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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 12.02.2003
Aktenzeichen: XII ZR 324/98
Rechtsgebiete: ZPO, EGBGB, DDR-VertragsG
Vorschriften:
ZPO § 304 | |
ZPO § 318 | |
EGBGB Art. 232 § 2 | |
DDR-VertragsG § 71 |
b) Zur Frage von Ausgleichsansprüchen zwischen ehemaligen Wirtschaftseinheiten im Beitrittsgebiet nach Beendigung einer Investitionsgemeinschaft.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 12. Februar 2003
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz, Dr. Ahlt und Dr. Vézina
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revisionen der Klägerin und der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 22. Juli 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Nutzungsentgelt für die Nutzung von Geschäftsräumen in D. . Die Beklagte macht widerklagend Schadensersatz wegen Vereitelung ihres Nutzungsrechts geltend.
Die Parteien sind ehemalige volkseigene Betriebe der DDR, die in Gesellschaften mit beschränkter Haftung umgewandelt wurden. Im Rahmen einer gemeinschaftlichen Investitionstätigkeit errichteten der Rechtsvorgänger der Klägerin - der VEB D. -, der Rechtsvorgänger der Beklagten - der VEB V. - und die PHG "N. L. " 1970/1971 durch den Generalinvestor Stadtzentrum D. ein Geschäfts- und Bürogebäude auf dem volkseigenen Grundstück P. Straße in D. . Der Rechtsvorgänger der Beklagten war an dem Bauvorhaben mit 25,2 % "des Baupreises" (837.449,80 DDR-Mark) beteiligt. Mit Nutzungsvertrag vom 3. März 1971 übertrug er seinen "Eigentumstitel an der Gesamtrechtsträgerschaft des Objekts" ohne Werterstattung auf den Rechtsvorgänger der Klägerin (§ 1 Ziff. 3 des Nutzungsvertrages), der Rechtsträger des volkseigenen Grundstücks und Fondsinhaber des Gebäudes wurde. Gemäß § 2 des Nutzungsvertrages überließ der Rechtsvorgänger der Klägerin dem Rechtsvorgänger der Beklagten im Gegenzug auf unbestimmte Zeit die Nutzungsbefugnis von 25,2 % der Fläche des Objekts gegen Zahlung eines monatlichen Nutzungsentgelts. Dieses errechnete sich aus Abschreibungen "bezogen auf den umgesetzten Wertumfang", anteiligen Kosten für Gebäudeverwaltung und Wartung der Be- und Entlüftung (§ 6 Ziff. 4 des Nutzungsvertrages). Die variablen Kosten wie Heizung und Energie wurden dem Nutzer direkt berechnet. In zwei Nachträgen zum Nutzungsvertrag setzten die Vertragspartner das Nutzungsentgelt zuletzt ab 1. Januar 1989 auf monatlich 3.220,20 DDR-Mark einschließlich einer Pauschale für Heizungs-, Wasser- und Energiekosten fest. Das Nutzungsverhältnis konnte nur durch "gegenseitige Vereinbarung" beendet werden (§ 3 Ziff. 3 des Nutzungsvertrages).
Die Klägerin, die am 7. September 1991 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde, verkaufte das Anwesen mit notariellem Kaufvertrag vom 14. Dezember 1992 für 26 Mio. DM. Sie kündigte mit Schreiben vom 25. März 1992 den Nutzungsvertrag vom 3. März 1971 zum 30. September 1992. Ihre darauf gestützte Räumungsklage wurde im vorliegenden Rechtsstreit durch Teilurteil rechtskräftig abgewiesen.
Die Beklagte schloß mit dem Käufer des Anwesens, auf den am 1. Juli 1993 Besitz, Nutzungen und Lasten übergingen und der am 6. September 1993 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde, einen Mietvertrag über die bislang genutzten Räume zu einem ortsüblichen Mietzins. Sie bezahlte bis einschließlich Juni 1993 an die Klägerin ein monatliches Nutzungsentgelt in Höhe von 3.220,20 DM.
Die Klägerin verlangt für die Zeit vom 1. Oktober 1992 bis 30. Juni 1993 Zahlung einer ortsüblichen Grundmiete, die sie mit monatlich 37.725,92 DM, zuzüglich Mehrwertsteuer und Nebenkosten 39.336,52 DM, beziffert, abzüglich von der Beklagten monatlich bezahlter 3.220,20 DM.
Die Beklagte hat gegen die Klagforderung hilfsweise mit Schadensersatz- und Bereicherungsansprüchen wegen Vereitelung ihrer Ansprüche auf Einräumung eines Miteigentumsanteils und mit einem Rückzahlungsanspruch wegen ihrer verlorenen Investitionskosten aufgerechnet. Soweit diese Ansprüche durch die Aufrechnung nicht verbraucht sind, hat sie widerklagend einen Teilbetrag von 100.000 DM geltend gemacht.
Das Landgericht hat mit Grund- und Teilurteil der Klage dem Grunde nach nur insoweit stattgegeben, als die Klägerin Mietzins in Höhe der anteiligen Selbstkosten unter Einbeziehung von Reparatur- und Abschreibungskosten verlangt; die Widerklage hat es abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht auch die Widerklage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt; die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Gegen das Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Klägerin erstrebt die völlige Zurückweisung der Berufung der Beklagten und Abweisung der Widerklage sowie eine Klarstellung des Berufungsurteils dahin, daß der Klaganspruch nicht auf die Kosten für Grundsteuer, Gebäudeversicherung und Reparaturen unter Ausschluß der Abschreibungen beschränkt ist. Die Beklagte verfolgt ihren Klagabweisungsantrag sowie ihre Widerklage in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revisionen führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat das Grundurteil des Landgerichts hinsichtlich der Klage mit der Begründung bestätigt, die Beklagte schulde die Selbstkosten für den Betrieb und Erhalt der gemieteten Räume. Der Nutzungsvertrag sei nicht als Mietvertrag, sondern als Vertrag mit atypischer Gestaltung zu qualifizieren. Es sei deshalb nicht das Mietrecht des BGB (Art. 232 § 2 EGBGB), sondern gemäß Art. 232 § 1 EGBGB das bisherige vor dem Wirksamwerden des Beitritts für das in Art. 3 Einigungsvertrag genannte Gebiet geltende Recht maßgebend. Aus den Festsetzungen des Nutzungsentgelts in den Nachträgen zum Nutzungsvertrag gehe hervor, daß beide Parteien einen Ausgleichsanspruch der Klägerin für die tatsächlich entstandenen Kosten des Betriebs und der Erhaltung des Objekts vereinbart hätten. Zur Höhe sei der Rechtstreit nicht entscheidungsreif, da die von der Klägerin vorgetragenen Kosten für Grundsteuer, Gebäudeversicherung und Reparaturen von der Beklagten bestritten worden seien. Für das weitere Verfahren habe das Landgericht zu beachten, daß die von der Klägerin geltend gemachten Abschreibungen - jedenfalls nach dem bisherigen Sachvortrag - bei der Bemessung des Nutzungsentgelts nicht zu berücksichtigen seien.
Die Widerklage hält das Berufungsgericht dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die Klägerin habe schuldhaft ihre Pflicht verletzt, gegenüber dem Erwerber das Fortbestehen des Nutzungsvertrages nach Veräußerung des Objekts durchzusetzen. Deshalb habe die Beklagte Anspruch auf Ersatz des Schadens, der in der Differenz zwischen dem Nutzungsentgelt, das sie bei Fortbestehen des Nutzungsvertrages geschuldet hätte, und dem nunmehr an den neuen Eigentümer gezahlten ortsüblichen Mietzins bestehe. Zur Höhe sei der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif, da das geschuldete Nutzungsentgelt noch festzustellen sei.
II.
Revision der Klägerin:
1. Die Revision der Klägerin ist zulässig.
a) Die Klägerin hat gegen das Grund- und Teilurteil des Landgerichts, das ihrer Klage dem Grunde nach nur insoweit stattgegeben hat, als ihr die Kostenmiete und nicht die verlangte ortsübliche Miete zuerkannt wurde, keine Berufung eingelegt. Sie hat in der Berufungserwiderung zu erkennen gegeben, daß sie das Urteil für richtig erachtet, und in der mündlichen Verhandlung lediglich beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Ihr prozessuales Verhalten kann unter diesen Umständen nicht als Anschlußberufung gewertet werden. Durch das Urteil des Landgerichts ist somit bindend entschieden, daß der Klägerin nur die Kostenmiete zusteht. Die Klägerin kann eine Abänderung des Berufungsurteils nur verlangen, soweit dieses von dem Urteil des Landgerichts abweicht. Das Berufungsgericht hat in den Entscheidungsgründen zum Umfang der Kostenmiete ausgeführt, daß die von der Klägerin geltend gemachten Abschreibungen - jedenfalls nach dem bisherigen Sachvortrag - von der Beklagten nicht geschuldet seien, während das Landgericht das Nutzungsentgelt im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung des Nutzungsvertrages im Umfang der von der Klägerin dargelegten Selbstkosten für Grundsteuer, Gebäudeversicherung, Reparaturen und Abschreibungen gestützt auf § 6 des Nutzungsvertrages dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hatte. Die Klägerin begehrt dementsprechend in zulässiger Weise eine Klarstellung des Berufungsurteils lediglich insoweit, als der Klaganspruch nicht auf die Kosten für Grundsteuer, Gebäudeversicherung und Reparaturen unter Ausschluß der Abschreibungen beschränkt ist, mithin die Abschreibungen ebenfalls erfaßt. Ein darüber hinausgehendes Verständnis würde der Klägerin den Willen zu einem unzulässigen Klagantrag unterstellen und verstieße damit gegen den Auslegungsgrundsatz, daß im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (BGH Beschlüsse vom 9. Februar 1993 - XI ZB 2/93 - NJW 1993, 1925, vom 17. Oktober 2001 - VIII ZB 32/01 - BGH-Report 2002, 125 f.)
b) Die Klägerin ist durch die Einschränkung im Berufungsurteil beschwert.
aa) Eine Beschwer der im Grundurteil obsiegenden Partei liegt dann vor, wenn ihr ungünstige Feststellungen in den Entscheidungsgründen enthalten sind, die für das Betragsverfahren nach § 318 ZPO Bindungswirkung entfalten (BGH, Urteil vom 14. April 1987 - IX ZR 149/86 - NJW-RR 1987, 1196, 1197; Zöller/Vollkommer 23. Aufl. § 304 Rdn. 23; Schumann, Berufung in Zivilsachen 5. Aufl. Rdn. 268). Die Bindungswirkung ist zwar von der materiellen Rechtskraftwirkung des § 322 ZPO zu unterscheiden, entspricht ihr jedoch inhaltlich (BGH, Beschluß vom 21. Februar, 1994 - II ZB 13/93 - NJW 1994,1222 f.).
In welchem Umfang die Bindungswirkung eintritt, ist allerdings streitig und wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. Im Grundsatz ist eine Bindungswirkung jedoch insoweit zu bejahen, als das Grundurteil eine bindende Entscheidung von Streitpunkten treffen will. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage der Auslegung des Urteils (vgl. BGHZ 35, 248, 251 f.; Urteil vom 30. September 1968 - III ZR 28/68 -WM 1968, 1380, 1382).
bb) Das Berufungsgericht hat zum Umfang der Kostenmiete ausgeführt, daß die Beklagte die realen Kosten der Nutzung zu ersetzen habe. Aus den beiden Nachträgen zum Nutzungsvertrag gehe hervor, daß die Parteien einen Ausgleichsanspruch der Klägerin für die tatsächlich entstandenen Kosten des Betriebs und der Erhaltung des Objekts vereinbart hätten. Bezüglich der Abschreibungen hat es zusätzlich ausgeführt:
"Das Landgericht wird zu beachten haben, daß die Abschreibungen, welche die Klägerin geltend macht, jedenfalls nach dem bisherigen Sachvortrag von der Beklagten nicht geschuldet sind. Nachdem die Klägerin einen Kaufpreis von 26 Millionen DM erzielt hat, ist nicht ersichtlich, welche Wertverluste bei den Baulichkeiten ihr entstanden sein sollen".
Diese Formulierung spricht nicht für tragende Entscheidungsgründe, denen Bindungswirkung gemäß § 318 ZPO zukommt. Allerdings können die Abschreibungen auch nicht ohne weiteres zu den tatsächlichen Kosten des Betriebs und der Erhaltung gezählt werden, auf die die tragenden Gründe abstellen. Sie werden zwar bei der Ermittlung der Kostenmiete nach §§ 24 Abs. 1, 25 der Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen - zweite Berechnungsverordnung in der Fassung vom 12. Oktober 1990 (BGBl. I, 2178) - als Kosten, die zur Bewirtschaftung des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit laufend erforderlich sind, berücksichtigt. Sie dienen dem Ausgleich der verbrauchsbedingten Wertminderung der Gebäude (von Brunn in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. Kap. II Rdn. 83 f.). Angesichts der pauschalen Ausgleichsfunktion sind sie jedoch von den tatsächlich anfallenden Kosten wie Grundsteuer, Reparaturen etc., die das Berufungsurteil aufführt, zu unterscheiden. Es ist daher unklar, ob das Oberlandesgericht in den tragenden Gründen zum Anspruchsgrund die berücksichtigungsfähigen Kosten bereits ohne die Abschreibungen festgelegt oder aber nur einen Hinweis für das Betragsverfahren gegeben hat. Einem Grundurteil muß jedoch deutlich zu entnehmen sein, welche Fragen entschieden und welche dem Nachverfahren vorbehalten bleiben (BGH, Urteile vom 10. Juni 1968 - II ZR 101/66 - NJW 1968, 1968 und vom 31. Januar 1996 - VIII ZR 243/94 -NJW-RR 1996, 700, 701). Zugunsten der Klägerin muß eine Beschwer bereits dann angenommen werden, wenn sich aus der Entscheidung der Umfang der Bindungswirkung nicht eindeutig entnehmen läßt. Besteht die Gefahr, daß das Landgericht - wenn auch nur irrtümlicherweise - eine weitergehende Bindungswirkung annimmt, als das Berufungsurteil enthalten sollte, so ist die Klägerin bereits dadurch beschwert (BGH, Urteil vom 10. Juni 1968 aaO 1968). Ihr kann das Risiko nicht zugemutet werden, daß im Nachverfahren eine Bindungswirkung des Grundurteils bejaht wird, und sie sich gegen die festgestellte Entscheidungsgrundlage nicht mehr wehren kann.
2. Die Revision der Klägerin ist auch begründet.
a) Das Berufungsgericht durfte das Grundurteil nicht in der Form wie geschehen bestätigen.
Die Frage, ob ein Grundurteil erlassen werden durfte, ist im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen (BGH, Urteile vom 12. Juni 1975 - III ZR 34/73 - NJW 1975, 1968; vom 14. Oktober 1993 - III ZR 157/92 - NJW-RR 1994, 319; vom 4. Dezember 1997 - IX ZR 247/96 - NJW 1998, 1140; vom 18. November 1999 - IX ZR 402/97 - NJW 2000, 664, vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 109/99 - NJW 2001, 155, 156).
aa) Nach § 304 Abs. 1 ZPO kann das Gericht über den Grund eines Anspruchs vorab entscheiden, wenn dieser nach Grund und Betrag streitig ist und lediglich der Streit über den Anspruchsgrund entscheidungsreif ist (BGH, Urteile vom 19. Februar 1991 - X ZR 90/89 - NJW 1991,1896; vom 27. Januar 2000 - IX ZR 45/98 - NJW 2000, 1572). Die Vorschrift verfolgt prozeßwirtschaftliche Zwecke. Daher muß es nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich sein, daß der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (BGH, Urteile vom 16. Januar 1991 - VIII ZR 14/90 - NJW-RR 1991, 599, 600; vom 2. Oktober 2000 - II ZR 54/99 - NJW 2001, 224, 225). Aus prozeßökonomischen Gründen können ausnahmsweise auch einzelne zum Grund des Anspruchs gehörende Fragen im Grundurteil ausgeklammert und ihre Klärung dem Betragsverfahren überlassen werden (Musielak/Musielak ZPO 3. Aufl. § 304 Rdn. 16, 17). Dies setzt jedoch voraus, daß dem Urteilstenor, zumindest aber den Urteilsgründen klar zu entnehmen ist, über welche Punkte, die den Grund der Haftung betreffen, im Urteil nicht entschieden worden ist (MünchKomm-Musielak aaO Rdn. 17; BGHZ 108, 256; BGH, Urteile vom 10. Juni 1968 aaO 1968; vom 3. April 1987 - V ZR 35/86 - NJW-RR 1987, 1277, 1278, vom 12. Juli 1989 - VIII ZR 286/88 - NJW 1989, 2745; vom 31. Januar 1996 aaO 701). Mit Rücksicht auf die Bindungswirkung des Grundurteils (vgl. §§ 318, 512, 548 i.V.m. § 304 Abs. 2 ZPO) muß sich aus ihm eindeutig ergeben, inwieweit es den Streit vorab entschieden hat und welchen Teil es dem Betragsverfahren vorbehalten wollte (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 1968 aaO 1968).
bb) Danach ist das Grundurteil des Berufungsgerichts über die Klage nicht zulässig.
Das Landgericht hatte in seinem Urteil der Klage dem Grunde nach im Umfang der Selbstkosten einschließlich der Abschreibungen stattgegeben. Im Berufungsurteil ist - jedenfalls möglicherweise - der Anspruch dem Umfang nach auf die "realen Kosten der Nutzung", "die tatsächlich entstandenen Kosten des Betriebs und der Erhaltung des Objekts" ohne die Abschreibungen beschränkt. Das Berufungsurteil lässt offen, ob der Umfang der zu berücksichtigenden Kosten dem Betragsverfahren überlassen werden soll oder ob bereits bindend eine Beschränkung auf die tatsächlich angefallenen Kosten angenommen worden ist. Aufgrund dieser Unklarheit lässt sich die Reichweite und damit die Bindungswirkung des Berufungsurteils nicht mit der notwendigen Sicherheit bestimmen (s. II. 1. b; BGH, Urteile vom 11. Juli 1994 - II ZR 146/92 - NJW 1994, 2349 f., vom 31. Januar 1996 aaO 701).
b) Auch die Entscheidung über die Widerklage ist nicht frei von Rechtsfehlern. Auf die Ausführungen unter III. 2. wird verwiesen.
III.
Revision der Beklagten:
1. Die Revision der Beklagten ist nicht nur zulässig, soweit die Beklagte den Antrag weiter verfolgt, die Klage abzuweisen, sondern auch soweit sie rügt, ihr seien in den Entscheidungsgründen zur Widerklage weitergehende Ansprüche abgesprochen worden. Die Beklagte ist beschwert, auch wenn der Widerklage im Tenor dem Grunde nach voll stattgegeben wurde. Denn das Berufungsgericht hat, wie die Revision zutreffend rügt, der Beklagten lediglich den Differenzschaden zwischen dem von ihr jetzt gezahlten ortsüblichen Mietzins und dem Nutzungsentgelt, das sie bei Fortbestehen des Nutzungsvertrags hätte zahlen müssen, unter dem Gesichtspunkt zugebilligt, daß die Klägerin gegenüber dem Käufer des Grundstücks nicht das Weiterbestehen des Nutzungsvertrages durchgesetzt habe. Daß die Beklagte Schadensersatz- oder Bereicherungsansprüche auf Auszahlung des anteiligen Verkaufserlöses oder auf Rückzahlung des Investitionsbeitrages geltend macht, hat das Berufungsgericht nicht beachtet. Unabhängig davon, ob man in der Beschränkung auf den geprüften Anspruch eine Aberkennung der übrigen Ansprüche sieht oder nur eine unvollständige Prüfung des anhängigen Streitgegenstandes, wird die Beklagte dadurch beschwert, da sie in ihrem Interesse, in dem anhängigen Rechtsstreit ihre weitergehenden, vorrangig geltend gemachten Ansprüche durchzusetzen, beeinträchtigt wird.
2. Die Revision der Beklagten ist - ebenso wie die der Klägerin - bereits deshalb begründet, weil das Oberlandesgericht das Grundurteil des Landgerichts nicht in der Weise wie geschehen hätte bestätigen dürfen (vgl. hierzu oben zu II.).
Auch die Entscheidung über die Widerklage begegnet aus prozeßrechtlichen Gründen durchgreifenden Bedenken. Dies hat das Revisionsgericht auch ohne Rüge von Amts wegen zu prüfen (vgl. oben zu II. 2.).
a) Die Beklagte hat in von ihr festgelegter Reihenfolge mit Schadensersatz- und Bereicherungsansprüchen gegenüber der Klageforderung die Eventualaufrechnung erklärt und, soweit hierdurch nicht verbraucht, in dieser Reihenfolge die in Höhe von 100.000 DM erhobene Widerklage auf diese Ansprüche gestützt. Sie hat die Eventualaufrechnung und die Widerklage in erster Linie auf einen Schadensersatzanspruch über 6.552.000 DM gestützt, den sie daraus herleitet, daß die Klägerin durch den Verkauf des Grundstücks den Anspruch der Beklagten auf Übertragung eines 252/1000 Miteigentumsanteils vereitelt habe, weshalb sie zur Zahlung eines entsprechenden Teils des erzielten Kaufpreises verpflichtet sei. Hilfsweise hat sie einen Anspruch auf Rückzahlung des Investitionsbeitrages der Beklagten als verlorenen Baukostenzuschuß in Höhe von 837.449,88 DDR-Mark = 418.724,94 DM geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat über diese Ansprüche keine Entscheidung getroffen. Es hat die Widerklage dem Grunde nach deshalb für gerechtfertigt erklärt, weil die Klägerin gegenüber dem Erwerber des Objekts das Fortbestehen des Nutzungsvertrages nicht durchgesetzt habe. Dadurch sei der Beklagten ein Schaden in Höhe der Differenz zwischen der nunmehr gezahlten ortsüblichen Miete und dem zuvor aus dem Nutzungsvertrag geschuldeten Entgelt entstanden.
b) Das Berufungsgericht durfte die Entscheidung über die von der Beklagten mit Haupt- und Hilfsantrag geltend gemachten Ansprüche nicht offen lassen. Bei den von der Beklagten geltend gemachten Ansprüchen und dem von dem Berufungsgericht zuerkannten Anspruch handelt es sich um selbständige prozessuale Ansprüche und nicht um bloße Rechnungsposten desselben Anspruchs. Sie sind auf verschiedene Pflichtverletzungen und auf Bereicherungsrecht gestützt und führen zu unterschiedlichen Rechtsfolgen. Das Berufungsgericht war deshalb an die von dem Beklagten vorgegebene Reihenfolge der Ansprüche gebunden. Es durfte erst dann über den nach seiner Auffassung weiter in Betracht kommenden Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung dem Grunde nach entscheiden, nachdem es die Unbegründetheit der vorrangig von der Beklagten geltend gemachten Haupt- und Hilfsanträge festgestellt hatte (BGH Urteile vom 25. November 1977 - V ZR 102/75 - WM 1978, 194, 195; 7. November 1991 - IX ZR 3/91 - NJW-RR 1992, 290, 291; vom 4. Dezember 1997 aaO 1141). Die unterlassene Entscheidung über die vorrangig geltend gemachten Ansprüche verletzt den Grundsatz der Bindung des Gerichts an die Parteianträge (Musielak/Musielak aaO § 308 Rdn. 18).
IV.
Das Berufungsurteil ist aufzuheben, weil es wegen der aufgezeigten prozessualen Mängel keinen Bestand haben kann (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Die Sache ist gemäß § 565 Abs. 1 ZPO a.F. an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:
1. Zur Klage
a) Das Berufungsgericht hat den Nutzungsvertrag vom 3. März 1971 als Nutzungsvertrag gemäß § 71 DDR-Vertragsgesetz vom 25. März 1982 (DDR-GBl. I S. 107 im folgenden: VertrG 82) eingeordnet. Es handele sich um einen atypischen Vertrag und nicht um einen Mietvertrag, auf den gemäß Art. 232 § 2 EGBGB die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches anzuwenden seien, weil zwischen den Parteien kein Nutzungsentgelt, sondern nur der Ersatz der Selbstkosten für die Gebrauchsüberlassung vereinbart worden sei. Diese Auffassung ist nicht unbedenklich. Zum einen könnte danach kein Nutzungsvertrag im Sinne des § 71 VertrG 82 als Mietvertrag angesehen werden. Denn bei den Nutzungsverträgen durfte das Nutzungsentgelt die Selbstkosten nicht übersteigen (§ 71 Abs. 2 VertrG 82 i.V. mit AO vom 30. Dezember 1982 über die Berechnung und Zahlung von Nutzungsentgelt für Grundstücke und Grundmittel, DDR-GBl. I 1983 S. 25). Die Vereinbarung eines nicht entsprechend dem Selbstkostenprinzip ermittelten Nutzungsentgelts war unwirksam (Kommentar zum Vertragsgesetz vom 25. März 1982, herausgegeben vom Staatlichen Vertragsgericht beim Ministerrat der DDR, 2. Aufl. 1989, § 71 Anm. 2.8). Zum anderen sind auch nach dem BGB Verträge, in denen lediglich ein kostendeckendes Entgelt vereinbart wird (z.B. bei Sozialwohnungen), als Mietvertrag einzuordnen. Der nutzungsrechtliche Teil des Vertrages vom 3. März 1971 dürfte deshalb als Mietvertrag zu qualifizieren sein (vgl. Senatsurteil vom 17. Mai 1995 - XII ZR 235/93 - ZIP 1995, 1220, 1221).
b) Soweit das Berufungsgericht die Auffassung vertritt, die Abschreibungen seien bei der Berechnung der Selbstkosten nicht zu berücksichtigen, begegnet dies ebenfalls Bedenken. Die Auffassung steht im Widerspruch zu den Vereinbarungen der Rechtsvorgänger der Parteien im Nutzungsvertrag und in den beiden Nachträgen zur Neufestsetzung des Nutzungsentgelts, wonach die Abschreibungen bei der Bemessung des Nutzungsentgelts ausdrücklich zu berücksichtigen waren. Abschreibungen der Grundmittelfonds in der DDR sollten ebenso wie die Abschreibungen in der Bundesrepublik Deutschland der verbrauchsbedingten Wertminderung der Gebäude Rechnung tragen. Sie werden auch bei der Berechnung der Kostenmiete für Sozialwohnungen im Rahmen der Bewirtschaftungskosten mit in Ansatz gebracht (von Brunn in: Bub/Treier aaO). Der im vorliegenden Fall erzielte hohe Verkaufserlös hindert nicht die Geltendmachung der Abschreibungen als Position für die Kostenmiete für den Zeitraum von Oktober 1992 bis Juni 1993. Denn dem Vermieter ist es unbenommen, nach dem vorhandenen Wert die Abschreibungen vorzunehmen und (z.B. im Rahmen des § 8 WoBindG) in die Berechnung des Mietzinses einfließen zu lassen. Ein etwaiger Verwertungsgewinn, der später erzielt wird, spielt für die Berechnung der Kostenmiete keine Rolle.
2. Zur Widerklage
a) Bei der Prüfung des mit der Widerklage geltend gemachten Anspruchs auf anteiligen Verkaufserlös, der damit begründet wird, daß die Klägerin ihren Anspruch auf Einräumung eines Miteigentumsanteils vereitelt habe, wird zu beachten sein, daß die Zivilgerichte an die rechtskräftige Zuordnung des Eigentums an dem Hausgrundstück durch das Verwaltungsgericht an die Klägerin gebunden sind (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1995 - V ZR 39/94 - VIZ 1995, 592, 593).
b) Für einen etwaigen Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung des Investitionsbeitrages dürfte auf die Vereinbarungen der Rechtsvorgänger der Parteien und auf das in der früheren DDR geltende Recht abzustellen sein (MünchKomm/Heinrichs, 2. Aufl. Einigungsvertrag Rdn. 63 ff.). Da Schuldverhältnisse in der Regel nach dem Recht zu beurteilen sind, das zur Zeit der Verwirklichung ihres Entstehungstatbestandes galt (Art. 170 EGBGB), hat sich - mangels einer ausdrücklich entgegenstehenden Bestimmung - an der Anwendbarkeit des Rechts der DDR durch deren Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland nichts geändert. Von diesem Grundsatz geht auch der Einigungsvertrag aus, wie Art. 232 § 1 EGBGB zeigt (BGHZ 120, 10, 17). Für die Zusammenarbeit volkseigener Betriebe und die Abwicklung gemeinsamer Investitionen galten in der Zeit der hier zu beurteilenden gemeinsamen Investition die Verordnung über Kooperationsgemeinschaften vom 12. März 1970 (DDR-GBl. I Nr. 39 S. 287) und die Anordnung über die Rechtsträgerschaft an volkseigenen Grundstücken vom 7. Juli 1969 (DDR-GBl. II Nr. 68 S. 433). Weder aus diesen Verordnungen noch aus den vertraglichen Vereinbarungen der Rechtsvorgänger der Parteien lässt sich ein Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin auf Ausgleich der erbrachten Investitionsleistung herleiten. Die Investitionsgemeinschaft endete gemäß § 19 der Verordnung über Kooperationsgemeinschaften mit Erreichen des im Vertrag vereinbarten Zwecks, d.h. hier mit der Errichtung des Gebäudes. Das DDR-Recht sah nach Beendigung der Investitionsgemeinschaft keinen Anspruch auf Rückzahlung der Investition vor. Selbst bei Austritt aus einer noch bestehenden Investitionsgemeinschaft war kein finanzieller Anspruch gegenüber dem Rechtsträger und den anderen Beteiligten vorgesehen (§ 18 Abs. 2 der Verordnung über Kooperationsgemeinschaften; später: Nr. I 9. der Richtlinie über gemeinsame Investitionen vom 26. September 1972, DDR-GBl. II Nr. 59 S. 642, 644). Es begegnet Bedenken, den nach den früheren planwirtschaftlichen Bestimmungen des DDR-Rechts abgeschlossenen Sachverhalt nach dem Beitritt unter Berufung auf die jetzt geltenden Vorschriften einer liberalen Wirtschaftsordnung wieder zu aktivieren (vgl. hierzu Goette in DStR 1993, 694, 695).
c) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe mit der unstreitig in den Kaufvertrag vom 14. Dezember 1992 aufgenommenen Verpflichtung des Erwerbers, Nutzungsrechte Dritter zu übernehmen, keine hinreichende Aktivität zur Durchsetzung des Nutzungsvertrages entfaltet und sei deshalb - wie erkannt - der Beklagten schadensersatzpflichtig in Höhe der Differenz zwischen dem Nutzungsentgelt, das sie bei Fortbestehen des Nutzungsvertrages geschuldet hätte und dem an den neuen Vermieter gezahlten ortsüblichen Mietzins, wird von den getroffenen Feststellungen nicht getragen. Es ist nicht ersichtlich, was die Klägerin über die Aufnahme einer entsprechenden Verpflichtung in den Kaufvertrag hinaus noch hätte tun können, um den Fortbestand des Nutzungsverhältnisses durchzusetzen. Im übrigen hat der Eigentümerwechsel nach § 571 Abs. 1 BGB zur Folge, daß mit dem Erwerber ein neues, inhaltsgleiches Mietverhältnis zustande gekommen ist.
Ende der Entscheidung
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