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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 17.12.2008
Aktenzeichen: XII ZR 57/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 550 S. 2
BGB § 578 Abs. 1
BGB § 581 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2008

durch

die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne,

den Richter Prof. Dr. Wagenitz,

die Richterin Dr. Vézina und

die Richter Dose und Dr. Klinkhammer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 18. Januar 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist, und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt die Übergabe eines von der Beklagten gemieteten Hotels sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den aus der verspäteten Übergabe entstandenen Schaden zu ersetzen.

Mit schriftlichem Vertrag vom 9. September 2004 mietete die Klägerin von der Beklagten ab 15. Januar 2005 für die Dauer von 15 Jahren das Aparthotel R. in B. . Ziffer 1.1 des Mietvertrages lautet:

"Gegenstand des Mietvertrages ist das Aparthotel R. , P. Straße ..., ... B. . Vermietet wird das gesamte Objekt wie von den Parteien besichtigt (mit Ausnahme der Gewerberäume im EG/1. OG (B. B. , Bäckerei, Buchhandlung sowie T-Sendeanlagen und Büros Nr. 1.04 und 1.07 1. OG). Mitvermietet wird die gesamte Inventarisierung gemäß Anlage. Die Anlage ist Bestandteil des Mietvertrages. 18 TG-Plätze, mit Ausnahme von 6 Plätzen für die Gewerbemieter."

Gemäß Ziff. 15 des Mietvertrages wurde der Klägerin eine Kaufoption für das gesamte "Objekt-Gebäude einschließlich Einrichtung" eingeräumt. Der Bestand des Vertrages sollte gemäß Ziff. 16.5 des Vertrages nicht durch die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen berührt werden. Bestandteil des Vertrages sollten gemäß Ziff. 16.6 u.a. die Anlagen Grundrissplan mit Ausstattungs- und Einrichtungsbeschreibung, Inventar-Verzeichnis sein. Daneben ist jeweils handschriftlich vermerkt: "folgt".

Mit Schreiben vom 3. Januar 2005 erklärte die Beklagte die Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung und kündigte mit Schreiben vom 13. Januar 2005 den Mietvertrag hilfsweise aus wichtigem Grund. Sie verweigerte die Übergabe des Mietobjekts.

Das Landgericht hat der Klage bis auf die ebenfalls herausverlangten, nicht mitvermieteten sechs Tiefgaragenplätze für die anderen Gewerberaummieter stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil dahin abgeändert, dass es dem Feststellungsantrag für die Zeit vom 15. Januar bis 30. Juni 2005 stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen hat. Die weitergehende Berufung des Beklagten hat es zurückgewiesen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter.

Entscheidungsgründe:

Gegen die im Verhandlungstermin nicht vertretene Beklagte ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Dieses beruht inhaltlich jedoch nicht auf der Säumnis; es berücksichtigt den gesamten Sach- und Streitstand.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch mehr auf Übergabe des Hotels. Zwar sei der Mietvertrag weder durch die Anfechtung noch durch die fristlose Kündigung der Beklagten beendet worden. Er habe auch keiner notariellen Beurkundung wegen der vereinbarten Kaufoption bedurft. Der Mietvertrag sei aber durch eine ordentliche Kündigung der Beklagten vom Dezember 2004 mit Ablauf des 30. Juni 2005 beendet worden. Der auf die Dauer von 15 Jahren abgeschlossene Mietvertrag genüge nämlich nicht der Schriftform und gelte deshalb gemäß §§ 550, 578 BGB nur für unbestimmte Zeit. Bei dem Grundrissplan und dem Inventarverzeichnis, die als Anlagen im Mietvertrag genannt, diesem aber nicht beigefügt gewesen seien, handele es sich um wesentliche Vertragsbedingungen, die der Beurkundungspflicht unterlägen.

Die Jahresfrist des § 550 Satz 2 BGB gelte nur für überlassenen Wohnraum. Sie sei auf nicht überlassene Gewerberäume nicht entsprechend anwendbar.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts scheitert die Wahrung der Schriftform des Vertrages nicht daran, dass die in Ziff. 16.6 des Vertrages erwähnten Anlagen (Grundrissplan, Inventarverzeichnis) diesem nicht beigefügt waren.

a)

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats genügt ein für längere Zeit als ein Jahr geschlossener Miet- oder Pachtvertrag über ein Grundstück bereits dann der Schriftform der §§ 581, 550 BGB, wenn sich die wesentlichen Vertragsbedingungen - insbesondere Mietgegenstand, Mietzins sowie Dauer und Parteien des Mietverhältnisses - aus der Vertragsurkunde ergeben. Der Schriftform bedürfen hingegen nicht solche Abreden, die den Vertragsinhalt lediglich erläutern oder veranschaulichen sollen (Senatsurteile BGHZ 176, 301 und 142, 158, 162). Für die Einhaltung der Schriftform ist es ausreichend, dass sich die wesentlichen vertraglichen Vereinbarungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses hinreichend bestimmbar aus der Vertragsurkunde ergeben (Senatsurteil vom 2. November 2005 - XII ZR 212/03 - NJW 2006, 139, 140). Insoweit darf auch auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen werden, wenn diese zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits vorgelegen haben.

b)

Der Pachtgegenstand ist in Ziff. 1.1 des Pachtvertrages hinreichend bestimmbar beschrieben. Weder der Grundrissplan noch das Inventarverzeichnis, die gemäß Ziff. 16.6 des Pachtvertrages noch nachgereicht werden sollten, sind zur Bestimmung des Pachtgegenstandes erforderlich. Ihnen kommt kein eigener rechtsgeschäftlicher Erklärungswert zu, der sich nicht ohnehin schon aus dem Vertrag ergibt. Sie dienen vielmehr lediglich der Veranschaulichung bzw. Beweiszwecken.

aa)

Die Einigung der Parteien darüber, welche Räumlichkeiten verpachtet werden sollten, ist in Ziff. 1.1 des Pachtvertrages beurkundet worden. Dort werden die verpachteten Räumlichkeiten in Abgrenzung zu den anderen gewerblichen Nutzungen, die in dem Gebäude P. Straße ... in B. vorhanden sind, beschrieben. Diese anderen gewerblichen Nutzungen wurden ebenso wie das Hotel bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses betrieben. Im Rahmen einer Besichtigung war also vor Ort erkennbar, welche Räume als zum Hotel gehörig an die Klägerin vermietet werden sollten. Auf diese tatsächliche Nutzung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses stellt Ziff. 1.1 des Pachtvertrages, der an die vorangegangene Besichtigung anknüpft, auch ab. Dafür, dass der Grundrissplan den bereits vereinbarten Pachtgegenstand lediglich veranschaulichen sollte, spricht auch, dass die Verweisung auf den Plan erst unter "Sonstiges" in Ziff. 16.6 des Vertrages erfolgt ist und nicht bei der Beschreibung des Pachtobjekts in Ziff. 1.1.

bb)

Entgegen der von der Beklagten in der Revisionserwiderung vertretenen Ansicht sind auch die Tiefgaragenplätze in Ziff. 1.1 des Vertrages hinreichend bestimmbar beschrieben. Danach darf die Klägerin von den vorhandenen 18 Stellplätzen 12 Plätze nutzen; die verbleibenden 6 Plätze stehen den anderen Gewerbemietern zur Verfügung. Da im Vertrag keine feste Platzzuweisung vereinbart ist und die Parteien eine solche Vereinbarung auch nicht behauptet haben, ergibt sich aus dem schriftlichen Vertrag, dass die Klägerin von den vorhandenen freien Plätzen nach Wahl 12 Plätze nutzen kann (vgl. auch BGH Urteil vom 12. März 2008 - VIII ZR 71/07 - NJW 2008, 1661).

cc)

Auch das Fehlen des Inventarverzeichnisses führt nicht zum Verstoß gegen das Schriftformgebot.

Die Parteien haben sich in Ziff. 1.1 des Pachtvertrages darüber geeinigt, dass die "gesamte Inventarisierung" gemäß Anlage mitverpachtet wird. Bei Abschluss des Vertrages lag die Anlage allerdings nicht vor. Sie sollte später erstellt werden. Aufgrund dieser Umstände ist davon auszugehen, dass sich die Parteien bereits bei Vertragsunterzeichnung darüber einig waren, dass das gesamte am Tag des Vertragsschlusses vorhandene Inventar mitverpachtet werden sollte. Dafür spricht schon, dass das Wort "gesamte" in Ziff. 1.1 des Vertrages überflüssig wäre, wenn lediglich das in einer noch anzufertigen Anlage aufgeführte Inventar hätte verpachtet werden sollen. Daneben spricht auch die auf Miet- und Pachtverträge entsprechend anwendbare Auslegungsregel des § 311 c BGB dafür, dass das im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhandene Zubehör des Pachtobjekts mitverpachtet ist, mithin auch das gesamte Hotelinventar (vgl. Senatsurteile vom 26. Februar 2000 - XII ZR 258/97 - NZM 2000, 548, 549 und vom 29. September 1999 - XII ZR 313/98 - NJW 2000, 354, 357). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien eine davon abweichende Regelung wollten und sich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 9. September 2004 noch nicht über den Umfang des mitverpachteten Inventars geeinigt hatten, sondern erst später bei der Erstellung der Inventarliste entscheiden wollten, welche Gegenstände mitverpachtet werden sollten.

Haben sich die Parteien aber über die Mitverpachtung des gesamten Inventars geeinigt, ist die Form des § 550 BGB gewahrt. Denn nach dieser Vorschrift ist nur formbedürftig, was nicht von Gesetzes wegen ohnehin gelten würde. Die vereinbarte Aufnahme eines Inventarverzeichnisses dient lediglich Beweiszwecken (vgl. Senatsurteil vom 29. September 1999 - XII ZR 313/98 - NJW 2000, 354, 357).

Der Pachtvertrag genügt somit der Schriftform der §§ 581 Abs. 2, 550 Satz 1 BGB. Da er auf bestimmte Zeit abgeschlossen ist, konnte er von der Beklagten nicht ordentlich gekündigt werden.

2.

Der Pachtvertrag ist auch nicht im Hinblick auf die in Ziff. 15 des Vertrages vereinbarte Kaufoption nichtig (§§ 311 b, 125 BGB). Dabei kann offen bleiben, ob die vereinbarte Kaufoption der notariellen Beurkundung gemäß § 311 b BGB bedurfte. Denn der Vertrag ist schon deshalb nicht insgesamt nichtig (§§ 125 Abs. 2, 139 BGB), weil die Parteien in Ziff. 16.5 des Vertrages eine salvatorische Klausel vereinbart haben. Diese bewirkt eine Umkehr der Vermutung des § 139 BGB dahin, dass derjenige, der sich auf die Gesamtnichtigkeit des Vertrages beruft, die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass die Parteien den Vertrag ohne den nichtigen Teil nicht abgeschlossen hätten (Senatsurteile vom 21. November 2007 - XII ZR 149/05 - GuT 2008, 38, 39 und vom 25. Juli 2007 - XII ZR 143/05 - NJW 2007, 3202, 3203 m.w.N.). Die Beklagte hat nicht dargetan, dass das Rechtsgeschäft ohne die Vereinbarung einer Kaufoption nicht vorgenommen worden wäre. Sie hat lediglich vorgetragen, die Kaufoption sei für den Abschluss des Vertrages wesentlich gewesen. Diesen bestrittenen Vortrag hat sie nicht substantiiert und auch nicht unter Beweis gestellt.

3.

Schließlich ist der Pachtvertrag auch nicht durch die von der Beklagten erklärte Anfechtung und außerordentliche Kündigung nichtig bzw. beendet worden. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Landgerichts und des Berufungsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

4.

Die Klägerin hat danach, wie das Landgericht zu Recht erkannt hat, aus dem zwischen den Parteien am 9. September 2004 abgeschlossenen Pachtvertrag einen Anspruch auf Überlassung des gepachteten Hotels einschließlich 12 Tiefgaragenplätzen. Sie hat weiter einen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr alle Schäden zu ersetzen, die durch die Verzögerung der Übergabe entstanden sind oder noch entstehen werden (§§ 280, 286 BGB).

Ende der Entscheidung

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