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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.08.2000
Aktenzeichen: XII ZR 225/98
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 769 Abs. 1 | |
ZPO § 769 | |
ZPO § 323 | |
BGB § 1603 Abs. 2 Satz 2 n.F. |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
2. August 2000
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. August 2000 durch die Richter Dr. Hahne, Dr. Krohn, Gerber, Prof. Dr. Wagenitz und Raebel
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers, die Zwangsvollstreckung aus den Urkunden der Stadtverwaltung - Jugendamt - Pirmasens vom 22. Februar 1993 (UR Nr. 42/1993 und Nr. 43/1993) einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Kläger hat sich durch Jugendamtsurkunden vom 22. Februar 1993 verpflichtet, an die Beklagten zu 1 und zu 2, seine am 12. Dezember 1980 bzw. am 6. Oktober 1983 geborenen Kinder aus geschiedener Ehe, Unterhalt in Höhe von monatlich 600 DM (Beklagte zu 1) und 495 DM (Beklagter zu 2) zu zahlen. Unter Berufung auf verminderte Leistungsfähigkeit infolge länger dauernder Arbeitslosigkeit begehrt der - seit Juli 1993 wiederverheiratete - Kläger, aus dessen zweiter Ehe im Juni 1995 eine Tochter hervorgegangen ist, im Wege der Abänderungsklage Herabsetzung des den Beklagten zugesagten Unterhalts. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat durch Urteil vom 31. Juli 1997 die Jugendamtsurkunden dahin abgeändert, daß die Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber beiden Beklagten ab 9. Januar 1997 nur noch monatlich je 455 DM beträgt. Die Berufung des Klägers, der eine weitere Herabsetzung der Unterhaltsbeträge auf monatlich je 392 DM begehrt hat, hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger das Abänderungsbegehren in der vor dem Oberlandesgericht geltend gemachten Höhe weiter. Nachdem die Beklagten am 3. Juli 2000 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß wegen der Unterhaltsrückstände aus der Zeit von Oktober 1995 bis Juni 2000 gegen den Kläger erwirkt haben, aus dem sie nach dessen Vortrag "wegen des Unterhaltsanspruchs von monatlich je 455 DM" vollstrecken, beantragt der Kläger, die Zwangsvollstreckung aus den Jugendamtsurkunden nach § 769 Abs. 1 ZPO ohne - hilfsweise gegen - Sicherheitsleistung bis zum Erlaß des Urteils des Senats einstweilen einzustellen.
II.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen für eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 769, 323 ZPO im übrigen gegeben sind. Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung aus den genannten Jugendamtsurkunden (in Höhe der Differenz zwischen monatlich je 392 DM und 455 DM) kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil die Revision - bei der gebotenen summarischen Prüfung, die neben dem Schuldnerschutzinteresse des Klägers auch die berechtigten Sicherungsinteressen der Beklagten in Rechnung stellt (vgl. Musielak/Lackmann ZPO §§ 769 Rdn. 4, 707 Rdn. 7; MünchKomm/Karsten Schmidt ZPO § 769 Rdn. 16; Senatsurteil vom 7. Mai 1986 - IVb ZR 49/85 = FamRZ 1986, 793, 794) - keine Aussicht auf Erfolg hat.
Die Frage, die dem Berufungsgericht Anlaß zur Zulassung der Revision gegeben hat (BU Bl. 13), ist inzwischen durch das Senatsurteil vom 31. Mai 2000 (XII ZR 119/98) im Sinne des Berufungsurteils dahin entschieden worden, daß auch ein über den Mindestbedarf des Kindes hinausgehender Unterhalt aus einem fiktiv zugerechneten Einkommen hergeleitet werden kann, wenn der Unterhaltspflichtige über längere Zeit tatsächlich Einkommen in entsprechender Höhe erzielt und davon den Lebensunterhalt der Familie bestritten hat. In solchen Fällen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter den Unterhaltsbedarf des Kindes an dem tatsächlich zuletzt erzielten Einkommen des Unterhaltspflichtigen ausrichtet, sofern dieser - nach tatrichterlicher Beurteilung - bei gehörigen Bemühungen wieder entsprechende Einkünfte erzielen könnte. Das hat das Berufungsgericht im hier gegebenen Fall rechtsfehlerfrei angenommen mit dem Ergebnis, daß dem Kläger danach ein fiktives Einkommen von monatlich 2.400 DM netto anzurechnen sei. Die hiergegen gerichteten Rügen der Revision sind nicht geeignet, die tatrichterliche Beurteilung und Würdigung der Erwerbsbemühungen des Klägers in Frage zu stellen.
Soweit das Berufungsgericht seiner Berechnung auch für die Zeit, in der der Kläger tatsächlich monatlich 2.400 DM bis 2.500 DM netto verdiente, monatliche Einkünfte von 2.400 DM ohne Abzug berufsbedingter Aufwendungen zugrunde gelegt hat, greift die Revision dies ohne Erfolg an. Das Berufungsgericht hat insoweit rechtlich vertretbar darauf abgehoben, daß der Kläger nicht vollschichtig arbeitete, sondern nur eine 3/4-Stelle innehatte. Hier mußte er in der restlichen Arbeitszeit gegebenenfalls zusätzliche Aushilfstätigkeiten übernehmen, um den Unterhalt seiner Kinder sicherstellen zu können (vgl. die Grundsätze gemäß dem Senatsurteil vom 31. Mai 2000 m.w.Nachw.).
Gegen den Ansatz und die Berechnung der dem Kläger als zusätzliches Einkommen anzurechnenden Mieteinnahmen von monatlich 416,34 DM wendet sich die Revision (unbeschadet der Position über 60 DM Haus- und Grundbesitzerverein) im Ergebnis ebenfalls ohne Erfolg. Die Gründe, aus denen das Berufungsgericht bei der Bestimmung der Unkosten von den Darlegungen des Klägers für das Jahr 1997 ausgegangen ist, sind rechtlich vertretbar; die Revision kann ihnen nichts Wesentliches entgegenhalten. Soweit die Revision Aufwendungen als übergangen rügt, die in der eigenen Kostenaufstellung des Klägers nicht enthalten waren, zeigt sie keinen beachtlichen Rechtsfehler des Berufungsgerichts auf. Kosten für "Reparaturen" an bzw. in der eigenen Wohnung kann der Kläger nicht zu Lasten der Beklagten von den Mieteinnahmen des Hauses abziehen. Insgesamt ist damit gegen den Ansatz von Mieteinnahmen in Höhe von monatlich rund 416 DM - mit gewissen Schwankungen - nichts zu erinnern. Da das Berufungsgericht seiner Unterhaltsberechnung die dritte Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle mit Einkünften zwischen 2.700 DM und 3.100 DM zugrunde gelegt hat, verbleibt bei dem angenommenen Einkommen des Klägers von monatlich 2.816,34 DM ohnehin noch ein gewisser Spielraum.
Der Hinweis der Revision darauf, daß der Kläger auch seinem dritten Kind (aus der zweiten Ehe) unterhaltspflichtig sei und daß die Mutter dieses Kindes überobligationsmäßig arbeite, rechtfertigt ebenfalls keine von der Entscheidung des Oberlandesgerichts abweichende Beurteilung. Zum einen geht die Düsseldorfer Tabelle von der Unterhaltspflicht gegenüber einem Ehegatten und zwei Kindern aus, während der Kläger weder gegenüber der Mutter der Beklagten noch gegenüber seiner jetzigen selbst erwerbstätigen Ehefrau unterhaltspflichtig ist. Zum anderen entspricht es der Rechtsprechung des Senats, daß - je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls - ein Elternteil, der, wie hier die zweite Ehefrau des Klägers, neben der Ausübung einer Erwerbstätigkeit ein minderjähriges Kind pflegt und erzieht, gleichwohl als anderer unterhaltspflichtiger Verwandter im Sinne von § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB neben der Betreuung zum Barunterhalt des Kindes herangezogen werden kann, wenn der andere Elternteil (hier der Kläger) nur über geringe Einkünfte verfügt (vgl. Senatsurteil vom 7. November 1990 - XII ZR 123/89 = FamRZ 1991, 182 bis 184 m.w.Nachw.).
Soweit die Revision schließlich rügt, das Oberlandesgericht habe sich nicht mit der Frage befaßt, ob und in welcher Höhe eine anteilige Barunterhaltspflicht der geschiedenen Ehefrau des Klägers jedenfalls für die inzwischen volljährige Beklagte zu 1 in Betracht komme, verhilft ihr auch dies nicht zum Erfolg. Abgesehen davon, daß die Beklagte zu 1 bei Erlaß des Berufungsurteils noch minderjährig war und hinsichtlich ihrer Unterhaltsbedürftigkeit bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres unter die Regelung des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. fällt, reicht ein Barbetrag von monatlich 455 DM ohnehin nicht aus, um den Unterhaltsbedarf eines volljährigen Kindes zu erfüllen (vgl. dazu Scholz FamRZ 1998, 797, 801 unter III 5). Die Mutter der Beklagten wird daher schon aus diesem Grund aus ihren Mitteln einen Anteil zum Barunterhalt beitragen müssen.
Ende der Entscheidung
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