Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 31.10.2001
Aktenzeichen: XII ZR 48/00
Rechtsgebiete: ENeuOG


Vorschriften:

ENeuOG Art. 1 § 22 Abs. 1
Zur Befugnis der Deutsche Bahn AG, Forderungen aus der Vermietung von Grundstücken des Bundeseisenbahnvermögens im eigenen Namen geltend zu machen.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL

XII ZR 48/00

Verkündet am: 31. Oktober 2001

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Fuchs und Dr. Ahlt

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 14. Januar 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten rückständigen Mietzins sowie Räumung und Herausgabe einer Teilfläche des Grundstücks Gemarkung L. Flur ... Flurstück ....

Die Beklagte hatte diese Teilfläche mit Mietvertrag vom 14. Dezember 1993 von der Deutschen Reichsbahn gemietet. Sie hat nach Vorlage eines unbeglaubigten Grundbuchauszuges durch die Klägerin nicht mehr bestritten, daß das Grundstück im Grundbuch als Eigentum des Volkes (Rechtsträger: Deutsche Reichsbahn) eingetragen war. Seit dem 26. März 1998 ist die Bundesrepublik Deutschland - Bundeseisenbahnvermögen - als Eigentümerin eingetragen.

Die Klägerin, die sich hinsichtlich des Mietobjekts als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Reichsbahn bezeichnet, macht geltend, das Mietverhältnis mit Schreiben vom 6. Oktober 1997 wegen Zahlungsverzuges wirksam gekündigt zu haben. Sie beruft sich unter anderem darauf, gemäß Art. 1 § 22 Abs. 1 des Eisenbahnneuordnungsgesetzes (ENeuOG) hierzu befugt gewesen und berechtigt zu sein, die den Gegenstand ihrer Klage bildenden Ansprüche aus dem Mietvertrag im eigenen Namen geltend zu machen.

Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die Klägerin habe ihre Sachbefugnis nicht nachgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung wies das Oberlandesgericht mit im wesentlichen gleicher Begründung zurück: Die Klägerin habe weder bewiesen, daß sie Rechtsnachfolgerin der Deutschen Reichsbahn sei, noch daß ihr das streitbefangene Grundstück zu Eigentum übertragen worden sei und sie dadurch in den Mietvertrag eingetreten sei. Aus Art. 1 § 22 Abs. 1 ENeuOG könne sie ihre Befugnis zur Geltendmachung von Mietzins- und Rückgabeansprüchen nicht herleiten, da diese Vorschrift lediglich die dingliche Verfügungsbefugnis regele.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, die der Senat angenommen hat.

Entscheidungsgründe:

I.

Aufgrund der Säumnis der Beklagten ist durch Versäumnisurteil zu erkennen, obwohl die Entscheidung inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge beruht (vgl. BGHZ 37, 79, 82).

II.

Mit der gegebenen Begründung läßt sich die angefochtene Entscheidung nicht aufrecht erhalten.

Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß der Senat bereits mit begründetem Nichtannahmebeschluß vom 15. Dezember 1999 (XII ZR 181/97- BGHR ENeuOG Art. 1 § 22 Abs. 1 Verfügungsbefugnis 1) entschieden hat, daß die Klägerin unabhängig von der Frage, ob und ggf. wann das Eigentum an dem vermieteten Grundstück auf sie übergegangen ist, gemäß Art. 1 § 22 Abs. 1 ENeuOG befugt ist, Forderungen aus der Vermietung von Grundstücken des Bundeseisenbahnvermögens im eigenen Namen geltend zu machen.

Wie sich aus der Begründung des Gesetzes (BT-Drucks. 12/4609 [neu] S. 72) ergibt, stellt Art. 1 § 22 Abs. 1 Satz 2 ENeuOG nämlich klar, daß die nach dieser Vorschrift eingeräumte Verfügungsbefugnis nicht nur Verfügungen im rechtstechnischen Sinne des Wortes betrifft, sondern auch Vermietungen und Verpachtungen einschließt. Diese Verfügungsbefugnis tritt als Handlungsermächtigung neben die Rechte des Eigentümers, der weiterhin verfügungsberechtigt bleibt; im Konfliktfall ist maßgeblich, wer als erster verfügt hat.

Dieser weite Begriff der Verfügungsberechtigung entspricht dem des § 8 Abs. 1 VZOG , wie sich auch aus dem ausdrücklichen Hinweis auf die Vorschriften des VZOG in der Begründung zu Art. 1 § 23 ENeuOG (BT-Drucks. aaO S. 73) ergibt. Diese Verfügungsberechtigung kommt einer gesetzlichen Vollmacht gleich und schließt das Recht ein, bestehende Mietverträge zu kündigen und den Anspruch auf Räumung und Herausgabe geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1995 - XII ZR 235/93 - ZIP 1995, 1220, 1222). Sie schließt daher auch die Befugnis ein, rückständigen Mietzins aus einem noch bestehenden Mietverhältnis einzuziehen.

Soweit es für den Räumungsanspruch auf die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung ankommt, stand der Befugnis der Klägerin, den Mietvertrag zu kündigen, auch nicht der Umstand entgegen, daß das Bundeseisenbahnvermögen im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen war. Denn Art. 1 § 22 Abs. 1 Satz 1 ENeuOG räumt der Klägerin die Verfügungsbefugnis auch über solche Grundstücke im Beitrittsgebiet ein, die - wie hier bis zum 26. März 1998 - im Grundbuch als Eigentum des Volkes in Rechtsträgerschaft der Deutschen Reichsbahn eingetragen sind.

III.

Das Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen zur Höhe des Mietrückstands, zur Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung sowie zu der mit dem Räumungsantrag auch geltend gemachten Verpflichtung zur Entfernung der auf dem Mietgrundstück vorhandenen Gebäude und Ablagerungen getroffen. Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben und die Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

Zurück