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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 01.03.2006
Aktenzeichen: XII ZR 230/04
Rechtsgebiete: SGB II, SGB XII
Vorschriften:
SGB II § 11 Abs. 1 Satz 3 | |
SGB XII § 82 Abs. 1 Satz 2 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL
Verkündet am: 1. März 2006
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 8. November 2004 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Ansbach vom 30. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Abänderung eines Unterhaltsvergleichs.
Der Kläger ist der Vater der am 3. Oktober 1985 geborenen Beklagten. Mit Vergleich vom 23. Juli 2002 hatte er sich verpflichtet, an die Beklagte monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 269 € zu zahlen. Mit der Klage begehrt er Wegfall seiner Unterhaltspflicht ab Volljährigkeit der Beklagten im Oktober 2003.
Die Beklagte erzielt eine Ausbildungsvergütung, die - abzüglich einer Ausbildungspauschale - ihren Unterhaltsbedarf bis auf einen Betrag in Höhe von 147,31 € deckt. Die Beklagte hat anerkannt, dass der Kläger ihr ab Oktober 2003 nur noch monatlichen Unterhalt in Höhe von 70,31 € (147,01 € - 77 € halbes Kindergeld) schulde.
Das Amtsgericht hat der Klage durch Teilanerkenntnis- und Endurteil in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das angefochtene Urteil abgeändert und der Klage lediglich in dem von der Beklagten anerkannten Umfang stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe:
Gegen die im Verhandlungstermin nicht erschienene Beklagte ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Dieses beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern berücksichtigt den gesamten Sach- und Streitstand (BGHZ 37, 79, 81 ff.).
Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
I.
Das Oberlandesgericht hat der Klage nur in dem von der Beklagten anerkannten Umfang stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen, weil auf ihren Unterhaltsbedarf lediglich die Hälfte des für sie ausgezahlten Kindergeldes anrechenbar sei. Die hälftige Aufteilung des Kindergeldes auf beide Eltern sei auch dann gerechtfertigt, wenn ein Elternteil zwar keinen Barunterhalt leiste, das unterhaltsbedürftige volljährige Kind aber bei ihm wohne. Dies sei jedenfalls dann sachgerecht, wenn der Unterhaltspflichtige wegen des eigenen Einkommens des Unterhaltsberechtigten nur noch einen geringen Teil des Unterhaltsbedarfs decken müsse. Dann unterscheide sich die Leistung des allein barunterhaltspflichtigen Elternteils nicht mehr wesentlich von der des anderen Elternteils, der nach Wegfall der für ein minderjähriges Kind bestehenden Betreuungspflicht die bisherige Versorgung tatsächlich weiterhin erbringe.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II.
1. Der Senat hat - nach Verkündung des angefochtenen Urteils - entschieden, dass ein für ein volljähriges Kind gezahltes Kindergeld auch dann in voller Höhe auf dessen Unterhaltsbedarf anzurechnen ist, wenn das Kind bei dem mangels Leistungsfähigkeit nicht barunterhaltspflichtigen anderen Elternteil wohnt (Senatsurteil vom 26. Oktober 2005 - XII ZR 34/03 - FamRZ 2006, 99, 101 ff. m. Anm. Viefhues aaO 103, Scholz aaO 106 und Bißmaier BGHReport 2006, 95).
Mit den Unterhaltsleistungen des allein (bar-) unterhaltspflichtigen Elternteils ist der gesamte Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes gedeckt. Daneben bleibt für weitere Unterhaltsansprüche des volljährigen Kindes gegen den nicht barleistungsfähigen Elternteil kein Raum. Erbringt dieser dem volljährigen Kind gleichwohl Naturalleistungen durch Wohnungsgewährung oder im Rahmen der gemeinsamen Haushaltsführung, ist dies nicht als unentgeltlich anzusehen. Das Kind kann ein Entgelt für diese Leistungen entweder aus dem - voll bedarfsdeckenden - Barunterhalt des anderen Elternteils erbringen. Es kann im Umfang der Leistungen aber auch auf die Auskehr des ihm zustehenden Kindergeldes verzichten (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II, § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Ob das Kind diesem Elternteil das an ihn ausgezahlte Kindergeld belässt, oder ob es Naturalleistungen mit dem vom Vater erhaltenen übrigen Barunterhalt bezahlt, ist letztlich also unerheblich. Nur soweit der nicht (bar-)unterhaltspflichtige Elternteil Naturalleistungen erbringt, die das an ihn gezahlte Kindergeld übersteigen, leistet er über den durch Unterhaltszahlungen des anderen Elternteils und Kindergeld voll abgedeckten Unterhaltsbedarf hinaus. Wenn er dafür keinen weiteren Ausgleich von dem volljährigen Kind verlangt, handelt es sich um freiwillige Leistungen, die auf die Unterhaltslast des anderen Elternteils keinen Einfluss haben (Senatsurteil vom 26. Oktober 2005 aaO). Daran hält der Senat fest.
2. Der nach Abzug der - um eine Ausbildungspauschale verminderten - Ausbildungsvergütung verbleibende Unterhaltsbedarf in Höhe von 147,31 € ist durch das der Beklagten zustehende volle Kindergeld in Höhe von 154 € gedeckt. Das Amtsgericht hat der Klage auf Wegfall der Unterhaltspflicht deswegen zu Recht stattgegeben.
Ende der Entscheidung
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