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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 29.04.1998
Aktenzeichen: XII ZR 266/96
Rechtsgebiete: BGB, EStG


Vorschriften:

BGB § 242 D
BGB § 1569 ff.
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1
a) BGB §§ 242 D; 1569 ff.; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1

Ein Ehegatte ist auch dann zur Abgabe der Zustimmungserklärung zu dem sogenannten begrenzten Realsplitting verpflichtet, wenn es zweifelhaft erscheint, ob steuerlich geltend gemachte Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach als Unterhaltsleistungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG anerkannt werden.

b) Zur Frage der zusätzlichen Unterzeichnung des Vordrucks "Anlage U".

BGH, Urteil vom 29. April 1998 - XII ZR 266/96 - OLG Celle AG Achim


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XII ZR 266/96

Verkündet am: 29. April 1998

Küpferle Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Zysk, Dr. Hahne, Sprick und Weber-Monecke

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle vom 16. Januar 1996 teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt gefaßt:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Achim vom 5. April 1995 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, dem von dem Kläger beantragten begrenzten Realsplitting für die Veranlagungszeiträume 1991 und 1992 vor dem Finanzamt Verden zuzustimmen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 1/4 und der Beklagten zu 3/4 auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien, deren Ehe rechtskräftig geschieden worden ist, streiten über die Zustimmung der Beklagten zum sogenannten begrenzten Realsplitting gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Die Beklagte ist Alleineigentümerin einer von ihr bewohnten Eigentumswohnung, die sie während bestehender Ehe erworben hatte. Den Kaufpreis hatte der Kläger gezahlt und durch Aufnahme eines Darlehens finanziert, für das er seinen eigenen Grundbesitz mit einer Hypothek belastet hatte. Die von ihm für das Darlehen in den Jahren 1991 und 1992 gezahlten Zinsen - nach seinen Angaben jeweils 18.720 DM - beabsichtigt der Kläger steuerlich als Unterhaltsleistungen zugunsten der Beklagten geltend zu machen. Diese weigerte sich trotz der ihr schriftlich erteilten Zusage des Klägers, sie von möglichen finanziellen Nachteilen freizustellen, die ihr übermittelte Anlage U zu den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1991 und 1992 zu unterzeichnen.

Im vorliegenden Rechtsstreit beantragte der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, der Durchführung des begrenzten Realsplitting für 1991 und 1992 zuzustimmen und die jeweilige Anlage U zu den Einkommensteuererklärungen zu unterzeichnen, und zwar in Höhe der von ihm in jedem Jahr gezahlten 18.720 DM. Die Beklagte trat dem Begehren entgegen. Sie machte geltend, der Kläger habe ihr keinen Unterhalt gezahlt, sondern Leistungen auf seine eigene Verbindlichkeit erbracht. Darüber hinaus wandte sie ein, das Darlehen habe nicht ausschließlich der Finanzierung der Eigentumswohnung, sondern auch anderen Zwecken gedient.

Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß Unterhaltszahlungen seitens des Klägers an die Beklagte nicht erfolgt seien, weshalb diese nicht verpflichtet sei, dem begrenzten Realsplitting zuzustimmen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihr Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.

1. Das Berufungsgericht hat die Beklagte für verpflichtet gehalten, dem begrenzten Realsplitting für die Veranlagungszeiträume 1991 und 1992 zuzustimmen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Der Anspruch auf Abgabe der Zustimmungserklärung setze nicht voraus, daß zwischen den geschiedenen Ehegatten ein gesetzliches Unterhaltsrechtsverhältnis bestehe. Vielmehr folge aus dem Wesen der Ehe für beide Ehegatten die Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich sei. Die Entscheidung über die steuerrechtliche Relevanz der von dem Kläger gezahlten Beträge sei dabei allein von den zuständigen Finanzbehörden zu treffen; die Eröffnung dieser Prüfung hänge nicht von Vorentscheidungen der Zivilgerichte über das Bestehen eines Unterhaltsrechtsverhältnisses ab, zumal der Begriff der Unterhaltsleistungen im Steuerrecht und im Zivilrecht nicht identisch sei. Die Gefahr einer Verletzung eigener Interessen bei Abgabe der Zustimmungserklärung habe die Beklagte nicht dargetan. Eine solche Gefahr sei auch nicht ersichtlich, da der Kläger bereits vorprozessual die von der Rechtsprechung geforderte Freistellungserklärung abgegeben habe.

Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

2. a) Nach der Rechtsprechung des Senats besteht eine Verpflichtung zur Zustimmung des unterhaltsberechtigten Ehegatten zum begrenzten Realsplitting als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Rahmen des zwischen den Beteiligten bestehenden Unterhaltsrechtsverhältnisses, wenn der Unterhaltsverpflichtete die finanziellen Nachteile ausgleicht, die dem Berechtigten aus der Zustimmung erwachsen (Senatsurteile vom 23. März 1983 - IVb ZR 369/81 - FamRZ 1983, 576, 577; vom 26. September 1984 - IVb ZR 30/83 - FamRZ 1984, 1211). Daraus folgt indessen nicht, daß die Zustimmungspflicht auf Fälle beschränkt ist, in denen ein Unterhaltsrechtsverhältnis besteht und Unterhalt in Form von Bar- oder Naturalunterhalt im Sinne des bürgerlichen Rechts gewährt worden ist.

Wie der Senat zu der Frage der Mitwirkung eines Ehegatten bei dem Antrag auf eine andere Aufteilung von steuerlichen Freibeträgen entschieden hat, steht hinter der unterhaltsrechtlichen Nebenpflicht zugleich die umfassende familienrechtliche Verpflichtung, die sich aus dem Wesen der Ehe ergibt und beiden Ehegatten aufgibt, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist (Senatsurteile vom 24. Februar 1988 - IVb ZR 29/87 - FamRZ 1988, 607, 608; vom 3. April 1996 - XII ZR 86/95 - FamRZ 1996, 725). Sie bleibt als Nachwirkung der Ehe auch nach der Scheidung bestehen (BGH, Urteil vom 13. Oktober 1976 - IV ZR 104/74 - FamRZ 1977, 38, 40, zur Frage der gemeinschaftlichen Veranlagung geschiedener Ehegatten zur Einkommensteuer).

Als eine Möglichkeit, die finanziellen Lasten des anderen Ehegatten zu vermindern, stellt sich regelmäßig das begrenzte Realsplitting dar, weil es im Falle der steuerrechtlichen Anerkennung der als Unterhaltsleistungen geltend gemachten Aufwendungen als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu einer Verringerung des zu versteuernden Einkommens und damit zu einer Verminderung der Steuerbelastung führt. Zu den als Sonderausgaben abziehbaren Aufwendungen gehören unter den in § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten weiteren Voraussetzungen Unterhaltsleistungen an den geschiedenen, unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten aber nur dann, wenn der Unterhaltleistende (Geber) dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt. Fehlt die Zustimmung des Empfängers, die - zusammen mit dem Antrag des Gebers Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes ist, so führt allein dieser Mangel notwendig zur Versagung des vom Unterhaltleistenden begehrten Sonderausgabenabzugs. Aus welchen Gründen im Einzelfall die Zustimmungserklärung nicht abgegeben wurde, ist dabei unbeachtlich (BFH Urteil vom 25. Juli 1990 - X R 137/88 - FamRZ 1991, 75).

b) Würde die Verpflichtung eines Ehegatten zur Abgabe der Zustimmungserklärung - wie die Revision meint - voraussetzen, daß sich infolge der Erklärung die steuerliche Belastung des anderen Ehegatten vermindert, so wäre letzterem im Falle einer ablehnenden Entscheidung des Familiengerichts die Möglichkeit, eine steuerliche Entlastung zu erlangen, bereits genommen, ohne daß er eine Entscheidung der zuständigen Finanzbehörden erreichen könnte. Eine solchermaßen eingeschränkte Zustimmungspflicht steht indessen mit der familienrechtlichen Verpflichtung, dabei mitzuwirken, daß die finanziellen Lasten des anderen Ehegatten nach Möglichkeit vermindert werden, nicht in Einklang. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn dem steuerpflichtigen Ehegatten die Möglichkeit eröffnet wird, eine Klärung der Frage des Sonderausgabenabzugs durch die Finanzbehörden bzw. die Finanzgerichte herbeizuführen. Deshalb ist ein Ehegatte - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des Anspruchs - auch dann zur Abgabe der Zustimmungserklärung zu dem begrenzten Realsplitting verpflichtet, wenn es zweifelhaft erscheint, ob die steuerlich geltend gemachten Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach als Unterhaltsleistungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG anerkannt werden (OLG Düsseldorf FamRZ 1987, 1049, 1050; OLG Hamm FamRZ 1990, 1004, 1005; OLG München OLG Report 1995, 236, 237 Palandt/Diederichsen BGB 57. Aufl. § 1569 Rdn. 14; Kalthoener/Büttner Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 6. Aufl. Rdn. 877; Wendl/Haußleiter Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 4. Aufl. § 1 Rdn. 474).

Die Beklagte ist deshalb verpflichtet, dem begrenzten Realsplitting zuzustimmen. Da der Kläger ausdrücklich seine Bereitschaft erklärt hat, sie von jedweden finanziellen Nachteilen, die ihr aus der Zustimmung erwachsen, freizustellen, ist eine Verletzung ihrer eigenen Interessen nicht zu besorgen.

3. Das Berufungsgericht hat die Beklagte allerdings zusätzlich zu der Abgabe der Zustimmungserklärung verurteilt, die jeweilige Anlage U zu den Einkommensteuererklärungen des Klägers für die Jahre 1991 und 1992 zu unterzeichnen. Das begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Die Zustimmung zu dem begrenzten Realsplitting stellt eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung dar, die mit der rechtskräftigen Verurteilung hierzu gemäß § 894 ZPO als abgegeben gilt (BFH Urteil vom 25. Oktober 1988 - IX R 53/84 - FamRZ 1989, 738). Einen weitergehenden Anspruch auf Erteilung der Zustimmung in Form der Unterzeichnung des Vordrucks "Anlage U" hat der Kläger nicht. Die Zustimmung bedarf keiner besonderen Form, sondern es genügt, daß sie nachweisbar - etwa schriftlich oder zur Niederschrift des Finanzamts - erklärt wird (Schmidt/Heinicke EStG 16. Aufl. § 10 Rdn. 54; Hanke in EStG 1988/1992 § 10 Rdn. 36; Göppinger/Märkle Unterhaltsrecht 6. Aufl. Rdn. 4056 Fn. 2). Deshalb kann der Kläger die Unterzeichnung des Vordrucks "Anlage U" nicht verlangen.

Hinzu kommt, daß die Beklagte es nicht hinzunehmen braucht, Unterhaltsleistungen in einem Umfang als empfangen bestätigen zu müssen, den sie als wahrheitswidrig ansieht. Die Beklagte hat geltend gemacht, keinen Unterhalt erhalten zu haben, vielmehr habe der Kläger Leistungen zur Erfüllung seiner eigenen Verbindlichkeit in ihr nicht bekannter Höhe erbracht. Darüber hinaus hat sie eingewandt, das Darlehen habe nicht ausschließlich der Finanzierung der Ehewohnung gedient. Nach dem Wortlaut des Vordrucks "Anlage U" würde der zustimmende Ehegatte mit seiner Unterschrift aber gleichzeitig die Richtigkeit der von dem Antragsteller angegebenen Unterhaltsleistungen bestätigen (Senatsurteil vom 26. September 1984 - IVb ZR 26/83 - nicht veröffentlicht; OLG Stuttgart FamRZ 1993, 206; a.A. OLG Hamm FamRZ aaO). Das kann von der Beklagten nicht verlangt werden. Das Berufungsurteil ist deshalb insoweit aufzuheben, als die Beklagte zur Unterzeichnung der Anlage U verurteilt worden ist.

Ende der Entscheidung

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