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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 03.05.2006
Aktenzeichen: XII ZR 35/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1603 Abs. 1
BGB § 1603 Abs. 2 Satz 1
BGB § 1606 Abs. 3
BGB § 1607 Abs. 1
BGB § 1607 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XII ZR 35/04

Verkündet am: 3. Mai 2006

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Dr. Ahlt und Dose

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 2. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. Januar 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte, seine Großmutter väterlicherseits, auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch.

Der am 25. Oktober 1987 geborene Kläger, der bei seiner Mutter lebt, befindet sich in der allgemeinen Schulausbildung. Sein Vater hatte sich durch Urkunde des Rates des Kreises P. vom 1. Dezember 1987 verpflichtet, für den Kläger bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres monatlichen Unterhalt von 90 M/DDR und für die Zeit danach von 105 M/DDR zu zahlen. Durch Urteil vom 31. Dezember 1992 ist er in Abänderung dieser Urkunde zur Zahlung monatlichen Unterhalts von 285 DM ab Juli 1992 verurteilt worden. Mit einer von ihm erhobenen Abänderungsklage hat der Vater den Wegfall dieser Unterhaltsverpflichtung mangels Leistungsfähigkeit begehrt.

Die 1927 geborene, verwitwete Beklagte ist Rentnerin. Ihr Renteneinkommen belief sich - jeweils durchschnittlich im Monat und gerundet - auf 1.303 € im Jahr 2001, auf 1.337 € im Jahr 2002 und auf 1.360 € im Jahr 2003.

Der Kläger hat Zahlung monatlichen Unterhalts in Höhe von 487 DM bzw. 249 € für die Zeit ab Oktober 2001 verlangt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hält sich mit Rücksicht auf den ihr zuzubilligenden Selbstbehalt sowie den ihr entstehenden krankheitsbedingten Mehrbedarf nicht für leistungsfähig.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie weiterhin Klageabweisung erstrebt hat. In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in Höhe von 25,56 € monatlich für die Zeit von (richtig) Dezember 2001 bis Dezember 2002 und in Höhe von monatlich 50 € für die Zeit von Januar bis November 2003 in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat das angefochtene Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen in der Berufungsinstanz gestellten Schlussantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Das Oberlandesgericht hat die Frage offen gelassen, ob die Voraussetzungen einer Ersatzhaftung der Beklagten gemäß § 1607 Abs. 1 oder 2 BGB erfüllt sind. Es hat ebenfalls dahinstehen lassen, ob der Kläger mit Rücksicht auf die anteilige Haftung gleichnaher Verwandter gemäß § 1606 Abs. 3 BGB auch zu den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Großmutter mütterlicherseits, deren Ehemann verstorben ist, hätte vortragen müssen. Auf beides komme es nicht an, da die Beklagte jedenfalls nicht leistungsfähig sei. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt: Von dem Renteneinkommen der Beklagten sei zunächst ihr alters- bzw. behinderungsbedingter Mehrbedarf abzuziehen. Ein solcher Mehrbedarf sei angesichts der in erster Instanz vorgelegten ärztlichen Atteste und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beklagte zunächst zu 50 % und seit dem 27. August 2002 zu 60 %, jeweils mit dem Merkzeichen "G", schwerbehindert sei, anzunehmen. Ob die Beklagte darüber hinaus eine Haushaltshilfe benötige, bedürfe keiner Entscheidung. Denn schon unter Berücksichtigung der von ihr beispielhaft genannten Aufwendungen sei im Wege der Schätzung (§ 287 ZPO) davon auszugehen, dass jedenfalls ein Mehraufwand in dem vom Amtsgericht angenommenen Umfang von 110 € monatlich anfalle. Bereits bei Abzug dieses Betrages sei die Beklagte nicht leistungsfähig. Ihr müsse nach § 1603 Abs. 1 BGB der angemessene Selbstbehalt verbleiben. Dieser sei mit Rücksicht auf ihren Wohnort im Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe an sich unter Heranziehung der Süddeutschen Leitlinien zu bemessen, so dass - nach deren Nr. 21.3.1, Stand: 1. Juli 2003 - gegenüber Enkeln von einem Selbstbehalt von 1.000 € auszugehen sei. Es sei allerdings gerechtfertigt, den auf Unterhalt in Anspruch genommenen Großeltern einen erhöhten angemessenen Selbstbehalt zuzubilligen, wie er auch für Kinder im Verhältnis zu ihren unterhaltsbedürftigen Eltern gelte. Deshalb sei ein Betrag von 1.250 € zugrunde zu legen, wobei die Hälfte des diesen Mindestbetrag übersteigenden Einkommens zusätzlich anrechnungsfrei bleibe. Das um den Mehrbedarf bereinigte Einkommen der Beklagten übersteige aber bereits den Betrag von 1.250 € nicht (1.193 € im Jahr 2001, 1.227 € im Jahr 2002 und 1.250 € ab 2003).

Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.

2. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte dem Kläger gegenüber nicht unterhaltspflichtig ist, weil sie außerstande ist, ihm ohne Gefährdung ihres eigenen angemessenen Unterhalts Unterhalt zu gewähren.

a) Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn Großeltern im Fall der Inanspruchnahme auf Unterhalt für ihre Enkel zumindest die höheren Selbstbehaltsbeträge zugebilligt werden, die auch erwachsene Kinder gegenüber ihren unterhaltsbedürftigen Eltern verteidigen können. Das gilt auch gegenüber minderjährigen Enkeln. Zwar sind diese in der Regel nicht in der Lage, ihren Lebensbedarf selbst zu decken. Deshalb ordnet das Gesetz in § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB an, dass ihnen gegenüber eine gesteigerte Unterhaltspflicht besteht. Die vorgenannte Bestimmung gilt aber nur im Verhältnis zwischen Kindern und ihren Eltern. Für Großeltern besteht dagegen keine gesteigerte Unterhaltspflicht, sondern sie haften allein unter Berücksichtigung ihres angemessenen Eigenbedarfs, und zwar nachrangig. Das rechtfertigt es, ihnen generell die erhöhten Selbstbehaltsbeträge, wie sie auch im Rahmen des Elternunterhalts gelten, zuzubilligen (Senatsurteil vom 8. Juni 2005 - XII ZR 75/04 - FamRZ 2006, 26, 28 m. Anm. Duderstadt FamRZ 2006, 30 f. und Luthin FamRB 2006, 4 f. und FF 2006, 54 f.).

Deshalb hat das Berufungsgericht zu Recht den Selbstbehaltsbetrag zugrunde gelegt, der gegenüber der Inanspruchnahme durch Eltern verteidigt werden kann. Dieser beläuft sich nach den Süddeutschen Leitlinien für den hier maßgeblichen Zeitraum - bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht - auf 1.250 €, wobei allerdings für die Zeit bis 30. Juni 2003 für nicht erwerbstätige Unterhaltspflichtige nur ein Selbstbehalt von 1.130 € vorgesehen war. Dass das Berufungsgericht diese Differenzierung nicht herangezogen, sondern durchgehend auf den Betrag von 1.250 € abgestellt hat, wie er etwa auch in der Düsseldorfer Tabelle bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt vorgesehen ist, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

b) Die Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens der Beklagten ist ebenfalls rechtsbedenkenfrei. Das Berufungsgericht hat die jeweiligen Renteneinkünfte der Beklagten errechnet und - insoweit ihrem Vortrag folgend - hiervon einen aus den im Einzelnen angegebenen Gründen angenommenen und auf monatlich jedenfalls 110 € geschätzten alters- bzw. behinderungsbedingten Mehrbedarf in Abzug gebracht. Dagegen erinnert auch die Revision nichts.

c) Da das sodann verbleibende Einkommen der Beklagten (1.193 € im Jahr 2001, 1.227 € im Jahr 2002 und 1.250 € ab 2003) den jeweiligen Selbstbehalt unterschreitet bzw. diesem entspricht, schuldet sie dem Kläger mangels Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt. Die Frage, ob Großeltern das ihnen nach Abzug des Selbstbehalts zur Verfügung stehende bereinigte Einkommen grundsätzlich nur zur Hälfte für den Unterhalt von Enkeln einzusetzen haben oder ob dies nur im Verhältnis zu volljährigen Eltern gilt, bedarf deshalb auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

Ende der Entscheidung

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