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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.05.2006
Aktenzeichen: XII ZR 23/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
ZPO § 544 Abs. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZR 23/05

vom 10. Mai 2006

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Fuchs und Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:

Tenor:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 18. Januar 2005 zugelassen.

Auf die Revision des Klägers wird das vorgenannte Urteil aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 43.654 €.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Mietzins für die Monate Januar bis April 2003 und - widerklagend - um die Rückzahlung einer Mietkaution.

Mit Vertrag vom 30. April 2002 mietete der Beklagte vom Kläger ein Ladenlokal in Köln für die Zeit vom 1. Juli 2002 bis zum 30. Juni 2004. Die Miete betrug inklusive eines Heizkostenvorschusses monatlich 5.336 €.

Alsbald nach Vertragsbeginn rügte der Beklagte Mängel der Mietsache, insbesondere Wassereintritt im Bereich der Glaselemente des Flachdachs, Feuchtigkeit und Schimmelbildung im Bereich der Verkleidung der Abwasserrohe sowie einen "ekelhaften Gestank" in dem auch für den Verkauf von Lebensmitteln genutzten Ladenlokal. Für die Monate Januar und Februar 2003 minderte der Beklagte den Mietzins um 1.807,86 € monatlich; ab März 2003 zahlte er unter Berufung auf die gerügten Mängel und dadurch bedingte Lieferbeschränkungen seines Franchisegebers keine Miete mehr. Mit Schreiben vom 25. März und 5. Mai 2003 kündigte der Beklagte das Mietverhältnis wegen der behaupteten Mängel außerordentlich. Der Kläger kündigte das Mietverhältnis seinerseits mit Schreiben vom 25. April 2003 unter Hinweis auf den Mietrückstand.

Gegen die Widerklage auf Rückzahlung der Mietkaution hat der Kläger mit Schadensersatzansprüchen wegen Wegnahme von Einrichtungsgegenständen sowie wegen Beschädigung des Mietobjekts und mit Mietzinsansprüchen für die Monate Mai bis August 2003 aufgerechnet.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen und den Kläger zur Rückzahlung der Mietkaution verurteilt. Den schon in erster Instanz benannten Zeugen Volkmar H. hat das Landgericht nicht vernommen, weil der Zeuge krankheitsbedingt nicht vernehmungsfähig war und der Kläger deswegen für die erste Instanz auf Vernehmung dieses Zeugen verzichtet hatte.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hinsichtlich der vom Beklagten behaupteten Minderung des Mietzinses und der vom Kläger zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche hat es sich auf die Beweisaufnahme des Landgerichts gestützt. Den in der Berufungsbegründung erneut benannten Zeugen Volkmar H. hat es nicht vernommen, weil "der neue Beweisantritt verspätet und nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen" sei. Es sei weder dargelegt noch belegt, dass der Zeuge bis zur letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz nicht vernommen werden konnte.

Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers führt zur Zulassung der Revision und nach § 544 Abs. 7 ZPO zugleich zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits zur neuen Verhandlung und Entscheidung.

1. Die Beschwerde ist zulässig (§§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 544 ZPO). Die Zulassung der Revision ist geboten, weil das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat und deswegen die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (BGHZ 159, 135, 139 ff.). Zur Behebung dieses Verfahrensfehlers bedarf es jedoch keiner Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens als Revisionsverfahren; vielmehr kann das Revisionsgericht in Fällen der Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 544 Abs. 7 ZPO in dem der Nichtzulassungsbeschwerde stattgebenden Beschluss unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverweisen. Von dieser Möglichkeit macht der Senat Gebrauch.

2. Zu Recht rügt die Nichtzulassungsbeschwerde, dass das Berufungsgericht das Verfahrensgrundrecht des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt hat.

a) Der Kläger hatte den Zeugen Volkmar H. schon in erster Instanz für verschiedene Beweisbehauptungen, insbesondere zum Umfang des Wasserschadens in den Mieträumen, zum Umfang der Schimmelbildung am Dachfenster und in den übrigen Räumen und zur Geruchsbildung im Ladenlokal benannt. Auf den Zeugen hatte der Kläger ausdrücklich nur für die erste Instanz verzichtet, nachdem dieser wegen einer Erkrankung nicht vernehmungsfähig war. Wegen dieses ausdrücklichen Hinweises des Klägers ist der Verzicht auf den Zeugen (§ 399 ZPO) auf das erstinstanzliche Verfahren beschränkt und wirkt nicht zugleich für den Berufungsrechtszug fort. Wenn eine Partei erstinstanzlich auf Vernehmung eines von ihr benannten Zeugen für diese Instanz verzichtet und der Vernehmung des Zeugen im Berufungsrechtszug Bedeutung zukommen kann, hat das Berufungsgericht, bevor es den Beweisantrag als nicht mehr gestellt erachtet, aufgrund seiner Aufklärungspflicht bei der Partei nachzufragen, ob der Verzicht auch für die zweite Instanz gelten soll (BGH, Urteil vom 22. Mai 2002 - VIII ZR 337/00 - NJW-RR 2002, 1500).

Auf einen solchen Hinweis des Berufungsgerichts kam es hier im Übrigen auch nicht an, weil der Kläger den Beweisantrag in der Berufungsbegründung bereits erneuert und damit eindeutig zum Ausdruck gebracht hatte, dass der Zeuge in der Berufungsinstanz vernommen werden sollte. Soweit der Zeuge schon in erster Instanz zu verschiedenen Beweisbehauptungen benannt war, kann deswegen von einer Nachlässigkeit des Klägers im Sinne des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht die Rede sein. Aus dem Sachvortrag des Klägers in erster und zweiter Instanz ergibt sich nämlich eindeutig, dass der Zeuge im erstinstanzlichen Verfahren nicht vernehmungsfähig war, während seine Vernehmung im Zeitpunkt der Berufungsbegründung wieder möglich geworden war. Der Kläger hat in seiner Berufungsbegründung ausgeführt, dass der Zeuge "damals" erkrankt war und zum damaligen Zeitpunkt nicht vorhersehbar war, wann er gesundheitlich wieder hergestellt sein würde, nunmehr aber in der Lage sei, bei Gericht zu erscheinen und als Zeuge auszusagen. Wenn das Berufungsgericht im Hinblick auf diesen Vortrag noch Zweifel zum Zeitpunkt der Gesundung gehabt hätte, hätte es den Kläger darauf hinweisen müssen. Nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag der Nichtzulassungsbeschwerde hätte der Kläger dann vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die Verhinderung des Zeugen bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz fortbestand.

b) Der Verstoß gegen das rechtliche Gehör des Klägers wirkt sich sowohl auf den Klageanspruch als auch auf den Anspruch der Widerklage aus, weil das Berufungsgericht ohne Vernehmung des gegenbeweislich benannten Zeugen H. von dem Sachvortrag des Beklagten als bewiesen ausgegangen ist und danach den Umfang der Minderung bemessen hat.

Allerdings wird das Berufungsgericht im weiteren Verfahren zu prüfen haben, ob die erst in zweiter Instanz substantiiert unter Beweis des Zeugen H. gestellten Behauptungen - insbesondere hinsichtlich der Existenz von drei Heizkörpern bei der Übergabe des Ladenlokals und der abgehängten Decke mit Beleuchtung - auf Nachlässigkeit des Klägers im Sinne des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO beruht.

c) Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass aufrechenbare Schadensersatzansprüche des Klägers wegen Beschädigung eines Türschlosses und der Verkleidung der Abflussrohre ausscheiden dürften. Zwar hat das Oberlandesgericht seine Begründung hinsichtlich des Türschlosses darauf beschränkt, dass dieses mit dem Schlüssel der Eingangstür zu öffnen sei und der Beklagte diesen Schlüssel seiner Prozessbevollmächtigten übergeben habe. Diese Begründung trägt die Abweisung eines Schadensersatzanspruches aber deswegen, weil zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Prozessbevollmächtigte des Beklagten mit Schreiben vom 6. Juni 2003 die Schlüssel an den Kläger persönlich weitergeleitet hat. Die Verkleidung der Abflussrohre musste wegen der extremen Schimmelbildung ohnehin erneuert werden.

Ende der Entscheidung

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