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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 29.09.1999
Aktenzeichen: XII ZR 243/97
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 542
BGB § 539
ZPO § 283
ZPO § 565 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XII ZR 243/97

Verkündet am: 29. September 1999

Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Gerber, Sprick und Weber-Monecke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 30. Juli 1997 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Durch Vertrag vom 19. Juli 1985 mietete die Beklagte von der Rechtsvorgängerin der Klägerin eine Fernsprechnebenstellenanlage. Der Vertrag wurde fest abgeschlossen für eine Laufzeit von zehn Kalenderjahren, beginnend mit dem auf die Betriebsbereitschaft der Anlage folgenden Jahr. Die Anlage funktionierte mit analoger Technik. Mit Schreiben vom 5. Mai 1994 hat die Beklagte den Mietvertrag zum 30. Juni 1994 gekündigt. Sie behauptet, die Rechtsvorgängerin der Klägerin habe bei Abschluß des Mietvertrages zugesichert, die Anlage könne bei Bedarf auf ISDN-Technik umgerüstet werden. Die Klägerin habe sich aber geweigert, die Umrüstung vorzunehmen, die Umrüstung sei auch technisch nicht möglich. Am 14. Oktober 1994 hat die Beklagte vorsorglich erneut eine fristlose Kündigung ausgesprochen.

Mit der Klage macht die Klägerin den vereinbarten Mietzins von 24.803,60 DM für das dritte Quartal 1994 geltend. Das Landgericht hat die Klage nach einer Beweisaufnahme abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung erklärt mit einem angeblichen Gegenanspruch auf Rückzahlung einer von ihr geleisteten Sicherheit. Außerdem hat sie im Wege der Anschlußberufung eine Eventualwiderklage erhoben mit dem Antrag festzustellen, das Mietverhältnis sei zumindest aufgrund der von ihr erklärten Kündigung vom 14. Oktober 1994 beendet worden.

Das Berufungsgericht hat die Anschlußberufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Berufung der Klägerin hin unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 24.803,60 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf Abweisung der Klage sowie den Antrag aus der von ihr erhobenen Eventualwiderklage weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht führt aus, aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme sei davon auszugehen, daß der Beklagten bei den Vertragsverhandlungen zugesichert worden sei, die Anlage sei bei Bedarf auf ISDN-Technik umzurüsten. Ob die Anlage tatsächlich umgerüstet werden könne, brauche nicht aufgeklärt zu werden. Könne sie nicht umgerüstet werden, komme zwar ein Kündigungsrecht der Beklagten nach § 542 BGB in Betracht, weil der Anlage dann eine zugesicherte Eigenschaft fehle. Ein solches Kündigungsrecht der Beklagten sei aber - ebenso wie eine Minderung des Mietzinses - analog § 539 BGB ausgeschlossen, weil die Beklagte jedenfalls ab April 1993 gewußt habe, daß die Anlage nicht auf ISDN-Technik umgestellt werden könne, aber dennoch ca. 1 Jahr lang anstandslos den monatlichen Mietzins weiter bezahlt habe.

Daß die Beklagte im April 1993 erfahren habe, die Anlage könne nicht auf ISDN-Betrieb umgestellt werden, sei als unstreitig zu behandeln. Die Beklagte habe in einem wenige Tage vor der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz eingegangenen Schriftsatz vom 26. Mai 1997 u.a. vorgetragen, der Zeuge G. - ein Angestellter der Klägerin - habe bereits im April 1993 der Beklagten erklärt, eine Umstellung der Anlage sei nicht möglich. Im Termin vom 30. Mai 1997 habe der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten zwar auf den Hinweis des Gerichts, dieser Vortrag könne im Rahmen des § 539 BGB Bedeutung gewinnen, erklärt, er wolle diesen Passus aus seinem Schriftsatz nicht mehr vortragen. Dem Klägervertreter sei jedoch gemäß § 283 ZPO eingeräumt worden, in einem nachgelassenen Schriftsatz zu dem Vortrag der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 26. Mai 1997 Stellung zu nehmen. In dem nachgelassenen Schriftsatz habe die Klägerin dann selbst vorgetragen, die Beklagte sei im April 1993 von dem Zeugen G. darauf hingewiesen worden, die Anlage sei nicht auf ISDN-Betrieb umrüstbar. Es sei nicht erforderlich gewesen, die Beklagten hierzu nochmals anzuhören, weil der Vortrag der Klägerin in dem nachgelassenen Schriftsatz wörtlich mit dem Vortrag im Beklagtenschriftsatz vom 26. Mai 1997 übereinstimme.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

2. Das Berufungsgericht stellt entscheidend darauf ab, es sei unstreitig, daß die Beklagte schon im April 1993 Kenntnis davon gehabt habe, die Anlage könne nicht auf ISDN-Betrieb umgerüstet werden. Die Revision rügt zu Recht, daß diese Annahme des Berufungsgerichts auf einem Verfahrensfehler beruht. Das Berufungsgericht hätte die entsprechende, in dem nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin aufgestellte Behauptung seiner Entscheidung nicht zugrunde legen dürfen mit der Begründung, die Beklagte habe ihre Richtigkeit zugestanden. Gegenstand eines Geständnisses können nur Behauptungen der Gegenseite sein. Eine für die eigene Partei ungünstige Prozeßbehauptung kann dadurch zum Geständnis werden, daß sie von der Gegenseite aufgegriffen und zum Bestandteil ihres Vortrages gemacht wird. Die Geständniswirkungen treten in diesem Fall erst dann ein, wenn der Gegner die Behauptung zu seiner eigenen macht; bis dahin kann sie frei widerrufen werden (BGH, Urteil vom 23. November 1977 - IV ZR 131/76 - NJW 1978, 884, 885 unter III m.N.; vgl. auch Zöller/Greger, ZPO 21. Aufl. § 288 Rdn. 3 a). Ein Geständnis kann nur dann angenommen werden, wenn sich die Parteien mindestens in einer mündlichen Verhandlung über eine Frage tatsächlicher Art einig waren (BGH aaO).

So war es im vorliegenden Fall nicht. Da die Beklagte ihren Vortrag aus dem vorbereitenden Schriftsatz in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht aufrechterhalten hat, und zwar bevor die Klägerin eine Stellungnahme dazu abgegeben hat, konnte die Klägerin ihn sich auch nicht zu eigen machen und es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, daß die Parteien sich in der mündlichen Verhandlung über diesen Vortrag einig waren. Der Vortrag der Klägerin in dem nachgelassenen Schriftsatz ist deshalb als neuer Sachvortrag zu werten, den das Berufungsgericht nicht verwerten und schon gar nicht als unstreitig behandeln durfte, ohne der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das gilt unabhängig davon, ob die Klägerin befugt war, in dem ihr nachgelassenen Schriftsatz auch zu Passagen in dem Schriftsatz der Beklagten Stellung zu nehmen, die die Beklagte ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten wollte.

Daß die Beklagte die in dem nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin aufgestellte Behauptung früher selbst vorgetragen und dann widerrufen hat, kann allenfalls Bedeutung gewinnen im Rahmen einer Beweiswürdigung. Bei dieser Beweiswürdigung wäre dann allerdings auch zu berücksichtigen, daß das Vorbringen der Klägerin in ihrem nachgelassenen Schriftsatz kaum zu vereinbaren ist mit ihrem übrigen Klagevortrag. Die Klägerin hat nämlich bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz vorgetragen, die Umrüstung der Anlage auf ISDN-Betrieb sei ohne weiteres möglich. Damit ist nicht ohne weiteres vereinbar, daß der für die Klägerin verantwortlich handelnde Zeuge G. die Beklagte schon 1993 davon in Kenntnis gesetzt haben soll, die Anlage sei aus technischen Gründen nicht umzurüsten.

3. Das Berufungsurteil kann deshalb mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Der Senat ist auch nicht in der Lage, selbst abschließend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat keine tragfähigen Feststellungen dazu getroffen, ob die Anlage umrüstbar ist und - wenn dies nicht der Fall ist - ob die Beklagte den Mangel seit April 1993 kannte. Die Sache muß an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es die notwendigen Feststellungen nachholen kann.

Ende der Entscheidung

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