflicht in Verzug gerät (§ 284 Abs. 1 BGB), dem Eigentümer für den gesamten durch die schuldhafte Leistungsverzögerung entstandenen Schaden, also für sämtliche Nachteile, die dem Eigentümer durch das Vorenthalten der Sache erwachsen (vgl. BGB RGRK/Pikart aaO Rdn. 40 bis 42).

Von einem Verschulden des Beklagten in dem genannten Sinn (§ 284, 285 BGB) ist auszugehen. Er wurde spätestens mit dem Zugang des Schreibens der Klägerin vom 23. November 1990 am 3. Dezember 1990 (vgl. Urteil des Kreisgerichts E. vom 14. Januar 1993 - O 17/92, S. 6) - nach Eintritt der Fälligkeit des Herausgabeanspruchs der Voreigentümerin infolge der Aufhebung des Hauptmietverhältnisses - durch die erneute Aufforderung zur umgehenden Räumung in Verzug gesetzt. Daß er die Räume dennoch nicht herausgab, gereicht ihm zum Verschulden. Er hat die Nichtherausgabe zu vertreten. Soweit er sich in seinem Antwortschreiben an die Klägerin vom 12. Dezember 1990 darauf berufen hat, eine gemeinnützige Vereinigung zu sein, deren wirtschaftliche Grundlage durch Räumung und Herausgabe der dringend von ihm benötigten Räume angegriffen würde, zumal ihm von seiten der Verwaltung keine anderen Geschäftsräume zur Verfügung gestellt werden könnten, räumen diese Umstände sein Verschulden nicht aus. Sie gewährten ihm im Verhältnis zu der Grundstückseigentümerin kein Recht zum weiteren Besitz der von dieser herausverlangten Räume. Auf die mietrechtliche Regelung in Art. 232 § 2 Abs. 5 EGBGB in der Fassung der Anlage I zum Einigungsvertrag konnte sich der Beklagte insoweit nicht berufen, da zwischen ihm und der Grundstückseigentümerin kein Mietrechtsverhältnis bestand.

cc) Als Schadensersatz kann die Klägerin zunächst den ortsüblichen, im Falle rechtzeitiger Räumung durch den Beklagten erzielbar gewesenen Mietzins für das erste Obergeschoß des streitigen Anwesens verlangen. Dieser Anspruch ist nicht durch die Rechtshängigkeit der Räumungsklage zeitlich begrenzt, sondern er steht der Eigentümerin seit dem Eintritt des Verzuges des Beklagten und damit jedenfalls von Januar 1991 an zu. Das Oberlandesgericht hätte die Höhe des insoweit entstandenen Schadens - nach Einholung des von der Klägerin beantragten Sachverständigengutachtens - notfalls im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO zu ermitteln gehabt. Das wird nachzuholen sein. Dabei wird für die Bestimmung des in den ersten Monaten nach dem Beitritt der neuen Länder ortsüblichen Mietzinses zum einen die besondere Marktsituation in der damaligen Zeit zu berücksichtigen sein; zum anderen muß dem Umstand Rechnung getragen werden, daß es sich um den ortsüblichen Mietzins für noch nicht renovierte Räume handelte. Ob und inwieweit bei der Bemessung des ortsüblichen Mietzinses für die hier streitigen Monate zusätzlich eine Nutzungsminderung wegen zeitweise durchgeführter Renovierungsarbeiten (wohl allenfalls außerhalb der Räume des ersten Obergeschosses) anzunehmen ist, bleibt der tatrichterlichen Beurteilung vorbehalten.

dd) Der der Klägerin durch die Vorenthaltung der Räume des ersten Obergeschosses entstandene Schaden umfaßt gegebenenfalls auch weitere Nachteile, die sich daraus ergaben, daß eine Vermietung des Erdgeschosses und der Kellerräume des Hauses nicht möglich war, solange nicht auch das erste Obergeschoß für eine Vermietung zur Verfügung stand. Die Klägerin hat hierzu, bisher unter Bezugnahme auf den mit der Firma C. E. GmbH geschlossenen Mietvertrag, vorgetragen, schon die Renovierung und Instandsetzung des Anwesens, die Voraussetzung für eine angemessene Vermietung unter den neuen Verhältnissen gewesen sei, habe die Räumung des ersten Obergeschosses vorausgesetzt. Dieser in sich schlüssigen und für die Darlegung eines möglichen Schadenseintritts unter Beachtung von § 287 ZPO grundsätzlich ausreichenden (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 1986 - IVa ZR 236/84 = BGHR ZPO § 287 Substantiierung 1 m.w.N.) Behauptung wird im weiteren Verlauf des Verfahrens nachzugehen sein. Dabei kann sich ein Schadensersatzanspruch der Klägerin in Höhe des seinerzeit ortsüblichen Mietzinses für das gesamte Anwesen ergeben.

ee) Der ortsübliche Mietzins wird insoweit tatrichterlich zu ermitteln sein. Hingegen kann die Klägerin den ihr entstandenen Schaden nicht aus dem mit der Firma C. E. GmbH vereinbarten Mietpreis von monatlich 9.400 DM ableiten. Denn der Mietvertrag vom 15. Oktober 1990 ist nach dem bisherigen Sachvortrag der Parteien und den hierzu im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen unwirksam. Für diese Beurteilung bedarf es allerdings keiner näheren Auseinandersetzung mit der Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Mietvertrag ein Scheingeschäft und als solches gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtig gewesen sei, wenn auch gegen diese Auffassung - auf der Grundlage der hierfür gegebenen Begründung - Bedenken bestehen dürften. Die Unwirksamkeit des Mietvertrages ergibt sich vielmehr nach derzeitigem Sachstand aus dem Gesellschaftsrecht. Nach § 35 Abs. 1 GmbHG wird die Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch "die Geschäftsführer" gerichtlich und außergerichtlich vertreten; hat die Gesellschaft mehrere Geschäftsführer, so müssen diese nach Absatz 2 Satz 2 der Vorschrift zusammenwirken, um die Gesellschaft - wie etwa bei dem Abschluß eines Vertrages - durch rechtsgeschäftliche Erklärungen aktiv zu vertreten. Tritt einer der Gesamtvertreter als Einzelvertreter auf und handelt insoweit ohne Vertretungsmacht, so können die übrigen Gesamtvertreter seine Erklärungen nachträglich genehmigen. Bis zu der Genehmigung ist das Rechtsgeschäft schwebend unwirksam. Wird die Zustimmung nachträglich erteilt, so führt dies rückwirkend zur Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Hingegen bewirkt die Verweigerung der Genehmigung die endgültige Unwirksamkeit. Schweigen ist grundsätzlich als Verweigerung der Genehmigung anzusehen (vgl. hierzu Scholz/Schneider, GmbHG 9. Aufl. § 35 Rdn. 51 ff.; Hachenburg, GmbHG 8. Aufl. § 35 Rdn. 90 ff.; Lutter/Hommelhoff GmbHG 15. Aufl. § 35 Rdn. 25 ff.; Hueck/Schulze-Osterloh/Zöllner GmbHG 16. Aufl. § 35 Rdn. 63 ff. sowie BGB RGRK/Steffen aaO § 182 Rdn. 8; auch BGH, Urteil vom 22. Juni 1989 - III ZR 100/87 = BGHR BGB § 182 Genehmigung 1).

Das dürfte hier der Fall sein. Die Firma C. E. GmbH hatte zwei Geschäftsführer, nämlich neben dem Verhandlungspartner der Klägerin, H.-G. M., den weiteren Geschäftsführer B. S.. Beide vertraten die Gesellschaft nach § 4 der Satzung gemeinschaftlich. Anhaltspunkte dafür, daß dem Geschäftsführer M. Alleinvertretungsmacht verliehen worden wäre, sind nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht ersichtlich. Der Geschäftsführer S. war an den Verhandlungen über den Abschluß des Mietvertrages mit der Klägerin vom 15. Oktober 1990 nicht beteiligt und hatte - nach dem nicht bestrittenen Vortrag des Beklagten - weder überhaupt Kenntnis von dem Vertragsschluß, noch hat er ihn zu irgendeinem Zeitpunkt genehmigt. Ihm fehlte unter diesen Umständen schon das Bewußtsein von der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages, welches zumindest Voraussetzung für die Annahme einer stillschweigenden Genehmigung durch ihn wäre (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1989 aaO). Sein Schweigen ist demgemäß als Verweigerung der Genehmigung zu werten mit der Folge der endgültigen Unwirksamkeit des Mietvertrages.

Wenn der Vertrag vom 15. Oktober 1990 danach unwirksam ist, kann sich die Klägerin zur Begründung des ihr entstandenen Schadens nicht auf die in dem Vertrag getroffenen Vereinbarungen, insbesondere über die Übernahme der Hälfte der Renovierungskosten durch die Firma C. E. GmbH, stützen. Auch diese Frage wird im Verlauf des weiteren Verfahrens erneut zu prüfen sein.

Da es nach alledem weiterer Ermittlungen und tatrichterlicher Feststellungen bedarf, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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