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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.05.2006
Aktenzeichen: XII ZR 23/04
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 536 | |
BGB § 536 a |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 10. Mai 2006
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 19. April 2006 am 10. Mai 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Fuchs, Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 23. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
Der Klägerin werden die Kosten des Revisionsverfahrens - ausgenommen die Kosten der Streithelferin, die diese selbst zu tragen hat - auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin macht Schadensersatz aus einem Mietvertrag geltend.
Sie mietete von der Beklagten mit Vertrag vom 31. Mai 1991 Räume zum Betrieb einer Arztpraxis. Am 28. Dezember 2001 kam es in der Praxis der Klägerin zur Beschädigung von Elektrogeräten. Ursache hierfür war, dass sich im Stromzähler eine Aluminium-Klemmschraube gelöst hatte. Der Zähler steht im Eigentum des Elektrizitätsversorgungsunternehmens, der Streithelferin der Klägerin, die die Klägerin mit Strom beliefert hat. Er befindet sich im Gebäude der Beklagten, aber außerhalb der Mieträume. Er ist verplombt und darf nur von der Streithelferin geöffnet werden.
Das Landgericht hat der Klageforderung von 7.652,50 € in Höhe eines Betrages von 4.675,93 € nebst Zinsen stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Anschlussberufung der Klägerin wurde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt: Ein anfänglicher Mangel der Mietsache sei nicht dargelegt. Die Klägerin habe keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer bestimmten Sollbeschaffenheit der Elektroinstallation vorgetragen. Demgemäß habe sie bei Abschluss des Mietvertrages nur eine Installation erwarten können, wie sie für vergleichbare Objekte üblich gewesen sei. Bei dem Mietobjekt handele es sich um einen DDR-Plattenbau, der 1971 errichtet und 1991, bei Abschluss des Mietvertrages, nicht saniert gewesen sei. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass die Elektroinstallation von dem danach zu erwartenden Standard abgewichen sei. Sie behaupte nicht, dass die den Schaden auslösende Klemme bereits 1991 defekt gewesen sei. Vielmehr gehe sie von einer mangelhaften Wartung aus.
Die Lösung der Aluminiumklemme habe zu einer Spannung von 400 V am Nulleiter geführt. Darin sei zwar ein nachträglicher Mangel der Mietsache zu sehen, obwohl die Zähleranlage sich außerhalb der Mieträume befunden habe. Diesen Mangel habe die Beklagte aber nicht zu vertreten. Zwar sei der Vermieter verpflichtet, die Elektroinstallation der Mietsache zu warten und zu überprüfen. Eine solche Verpflichtung bestehe aber nicht für die im Eigentum des Elektrizitätsversorgungsunternehmens stehende Zähleranlage, in der der schadenbegründende Fehler aufgetreten sei. Die Mieterin könne keine Überwachungsleistung erwarten, durch deren Erfüllung der Vermieter gezwungen wäre, unbefugt in fremde Rechte einzugreifen. Die Zähleranlage stehe im Eigentum des Elektrizitätsversorgungsunternehmens. Die Überwachung und Unterhaltung dieser Einrichtung sei deren Aufgabe. Durch die Verplombung der Zählereinrichtung versage das Elektrizitätsversorgungsunternehmen Dritten den Zugriff mit absoluter Wirkung. Für die Vermieterin sei der Bereich des Zählers, in dem der Defekt aufgetreten sei, zu Wartungszwecken nicht zugänglich. Schließlich habe das Elektrizitätsunternehmen - wenn auch gegenüber dem Stromkunden - gemäß § 18 der Elektrizitäts-Versorgungsbedingungen-Verordnung (AVBEltV) die Verpflichtung zur Wartung. Es würde die Anforderungen an die Verantwortlichkeit des Vermieters für Schäden an Einrichtungsgegenständen des Mieters überspannen, wenn der Vermieter uneingeschränkt für Schäden einzustehen hätte, die im Verantwortungsbereich des Elektrizitätsversorgungsunternehmens entstanden seien, dem die Haftungserleichterung nach § 6 AVBEltV zugute komme.
2. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
a) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Klägerin habe unwidersprochen vorgetragen, das verwendete Leitermaterial (Aluminium) führe zu einer sehr viel schnelleren Lockerung der Kontakte. Wenn sich deshalb jederzeit Spannungsspitzen bilden könnten, so weiche bereits diese risikoträchtige Art der Installation von der Sollbeschaffenheit der Mietsache negativ ab; ein Mangel im Sinne des § 536 a BGB liege nicht erst dann vor, wenn sich die unzulängliche Elektroinstallation in einer Spannungsspitze realisiere.
aa) Ein Mangel der Mietsache liegt dann vor, wenn der nach dem Vertrag vorausgesetzte Gebrauch beeinträchtigt ist. Es sind allein die Vertragsparteien, die durch die Festlegung des dem Mieter jeweils geschuldeten vertragsgemäßen Gebrauchs bestimmen, welchen Zustand die vermietete Sache spätestens bei Überlassung an den Mieter und von da ab während der gesamten Vertragsdauer aufweisen muss (Emmerich Mietrecht 8. Aufl. § 536 Rdn. 2). Ein Mangel ist nur dann anzunehmen, wenn die "Ist-Beschaffenheit" des Mietobjekts von der "Soll-Beschaffenheit" der Mietsache abweicht. Haben die Parteien einen konkret gegebenen schlechten Bauzustand als vertragsgemäß vereinbart, so sind insoweit Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche des Mieters ausgeschlossen.
Ist keine ausdrückliche Regelung zum "Soll-Zustand" getroffen, muss anhand von Auslegungsregeln (§§ 133, 157, 242 BGB) geprüft werden, was der Vermieter schuldet bzw. welchen Standard der Mieter aufgrund seines Vertrages vom Vermieter verlangen kann. Dabei ist die Verkehrsanschauung als Auslegungshilfe heranzuziehen (Schmidt-Futterer/Eisenschmid Mietrecht 8. Aufl. § 536 BGB Rdn. 7; Herrlein/Kandelhard Mietrecht 2. Aufl. § 536 Rdn. 7). In der Regel ist auf den Standard zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen, wobei Veränderungen der Anschauungen über den vertragsgemäßen Standard oder neue wissenschaftliche Erkenntnisse im Einzelfall zu einer Vertragsanpassung führen können (Eisenschmid aaO Rdn. 19; Kandelhard aaO Rdn. 23).
bb) Diese Maßstäbe hat das Berufungsgericht beachtet und einen anfänglichen Mangel im Sinne des § 536 Abs. 1 1. Alt. BGB zu Recht verneint. Es ist durch Auslegung des Vertrages zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin bei Abschluss des Vertrages nur eine Elektroinstallation erwarten konnte, wie sie für vergleichbare Objekte üblich war. Nach der nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem Gebäude, in dem sich die Mieträume befinden, um einen DDR-Plattenbau, der 1971 neu errichtet und bei Abschluss des Mietvertrages im Jahre 1991 nicht saniert war. Mangels gegenteiligen Vortrages der Klägerin durfte das Berufungsgericht davon ausgehen, dass die Elektroinstallation danach nicht von dem zu erwartenden Standard abwich und die schadenauslösende Aluminiumklemme nicht bereits 1991 defekt war.
Die Auslegung von Verträgen ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. Dessen Auslegung ist für das Revisionsgericht bindend, wenn sie rechtsfehlerfrei vorgenommen worden ist und zu einem vertretbaren Auslegungsergebnis führt, auch wenn ein anderes Auslegungsergebnis möglich erscheint oder sogar näher liegt. Die tatrichterliche Auslegung kann deshalb vom Revisionsgericht grundsätzlich nur daraufhin überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, wie Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf einem im Revisionsverfahren gerügten Verfahrensfehler beruht (BGH, Senatsurteil vom 21. September 2005 - XII ZR 66/03 - NZM 2006, 54 f.). Solche revisionsrechtlich relevanten Auslegungsfehler werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch nicht ersichtlich.
b) Ebenfalls ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe zu Unrecht einen Verstoß der Beklagten gegen ihre Überwachungspflicht verneint. Zwar ist der Schaden unstreitig durch einen Defekt der Zählereinrichtung entstanden, der bei regelmäßiger Überwachung hätte vermieden werden können. Das Berufungsgericht ist aber ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, dass die Beklagte zur Überwachung des Zählerkastens nicht verpflichtet war.
aa) Allerdings scheidet, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ein Schadensersatzanspruch nicht schon deshalb aus, weil die Zähleranlage sich außerhalb der Mieträume befindet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 27. März 1972 - VIII ZR 177/70 - WM 1972, 658) können nämlich auch solche Gefahrenquellen, die sich zwar außerhalb der Mietsache, aber im selben Gebäude befinden und sich während der Mietzeit auf die Mieträume auswirken, einen Mangel der Mietsache darstellen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der Vermieter für Gefahrenquellen, die zu seinem Herrschafts- und Einflussbereich gehören, einstehen muss. Der Mieter darf darauf vertrauen, dass der Vermieter die Mietsache jedenfalls vor solchen Gefahrenquellen schützt, für die er verantwortlich ist.
bb) So liegen die Dinge im vorliegenden Fall aber nicht. Zu Recht weist das Berufungsgericht nämlich darauf hin, dass sich der Zählerkasten zwar im Gebäude der Vermieterin befindet, die Kontrolle des Kastens aber dem Einfluss der Vermieterin entzogen ist. Der Zähler steht im Eigentum der Streithelferin, war verplombt und durfte von der Beklagten nicht geöffnet werden. Diese war damit zu einer effektiven Überwachung von vornherein nicht in der Lage, ohne ihrerseits die Rechte des Elektrizitätsversorgungsunternehmens zu verletzen. Die Anbringung, Überwachung und Unterhaltung der Mess- und Steuereinrichtung war, worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist, nach § 18 Abs. 3 Satz 3 AVBEltV Aufgabe des Elektrizitätsversorgungsunternehmens.
Es kommt hinzu, dass die Klägerin mit der Streithelferin einen eigenen Stromlieferungsvertrag geschlossen hat. Der Zähler des Elektrizitätsversorgungsunternehmens, an dem der Mangel aufgetreten ist, kam zwar mittelbar auch der Vermieterin zugute, diente aber in erster Linie der Durchführung des Liefervertrages mit der Klägerin. Diese konnte danach redlicherweise nicht davon ausgehen, dass die Beklagte den Zähler, nur weil er in ihrem Gebäude angebracht war, überwachen würde. Sie durfte und musste vielmehr damit rechnen, dass diese Aufgabe von ihrer Lieferantin, der Streithelferin erfüllt würde.
Ende der Entscheidung
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